Einen Moment lang ist unklar, ob die Fahrt weitergehen kann. Der gelb-schwarze Trabant springt nicht an. „Soll ich Hand anlegen?", fragt Luca Pack seinen Vater Sven. Als der bejaht, öffnet der 18-Jährige die Motorhaube, nimmt den Luftansaugschlauch und deckt ihn mit der Hand ab. Sven Pack betätigt die Zündung. Und siehe da, der Trabi, wie die Autos zumeist im Volksmund genannt werden, gibt das ersehnte Knattern von sich, das den Zweitaktmotor des Wagens auszeichnet. Aus dem Auspuff kommt eine Rauchwolke, die Fahrt kann weitergehen.

Wir befinden uns in den Weinbergen der Bodega Conde Suyrot oberhalb von Colònia de Sant Pere. Mit dabei sind neben Luca und seinem Vater Sven Pack auch dessen Frau Claudia sowie das befreundete Ehepaar Miquel Pascual und Marga Oliver, zwei mallorquinische Hoteliers. Und natürlich die Protagonisten des Tages: drei Trabant Tramp-Modelle aus dem Jahr 1982 - ein beiger, ein roter und ein gelber mit schwarzer Motorhaube. Die Tramps sind keine gewöhnlichen Trabants, sondern die zivilen Ableger der Grenzschutzfahrzeuge der DDR. Eigentlich sind es Cabriolets, aber bei der großen Hitze lassen wir das von Hand abnehmbare Dach doch lieber drauf.

Eingeladen hat die MZ zu einer Spritztour durch den Nordosten der Insel Claudia Pack. Sie wurde von ihrem Mann vom Trabi-Virus angesteckt, wie sie erzählt. „Ich komme aus Dortmund und habe am Anfang überhaupt nicht verstanden, was mein Mann an diesen Autos fand", erzählt Pack, die bereits seit 24 Jahren auf Mallorca lebt und in einem Hotel arbeitet. Bei Sven Pack ist die Verbundenheit zu den in Zwickau hergestellten Kult-Fahrzeugen schon eher verständlich - er stammt aus Berlin-Mitte. Seit Jahren war er auf der Suche in ganz Spanien nach den Modellen. Erst Anfang 2017 wurde er fündig - und das auch noch quasi vor der Haustür. „Nachdem ich auf Mallorca den ersten Trabant aufgetan hatte, kamen innerhalb von ein paar Monaten sieben andere dazu", sagt Pack. Im Internet stieß er nach und nach auf weitere zum Verkauf stehende Modelle in Sevilla, Málaga, Barcelona, Madrid und Ciudad Real. Die Fahrzeuge parkte Pack erst einmal auf dem Festland. Als er eine geeignete Garage angemietet hatte, kamen die Tramps im Frühjahr per Transporter auf der Insel an. Die meisten hatten technische Defekte, Pack bringt sie nach und nach auf Vordermann und schickt sie durch die ITV. Fahrtüchtig sind bisher drei Exemplare.

Von den Tramps in unterschiedlicher Farblackierung seien nur 926 Stück hergestellt worden, sagt Pack. „Die DDR brauchte harte Devisen und entschied, diese Fahrzeuge als Spaßmobile in südeuropäischen Länder zu exportieren", erzählt der Deutsche. So wurden die Fahrzeuge hauptsächlich in Spanien, Jugoslawien und Griechenland auf den Markt gebracht. Das funktionierte allerdings nicht wie gewünscht. „Die Leute fanden zwar das Auto cool, wollten aber eine bessere Motorisierung", sagt Pack. Dazu kam, dass das Tanken außerhalb von Deutschland eine echte Herausforderung war und ist. Das Benzin-Öl-Gemisch, das der Trabant schluckt, gibt es beispielsweise in Spanien nicht zu kaufen. Sven Pack mischt Öl und Benzin im Verhältnis 1:50. „Und das muss passen, sonst hast du schnell einen Motorschaden."

Die zivilen Tramps unterscheiden sich zum Glück in der Ausstattung von den ehemaligen Grenzfahrzeugen. „Bei denen war in der Seitentür eine Kalaschnikow befestigt", erklärt Pack, der locker als wandelnde Trabant-Enzyklopädie durchgehen könnte. „Ich habe mir ein paar Sachen angelesen", sagt er trocken mit seinem Berliner Akzent. Die eigentlichen Tramps waren grün und nicht so schön bunt wie die Exemplare, die Pack auf die Insel gebracht hat.

Unsere Fahrt zum Weingut war etwa eineinhalb Stunden vorher in Sa Pobla gestartet. Dort wartete die Truppe an einem Autohaus auf den Reporter. „Der Mechaniker hier hilft uns beim Schrauben an den Trabis", sagt Sven Pack. Drinnen steht ein weiterer Trabant, ein Modell der Reihe 1.1. Von dieser Rarität wurden nur rund 38.000 Stück hergestellt.

