Am Ende des Rundgangs schmeckt der winzige Tropfen so intensiv, dass der Geschmack noch lange nachwirkt. Das sei ein Extrakt der Süßholzwurzel Liquiritiae radix, sagt Jaime Salas, verantwortlich für das Labor von Bionorica extracts S.L. in Consell. Die Hightech-

Firma für pflanzliche Extrakte ist eine Tochter des oberpfälzischen Pharmaunternehmens Bionorica, unter anderem bekannt für die Marken Sinupret und Bronchipret. Michael Popp, Vorstandsvorsitzender und Inhaber von Bionorica, eröffnete den Standort in Consell 1994. Wo heute riesige Edelstahlbehälter mit bis zu 50.000 Liter Fassungsvermögen stehen, wurden früher Mandeln verarbeitet.

„Drinnen wird es sehr heiß", warnt uns die Leiterin des Standorts Consell Nati Gómez zu Beginn des Besuchs. Mit dabei ist neben Jaime Salas auch Javier Agueda, der für den technischen Ablauf verantwortlich ist. Wir müssen uns sterile Schutzkleidung überziehen, erst dann kann der Rundgang durch die Produktionsstätten im Gebäude beginnen. Die Pflanzenauszüge finden meist durch Erhitzung von Flüssigkeiten statt. Ein intensiver Kräuterduft hängt schwer in der Luft. Es blubbert und köchelt. Von einem der Zuläufe zu den Geräten aus Edelstahl wird eine Probe Kamillelösung für das Labor angezapft.

„Die Mazeration erfolgt dagegen kalt mit Lösungsmitteln", sagt Agueda. In einem riesigen, rechteckigen Becken entzieht man die Wirkstoffe der Myrrhe (Commiphora myrrha), es handelt sich um das Harz eines afrikanischen Balsamstrauches. Agueda hebt die Abdeckung in die Höhe und warnt davor, uns zu weit nach vorn zu beugen. Ein Schwall des alkoholischen Lösungsmittels strömt aus dem Depot und ist so intensiv, dass er fast schwindlig macht. Außer der Mazeration und der Destillation eignet sich für bestimmte Pflanzenarten auch die Pasteurisation. Bei diesem Verfahren werden die Flüssigkeiten eine Minute lang auf 125 Grad erhitzt, was alle unerwünschten Keime eliminiert.

Drei Wochen lang dauert in Consell der Pflanzenauszug. Zurzeit werden unter anderem auch Kamille und Baldrian sowie die bereits erwähnte Lakritze verarbeitet. Wie auch bei allen anderen Verfahren werden während des Prozesses Laborproben entnommen. „Vom Eintreffen der frischen oder getrockneten Pflanzen bis zum Endprodukt überprüfen wir in kurzen Abständen die Reinheit der Pflanzen und den Verlauf der Extraktionen", sagt Salas.

Derzeit sind inselweit zwischen 48 und 50 Mitarbeiter auf Mallorca verantwortlich für Extraktherstellung, Qualitätskontrolle sowie die 100 Hektar Inselboden, auf denen Bionorica- Pflanzen wachsen. Angebaut wird in Llubí, in Porreres sowie auf dem 2013 von der Firmengruppe erworbenen Mustergut Sa Canova bei Manacor. Auf den Feldern herrscht ein strenges Nachhaltigkeitskonzept. Bionorica hat eigene Sorten gezüchtet, und bei allen Pflanzen kommen chemisch geprüfte Spezialsamen für Arzneipflanzen zum Einsatz.

Die Setzlinge, aber auch die Pflanzen, die durch Ableger vermehrt werden, zieht man auf dem Mustergut Sa Canova. Auf der Insel werden für die Extraktion heimische Stauden gezogen, wie beispielsweise Rosmarin, Salbei, Minze und Thymian. Die Nährstoffe für die Pflanzen liefern die zu Kompost verarbeiteten Pflanzenreste aus der Fabrikation aus Consell. Weder Herbizide noch Pestizide kommen zum Einsatz. Auch die kurzen Wege für Frischpflanzen vom Feld bis zur Verarbeitung zählen zum Nachhaltigkeitskonzept.

Der Star unter den Heilkräutern der Insel ist indes der Purpurfarbene Sonnenhut (Echinacea purpurea), der sich bei Erkältungen positiv auf das Immunsystem auswirkt. Die etwa 50 Zentimeter hohe Pflanze werde zwei Mal im Jahr im Mai und Juni sowie im September und Oktober geerntet, berichtet Agueda - und zwar kurz nach Sonnenaufgang, wenn sich die Blüten des Sonnenhuts öffnen. Dann schneidet eine Maschine die Stängel, Blätter und Blüten in einer Höhe von fünfzehn Zentimeter über dem Boden.

Bereits um acht Uhr morgens ist die Lieferung dann in Consell. Frischpflanzen verlieren bei langen Transporten ihre wertvollen Substanzen. „Sie werden sofort nach der Ankunft fünf Minuten lang bei 98 Grad mit Wasserdampf behandelt", sagt Agueda. Gelagert werden die Blüten dann in den Edelstahlbehältern in 20-prozentigem Alkohol. Innerhalb von zwei Monaten können so 300 Tonnen Sonnenhut verarbeitet werden.

Weitere getrocknete Kräuter, Blüten oder Wurzeln - auch sie werden mit strengen Kontrollen angebaut - kommen aus Anbaugebieten in Polen, Ungarn, Österreich und Frankreich. Über Deutschland gelangen sie dann zur Bearbeitung nach Consell. Ein intensiver Duft nach Kräutergemisch empfängt die Besucher in der Halle, in der sie gelagert werden.

Die pflanzlichen Arzneimittel, auch Phytotherapeutika genannt, enthalten die aktiven Wirkstoffe von mehreren Heilpflanzen. Erst ihr Zusammenspiel macht die Wirkung eines Medikaments aus. Wenn die Aufträge von der Mutterfirma aus Deutschland eintreffen, werden die in unterschiedlichen Flüssigkeiten konservierten Wirkstoffe weiterverarbeitet.

Unter den vielen hochkomplizierten Hightech-Geräten gibt es in Consell einen Druckzerstäuber (spray dyer), der wie ein überdimensionaler Kaffeefilter ausssieht und mit seinen 20 Metern Höhe vom ersten bis ins dritte Stockwerk des Gebäudes reicht. Er bewirkt, dass die Flüssigkeit verdampft und das reine Pulver mit nur zwei Prozent Feuchtigkeit zurückbleibt.

Am Ende des Rundgangs steht dann der Besuch des Labors auf dem Programm. Es ist das Reich von Jaime Salas. Er öffnet die Türen eines Schranks, in dem Proben allet Extrakte aufbewahrt werden, die seit der Gründung in Consell hergestellt worden sind. Es sind pasteurisierte, destillierte oder mazerisierte Extrakte in hoher Konzentration. Zu ihnen zählt auch der eingangs erwähnte Sirup der Süßholzwurzel, eine konzentrierte flüssige Version der Lakritze.