Es war einmal eine Insel, auf der alle Kinder glücklich waren und umgeben von Zauber lebten...

Ab sofort kann man in die Haut dieser mallorquinischen Kinder schlüpfen. Möglich macht das die kostenlose App „L'illa dels tresors" (Die Insel der Schätze), die gerade auf Katalanisch erschienen ist (im Herbst auch auf Deutsch, Englisch und Spanisch) und bei Apple und Google zu haben ist.

Sie stellt magische Orte vor, die man virtuell oder dank einer interaktiven Landkarte real kennenlernt. Man kann Helden helfen, die gegen die Pein des Alltags oder gegen Fabelwesen kämpfen müssen. Nach getaner Arbeit bekommt man Goldmünzen für die Schatzkiste und kann den Rucksack mit so nützlichen Gegenständen füllen wie Holzpferden, die die Insel mit einem Satz überqueren oder Pistolen, die Drachenblut verspritzen.

Letztlich sucht man die zehn Teile von Mallorcas Märchenkarte, die Sagenfiguren versteckt haben. Hat man sie zusammen, werden auch die Sagenfiguren befreit. Sie können den Alltag erneut beleben. Derzeit sind drei von zehn thematischen Heldenreisen aktiv, bis Ende des Sommer kommen nach und nach die restlichen dazu.

Für die Auswahl der Geschichten sind die Leiterin der Dichterhäuser und der Literaturstiftung Mallorcas, Carme Castells, und ihr Team Carlota Oliva, Joana M. Serra, Joana Gomila und Esteve Nicolau verantwortlich. Die Märchen­expertin Caterina Valriu war Beraterin. Entwickelt hat das interaktive Spiel das Studio Cubus Games in Barcelona. Und gestaltet wurde es von Mallorcas bestem Zeichner Max, Pepmi Garau.

Das Anliegen ist deutlich: Mallorcas märchenhaftes Erbe soll bewahrt werden, die Kinder sollen die Insel so erleben, wie sie „vor dem gesellschaftlichen Wandel des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wurde", sagt Carme Castells, also vor Ankunft des Fernsehers und der Globalisierung.

Das Spiel ist unterhaltsam und vermittelt Werte wie Pazifismus, Umweltschutz, Kameradschaft und es ist kenntnisreich gemacht: Die Geschichten sind knapp und spannend erzählt, sie sind auf einer übersichtlichen Karte verortet. Damit gleicht „L'illa dels tresors" dem Angebot der Dichterhäuser Walking on Words (WoW), das Erwachsene seit 2015 zu Literaturrouten einlädt. Für das Spiel gibt es jetzt neu eine interaktive Karte, die zu mehr als 3.000 Schauplätzen führt, an denen man historische Ereignisse aus 5.500 Jahren auf differenzierte Weise kennenlernen kann.

Castells und ihre Mitarbeiter zeigen Fantasie und Sinn für Humor. Die zehn Heldenreisen bei „L'illa dels tresors" führen zur Mittelmeermönchsrobbe, zu Meerjungfrauen, Fischjungen und Wasserfrauen, zu Rittern und Königen oder zu Drachen. Immer wieder erweckt das Autorenteam durch szenisches Erzählen althergebrachte Geschichten zum Leben.

Wie die vom Drac de na Coca, dem stadtbekannten Drachen von Palma: Ähnelt er einem Tyrannosaurus rex, einem Krokodil­baby oder einem Gecko? Wer weiß, wie das ausgestopfte Tier im Diözesanmuseum wirklich aussieht, darf mit dem Drachentöter Georg auf einem weißen Pferd ins Sóllertal preschen, um dort die Fußspuren eines anderen Drachen zu entdecken. Womit kann man ihn besiegen? Mit einer Lanze, einem Buch und einer Rose (der Georgstag ist im katalanischsprachigen Raum der Tag des Buches), mit einer Wasserpistole oder gar mit einer Draconis Pistolum, einer neuzeitlichen Waffe für moderne Drachentöter?

Die Abenteuerreisen belegen, dass auf Mallorca schon lange das Leben pulsiert: In einer Höhle bei Puigpunyent glänzt heute noch zur Sonnwende die vergrabene Aussteuer einer maurischen Prinzessin. Die Hexen trafen sich normalerweise in Son Ferriol zum Tanz, und der Jude Mossé Faquim ließ sein Haus in Palma um einen hohen Turm erweitern, von dem er seine Geliebte besser sehen konnte, die mit Magaluf Natjar verheiratet war. Wer all das weiß, hat die Legenden „befreit": Sie leben wieder unter uns und sind verortet, in der Straße Torre del Amor, Turm der Liebe oder in Palmas Calatrava-Viertel.