Bereits nach wenigen Kilometern ist der erste Stopp fällig: Der rote Trabant von Miquel Pascual geht aus, Pascual fährt im Dorfzentrum an den Straßenrand. Sven Pack schaut nach dem Rechten und bekommt den Trabi nach fünf Minuten wieder zum Laufen. „Der zieht irgendwo Luft, es war kein Benzin im Filter", sagt er. Pack ist handwerklich geschickt, hat eine Baufirma auf der Insel und absolvierte kurz vor der Wende sogar ein mehrwöchiges Praktikum bei Trabant in Zwickau. Trotzdem stößt auch er hin und wieder an seine Grenzen. „Ich bräuchte einen deutschen Rentner hier auf der Insel, der bei Trabant gearbeitet hat. Der alle Teile in- und auswendig kennt." Der könnte ihm beim Schrauben behilflich sein, hofft Pack. „Und ich bin sicher, dass es den auf Mallorca gibt."

Die Gruppe tuckert ohne weitere Zwischenfälle durch die traumhafte Insellandschaft, hin und wieder überholen andere Autofahrer die Kolonne. In den Dörfern sind die Trabants ein Blickfang. „In Pollença waren wir gestern auf dem Dorfplatz", erzählt Sven Pack. „Da haben gleich fünf, sechs Leute ihre Handys gezückt und gefilmt." Ein Trabant auf Mallorca ist schließlich eine Rarität. Pack erzählt, dass er nach vielen Jahren am Tag der Tour mit der MZ den ersten Trabant gesehen hat - ein blauer Tramp mit deutschem Kennzeichen.

Was die Packs nun mit ihrer Trabi-Sammlung vorhaben, wissen sie noch nicht so genau. Pack könnte sich geführte Touren vorstellen, scheut aber noch ein wenig vor den aufwendigen Genehmigungen und teuren Versicherungen zurück. „Klar ist, dass die Trabants nicht in der Garage verstauben sollen."

Halb im Scherz, halb im Ernst geistert noch eine andere Idee durch die Köpfe von Claudia und Sven Pack: Wieso nicht einen dritten Teil des Kultfilms „Go Trabi Go" von 1991 anstoßen? Einen, der auf Mallorca spielt. Die geeigneten Fahrzeuge hat Sven Pack schließlich - und auch schon ein paar Ideen, was die Handlung betrifft. „Wolfgang Stumph, bitte melde dich bei uns", lautet der Aufruf der Trabant-Enthusiasten. Den Schauspieler von damals, der bereits durchblicken ließ, dass ihn ein dritter Teil reizen würde, brauche es natürlich für dieses Projekt, sagt Claudia Pack.

Da ging was beim Transport schief

Der „BVB"-Trabi, wie ihn Sven Pack aufgrund der Farbgebung schwarz-gelb in Anspielung auf die Vereinsfarben von Borussia Dortmund auch nennt. Das Auto, Baujahr 1982, stammt von Francisco, einem Freund von Pack aus Lebrija in der Nähe von Sevilla, der es wiederum von einem Bekannten bekam. Francisco lernte Pack kennen, als er im Internet nach Trabant-Modellen suchte, die in Spanien zum Verkauf stehen. Leider erlitt „Málaga", der aufgrund seines Zulassungsortes so genannt wird, beim Transport nach Mallorca einen Schaden an der Motorhaube. Kurzerhand pinselte Pack die Haube schwarz.

Im einwandfreiem Zustand

„Barcelona" heißt der beige Trabant, der absolute Favorit von Claudia Pack. Auch dieses Modell ist Baujahr 1982 und wurde in Barcelona erstmals zugelassen. „Barcelona" befand sich im Original-Zustand. Der Wagen stammt von einem Autohändler, der den Trabant selbst zuvor gekauft hatte, um ihn gewinnbringend zu veräußern. „Barcelona" war generalüberholt, hatte neue Sitze. Es musste lediglich die Lenkung erneuert werden sowie ein Benzinhahn eingebaut werden. Der Autohändler aus Barcelona lieferte Pack den Wagen sogar nach Mallorca - gegen eine Sicherheitsanzahlung von 500 Euro.

Bei der ITV ist Geduld gefragt

Auch „Madrid" - wie unschwer zu erkennen aus der spanischen Hauptstadt stammend - wurde im Jahr 1982 gebaut. Der Besitzer restaurierte den Wagen mustergültig, starb dann aber. Sein Sohn verkaufte ihn mit einer Träne im Auge. Er kam mit dem Auto nicht klar, wusste nicht einmal, wie man ihn startete. Von diesem Wagen hat Sven Pack sogar noch den Original-Kaufvertrag. Bei der ITV-Untersuchung in Manacor war er über eine Stunde lang beschäftigt, den Ingenieuren klarzumachen, dass das Modell Tramp tatsächlich keine Türen hat. Man wollte ihm die Plakette für die Hauptuntersuchung verweigern.

Kontakt zu Claudia und Sven Pack: trampcultmallorca@gmail.com