Wer mit dem Blick gen Boden gerichtet, offenen Augen und einem minimalen Interesse für Mode durch Mallorca läuft, wird eines bemerkt haben: alt und jung, groß und klein, vom Fußvolk bis zur Königsfamilie - alle laufen mit einem Typus Sandale rum. Es handelt sich um abarcas oder auf Mallorquin: avarques. Leder bedeckt den vorderen Teil des Fußes, vor den Zehen gibt es ein Luftloch und hinten eine Schlaufe, um den Fuß festzuhalten - das sind sie, die Balearen-Schlappen.

Wo kommen sie her?

Ursprünglich stammen die Schuhe aus Menorca. Seit 2010 ist dort die Schreibweise „Avarca de Menorca" ein geschützter Herkunftsbegriff, ähnlich der Thüringer Rostbratwurst. Bereits zu Zeiten von Römern und Phöniziern sollen die sogenannten honderos, die antiken Soldaten auf den Balearen, ein ähnliches Schuhwerk getragen haben. Im Verlauf der Geschichte setzte sich der Schuh aber primär unter Bauern durch. Man mag es den Schlappen auf den ersten Blick nicht ansehen, aber sie können erstaunlich widerstandsfähig sein und sind bestechend einfach

herzustellen.

Erzherzog Ludwig von Österreich sorgte im 19. Jahrhundert für die erste bekannte Abbildung des Vorläufer-Modells: In seinem Buch „Die Balearen" findet sich ein Kupferstich, der den rudimentären Schuh der balearischen Bauern zeigt. Sie wickelten den Stoff alter Säcke oder Lederfetzen um die Füße und befestigten das Konstrukt mit groben Nähten und Schnüren. Perfekt angepasst an den jeweiligen Fuß. Das Loch an den Zehen zur Belüftung war schon damals vorhanden, ist also ein wichtiges Charakteristikum der Schuhe. Im Winter sollen die Bauern es mit Stroh ausgestopft haben, gegen die Kälte. Der Erzherzog war wenig begeistert, er befand die Abarcas für „hässlich" und im Winter „unbequem".

Was ist das typische Modell?

Das Auto sorgte für Fortschritte auf der ganzen Welt und brachte quasi als Abfallprodukt eine entscheidende Verbesserung bei den abarcas. Man benutzte einfach alte Autoreifen als Sohle. Das war nicht nur günstig, sondern bot auch besseren Schutz vor Feuchtigkeit und unebenem Boden. Außerdem setzte es der Langlebigkeit der abarcas noch einen oben drauf. Das obere Lederstück wird dabei, mit nur einer dünnen Lederschicht als Fußbett, direkt an das Gummi genäht.

Heute werden diese groben, aber sehr typischen abarcas als rústicas (rustikal) bezeichnet. Alle größeren menorquinischen Schuhhersteller, wie zum Beispiel RIA oder Riudavets, stellen sie (noch) her. Carlos Truyol, in zweiter Generation Generaldirektor des 1947 gegründeten Familienunternehmens RIA, erklärt dies so: „Wir haben einige sentimentale Kunden, die sagen: ,Kommt mir nicht mit komischen Versuchen!'" Allerdings würden diese Klassiker generell immer weniger gekauft.

Den gleichen Eindruck hat auch Mari, Inhaberin der ältesten alpargeteria Palmas, La Concepción, gewonnen. In ihrem kleinen Laden reiht sich Schuh an Schuh. Auf der linken Seite alpargatas, eine andere traditionelle Schuhart, die aus Naturfaser besteht. Rechterhand abarcas, so viel das Herz begehrt. Mari zeigt eine abarca rústica: Tatsächlich verläuft die grobe Naht durch die Autoreifensohle hindurch. Das Leder fühlt sich rau, wenig bearbeitet an. Mari zieht zum Vergleich ein zeitgemäßes Modell heran: Die Sohle ist aus Kautschuk und imitiert lediglich ein Autoreifenmuster, das Leder ist weicher: „Wenn du beide anprobierst, würdest du dich immer für die ohne Autoreifen entscheiden, die sind bequemer", sagt sie.

Wie passt der Schuh?

Bequemlichkeit ist bei solchen Alltagsschuhen, wie es die Abarcas sind, natürlich das A und O. Damit sie wirklich passen, gilt es zweierlei zu beachten: Der Fuß muss der Länge nach zwischen die Nähte am oberen und unteren Ende des Fußbetts passen. Weiterhin sollte das Leder beim Kauf vorne und am Riemen etwas eng sein, denn in den Tagen darauf gibt es nach. Das garantiert, dass sich der Schuh auch wirklich an die jeweiligen Träger anpasst.

Die Welt der abarcas hat sich auch insgesamt an zeitgenössische Bedürfnisse angepasst: Es gibt besser gepolsterte Modelle, Versionen mit Plateauabsatz, mit Keilabsatz, modernere Schnitte. Für Kinder gibt es Ausführungen mit einem zusätzlichen Verschluss an der Verse, damit sie die Schuhe nicht verlieren. Und auch bei den Farben hat sich einiges getan: von klassischen, matt schimmernden Tönen, über bunte Muster bis hin zu Fransen und Glitzer - im Geschäft offenbart sich die ganze Vielfalt der abarcas im 21. Jahrhundert. Sie sind längst vom bäuerlichen Traditionsprodukt zu einem modischen Accessoire geworden. Ein extremer Auswuchs dieser wachsenden Trendhaftigkeit war die abarca, Marke Prada. In schlichtem Schwarz für rund 830 Euro zu haben. Die traditionellen Abarca-Hersteller freut's: „Die großen Marken machen das Produkt bekannt", sagt Truyol.

Wo gibt es sie zu welchem Preis?

Bekanntheit hilft Abarca der bei ihrer Expansion. Seitdem Truyol vor 22 Jahren die Geschäfte bei RIA übernommen hat, sind sie Schritt für Schritt internationaler geworden. Heute geht rund die Hälfte der 300.000 jährlich produzierten Paare ins Ausland. Die Vorteile des Schuhs erkennt man auch dort: „Simpel, kühl, einfach anzuziehen", zählt Truyol auf.

Die Schlappen gibt es also längst nicht nur auf den Balearen zu kaufen. Alle größeren Abarca-Marken - neben RIA zum Beispiel Riudavets, Castell, Mibo und Pons - haben einen Online-Shop. Die meisten liefern ins Ausland und listen online auf, wo man ihre Produkte kaufen kann. Auf Mallorca hat beispielsweise Mibo eigene Läden. An sich erstreckt sich die Omnipräsenz aber auch auf den Einzelhandel. Nahezu jedes Dorfschuhgeschäft führt abarcas im Sortiment.

Die bescheidenen Ursprünge der Schlappen erklären den eher niedrigen Preis, für den man sie erstehen kann. 40 Euro kostet ein Paar im Durchschnitt. Dennoch, „einige Arbeitsschritte werden von Hand gemacht", wie das Schneiden des Leders, erklärt Mari. Um sicher Qualität zu kaufen, sollte man zusätzlich auf das Siegel „Avarca de Menorca" achten. Dann kann beim Anpassen an die lokale Mode auch nichts schiefgehen.

Alpargateria La Concepción, Carrer de la Concepció 17, Palma. Mo.-Fr. 10-14 Uhr, 17-20 Uhr.Sa. 10-14 Uhr.

Ria Menorca, Informationen und Vertriebsläden unter www.ria.es