Nur 200 Meter trennen die 13 Besucher von der Küste und Palmas Stadtviertel Can Pastilla, aber sie könnten nicht weiter entfernt sein. Über den Köpfen der Besucher der kleinen Insel Na Galera rauschen nahezu im Minutentakt Flugzeuge hinweg, im Meer ziehen Stand-up-Paddler und Schwimmer vorbei. An der Küste reihen sich die Hotelblocks aneinander. Die Gruppe steht derweil im gleißenden Sonnenlicht , um sich auf dem Eiland, das nicht mehr ist als eine Ansammlung von Felsen, jahrtausendealte Geschichte anzusehen.

Seit das Team um die Archäologen Jorge Argüello und Ramon Martín hier im Jahr 2012 auf eigene Initiative mit den Ausgrabungen begonnen hatte, haben sie Artefakte gefunden, die bis ins Jahr 2500 vor Christus zurückreichen. Vor zwei Jahren schlossen sie, zumindest vorläufig, die Ausgrabungen ab. Daher soll sich nun jeder die Ausgrabungsstätte ansehen können. In wöchentlich stattfindenden Touren führt Co-Direktor Argüello persönlich über die Insel, Kollege Joan Miquel Morell unterstützt ihn dabei.

Na Galera ist nur mit dem Boot oder schwimmend zu erreichen. Die Fahrt beginnt mit einer Prise Abenteuer: Kurz nach dem Verlassen der improvisierten Anlegestelle neben dem schicken Puro-Beach-Club versagt der Motor des blau-weißen Bootes. Das hatte ohnehin nicht allzu vertrauenserweckend ausgesehen, wie es klein zwischen den Wellen hin- und herschwappte. Nun also das. Argüello allerdings kennt das. Er weiß, was zu tun ist: Selber ran an die Ruder. Man fühlt sich ein wenig wie in einer Walnussschale auf hoher See. Der Wellengang kann die Fahrt schwierig bis unmöglich machen, daher bieten die Archäologen die Touren nur im Sommer an.

Xisca ist mit ihrem Sohn Xisco und den Freunden Marilena und Quico dabei. Sie interessiert sich generell für Kultur und Geschichte: „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit Freunden, da ist auch ein Historiker dabei, und wir empfehlen uns immer Sachen", erzählt sie. Quico kommt aus Can Pastilla. Er hat ein persönliches Interesse an der Insel: „Ich bin so oft hierher geschwommen. Wir haben uns dann immer auf die Insel gesetzt", erinnert er sich. Dass man hier jahrtausendealte Überreste finden würde, das hätte er damals, als der Mann mittleren Alters noch ein Kind war, nicht gedacht.

Auch heute ist für das Laienauge noch wenig erkennbar. Lediglich ein paar niedrige Steinwände lassen erahnen, dass in der Mitte der Insel einmal ein Haus stand. Neben drei brunnenartigen Schächten im Boden macht eine Infotafel mit knappem Text auf die Funde aufmerksam. Erst als Argüello zu erzählen beginnt, erwacht die Insel vor dem inneren Auge zu Leben. Auf die ersten Bewohner vor 4.500 Jahren weisen nur noch drei Steine in halbrunder Form hin, ehemalige Fundamente. Die drei „Brunnen" - für Trinkwasser benutzte man sie nicht - sind bereits Werk des Volkes, das am meisten hinterließ: die Phönizier, manchmal auch als Punier bezeichnet.

Sie nutzten die Insel vom 3. bis ins 1. Jahrhundert v. Chr., vermutlich als religiöse Kultstätte. Darauf deuten viele Dinge hin: „Es gibt keine Reste von Wohnhäusern", erklärt Argüello, etwa Feuerstellen oder Essen. Stattdessen haben die Archäologen in den drei „Brunnen" zahlreiche Keramiken gefunden, die entweder mit menschlicher Asche gefüllt als Urnen dienten oder unbenutzt waren. Wahrscheinlich Opfer an die Götter. Das Gebäude, von dem heute nur mehr das Fundament übrig ist, soll eine Höhe von vier Metern gehabt haben. Ein monumentaler Tempel. Wie kommen die Archäologen darauf? Argüello führt uns zum südwestlichen Zipfel der Insel und deutet ins Wasser: „Siehst du die eckigen Kanten? Hier holten sie die Steine heraus." Da der Meeresspiegel früher niedriger war, lag der Steinbruch damals frei. Anhand des fehlenden Volumens konnten die Archäologen die Größe des Tempels rekonstruieren.

Diese sichtbaren Reste sind nur die letzten einer Reihe von Häusern, die die Römer in den drei punischen Kriegen kurz und klein schlugen. Doch die Römer interessierten sich nicht für die Insel. Bald folgte ein Mysterium: Man fand zehn Skelette von gewaltsam ums Leben gekommenen Menschen aus dem 1. Jahrhundert. „Wie kamen sie hierher? Was ist passiert?", fragt Argüello. Aufschluss geben sollen DNA-Analysen in Schweden und Großbritannien sowie Gesichtsrekonstruktionen in Madrid. Die Tests sind für die Forscher kostenlos, weil es Abkommen gibt. Auf andere, teurere Verfahren mussten sie bisher verzichten.

Denn das ist das zentrale Problem ihrer Arbeit: Sie haben kein Geld. Staatliche Subventionen fallen nur gering aus. Man muss in Vorleistung gehen, ohne zu wissen, ob man das Geld zurückbekommt. „Das ist ungerecht", klagt Morell. Um Geld für die Restaurierung der Funde zu sammeln, plant das Team gerade eine Ausstellung im Casal Balaguer. Außerdem haben sie ein Patenschaftsprogramm für Fundstücke aufgelegt, die restauriert werden sollen. Man habe fast alle Hotels in der Umgebung kontaktiert, aber kaum Antwort erhalten. Nur der direkte Nachbar, der Puro Beach, hat Unterstützung in Höhe von 16.000 Euro pro Jahr zugesichert. Dieses Sponsoring ermöglicht jetzt bereits die kostenlosen Führungen. Wenn dann mal eines Tages genug Geld da ist und alle Elemente restauriert sind, ist eine Dauerausstellung auf dem Festland angedacht.

Die 200 Meter wären dann überwunden. Sonderbar wird Na Galera wohl bleiben.

Touren donnerstags um 10 und 12 Uhr. Voranmeldung unter E-Mail nagalerapunica@gmail.com