Träume zu haben ist leicht, sie zu realisieren nicht. Oder doch? Bartomeu Ballester (47) kündigte seinen Job im Personenschutz im Frühjahr, einen Tag später pflanzte er bereits Tomaten im Garten der Finca Es Pontet in Algaida.

Auch Pere Ferragut (40) hat gehandelt, statt lange zu überlegen. Seine Stelle als pädagogischer Mitarbeiter in einer Schule war zwar fix, doch fehlten dem Vater von zwei Kindern Spaß und Perspektive im Job: „Ich wollte etwas tun, was den Menschen um mich herum nützt und was mir selbst Freude bereitet." Nun arbeitet er in der Natur, baut Bio-Gemüse und -Obst an und verkauft es im Hofladen von Es Pontet. Die 20.000 Quadratmeter große Finca, (früher befand sich hier eine Eisenbahnbrücke der alten Zugstrecke Palma-Manacor) gehört einer befreundeten Mallorquinerin. Sie hat den beiden die Anlage samt Nutzgarten, Profiküche, Verkaufsladen und Fremdenzimmer vermietet. „Zuerst muss man investieren, vor allem Arbeitszeit, später soll Es Pontet meine Familie ernähren", sagt Pere Ferragut Seine Frau unterstützt ihn, sie sei aber auch noch anderweitig berufstätig.

Auf Es Pontet wachsen Feigen und Orangen, Pflaumen, Äpfel, Birnen, Aprikosen, Kaki, Mandeln und Johannisbrot. Morgens um halb sieben inspiziert Bartomeu Ballester die Tomaten, nebenan wachsen Porree, Auberginen, Zucchini, Zwiebeln. Zehn bis elf Stunden arbeitet er jeden Tag und damit mehr als früher, dafür ohne Nachtschichten. Nun kann er wieder Zeit mit der Familie verbringen, was durch Schichtdienst und stete Einsatzbereitschaft im alten Job nicht funktionierte. Er fühlt sich frei und selbstbestimmt, das wiegt die finanziellen Einbußen für ihn auf. „Es geht mir nicht darum, viel Geld zu verdienen. Es geht darum wie wir mit unserer Erde umgehen, es geht um gute Nahrungsmittel, um unsere Zukunft und Gesundheit", sagt Bartomeu Ballester, der als zweites Standbein noch einen kleinen Familien-Weinberg bewirtschaftet und aus den autochthonen Trauben schwefelfreien Naturwein herstellt.

Auch Pere Ferragut will sich ein zweites Standbein aufbauen, er würde gerne mit Tieren, speziell mit Schafen, arbeiten. Eine Finca für seine Schafherde hat er schon gefunden, jetzt spart er, um Tiere kaufen zu können. Er hat bereits Kontakt zur Gruppe „me ecològic de Mallorca", einer Vereinigung von Schäfern, die ihr Bio-Lammfleisch inselweit vertreiben. Bio-Produkte werden auf Mallorca immer gefragter, davon sind Pere Ferragut und Bartomeu Ballester überzeugt. Trotzdem mussten sie die Preise für Obst und Gemüse seit Ladeneröffnung im Mai schon einmal senken, um ihre Produkte für eine größere Zielgruppe attraktiv zu machen. Neben den eigenen Sachen verkaufen sie auch Käse, Brot, Wein, Olivenöl, Eier, getrocknete Tomaten und Marmelade von Produzenten der Insel. Kurze Wege zwischen Produzenten und Verbrauchern, das ist den beiden wichtig. „Für unsere Großeltern war das völlig normal", sagt Bartomeu Ballester. Zu dem Konzept gehört auch, Produkte zu nutzen, die gerade Saison haben, und auf importierte Waren weitestgehend zu verzichten.

Bei ihren Brotbackkursen vermitteln sie auch Wissen. Wie man aus Natursauerteig selbst Brot herstellen kann, können bald sogar Kinder lernen. Außerdem sollen künftig Degustationsessen mit Produkten von der Finca wie Calcots oder violetten Karotten stattfinden, für die Kurse werden Köche und Bäcker engagiert. Es Pontet, wünschen sich Bartomeu Ballester und Pere Ferragut, soll ein Treffpunkt für Menschen werden, die sich für gesundes Leben interessieren. Nicht nur die jüngeren Mallorquiner, gerade auch in ihrer eigenen Generation würden viele umdenken. Sie leben das vor: Während ihre Eltern noch den Bürojob dem Leben als Landwirt vorzogen, treten Bartomeu Ballester und Pere Ferragut wieder in die Fußstapfen ihrer Vorfahren. Ihr Motto: Anima Sana in Corpore Sano (gesunder Geist in gesundem Körper). Voraussetzung dafür sind Lebensmittel, die ohne Insektizide und Pestizide und in natürlichem Tempo wachsen dürfen, damit sie so viele Vitamine, Biostoffe und ­Abwehrkräfte wie möglich enthalten. „Wir lernen jeden Tag dazu, auf dem Acker, aber auch durch Lesen und Nachfragen", erzählt Pere Ferragut. Nicht jedes Problem ließe sich auf Anhieb lösen, die größte Herausforderung seien Krankheiten der Pflanzen wie Pilz- und Wurmbefall. Da müssen die zwei Neulinge im Bioanbau noch mehr in der Prävention arbeiten, denn ist die Pflanze einmal befallen, ist die Behandlung ohne Chemie schwierig. Auch ihre Eltern und Großeltern sind da wieder gefragt - mit Erfahrung und nützlichen Tipps.

Ob ihr Neuanfang auf Dauer zu mehr Zufriedenheit führt, das wird sich für Pere Ferragut und Bartomeu Ballester erst noch herausstellen. Als Exoten sehen sich die Job-Aussteiger nicht, auch wenn einige Freunde finden, dass sie „ganz schön mutig", sprich verrückt sind. Doch um Mut oder Beweisenwollen geht es ihnen nicht. „Früher hatte ich einen Job, den ich aus Pflichtgefühl erfüllt habe", sagt Bartomeu Ballester. „Heute habe ich zig Ideen im Kopf und großen Spaß an der Arbeit."

Bio-Farm Algaida:

Es Pontet, Carretera Vella de Palma a Manacor, km 22(Kreisel Restaurant Binicomprat), Algaida. Geöffnet Mo.-Sa. 9-14 und 16-20 Uhr, Facebook: Es Pontet.