Vor dem Rathaus von Palma drängen sich Touristen dicht an dicht, es ist heiß , die Menschen schwitzen. Nur einige Meter weiter ist es leer, ruhig und wunderbar kühl. Wir befinden uns in der Biblioteca Cort im Erdgeschoss des Rathauses,1935 eröffnet und somit die erste öffentliche Bibliothek Mallorcas. Eine Oase inmitten des innerstädtischen Trubels. Für jedermann und -frau zugänglich, findet man hier überwiegend büffelnde Studierende oder in Tageszeitungen blätternde Senioren, es liegen auch deutsche Zeitungen im Regal. Viele Besucher gibt es nicht, in Zeiten von E-Books kommt kaum noch ein Tourist, um Bücher auszuleihen. Ein Blick hinein lohnt sich dennoch, nicht nur der Literatur wegen. Der Raum mit der hölzernen Decke, riesigen Fenstern und deckenhohen Bücherregalen strahlt eine magische Atmosphäre aus. Harry Potter könnte gleich am Nachbartisch sitzen. Nur auf Deutsch zu lesen bekommt man nichts, der literarische Schwerpunkt liegt auf der Geschichte der Balearen.

Palma hat 22 Bibliotheken: 20 von der Stadt, eine vom Inselrat und eine vom spanischen Staat. Nicht alle sind so altehrwürdig wie die Biblioteca Cort. Neben den klassischen Angeboten einer Bibliothek (kostenloses Internet, Bücher, Zeitschriften und audiovisuelle Medien ausleihen) bieten sie jedoch etwas immer Wertvolleres: eine zutiefst ruhige, von allem Krach der Welt abgeschiedene Atmosphäre. In Großstädten ein kostbares Gut.

Ein Bibliotheksgarten

Die Biblioteca de Cultura Artesana im Haus der Misericordia an der Via Roma hat dieses Alleinstellungsmerkmal von Bibliotheken verstanden und prompt sogar verbessert: Seit vergangenem Sommer gibt es dort den „Bibliojardí", einen Bibliotheksgarten. Unter den Bäumen des Vorhofes sind Holztische und Lehnstühle aufgebaut, es liegt eine Auswahl an Tageszeitungen und Büchern bereit. Die Straße hört man kaum; ein Idyll. „Palma fehlt es an Gärten", sagt die hiesige Bibliothekarin.

Bis zum 29. September kann man hier draußen noch stöbern. Drinnen gibt es bei 25,2 Grad Celsius allgemeine Literatur, Reiseführer und eine Handvoll Bücher auf Deutsch. Der Bestand ist zusätzlich auf Kunst und Handarbeit spezialisiert. 1928 hat der Inselrat mit dem Einrichten dieses Schwerpunktes begonnen, damals für lokale Handwerker gedacht. Seit rund zwölf Jahren ist sie allgemein zugänglich.

Eindrucksvolle Architektur

Einen ähnlich künstlerischen Schwerpunkt, allerdings auf Zeitgenössischem, hat die naheliegende Biblioteca Ramón Llull. Sie ist in einem historischen Gebäude der Universität untergebracht. Entsprechend beeindruckend ist der Raum; ein lichtdurchfluteter, langer Saal mit stuckverzierten Fensterbögen, Holzdecke und Kachelboden. Die Bibliothek wurde 2005 wiedereröffnet, nachdem sie lange Zeit für alles Mögliche genutzt worden war, „sogar als Fitnessraum", erzählt die Bibliothekarin. Sie hätte das Gefühl, dass diese Bibliothek in der Nachbarschaft wenig bekannt sei. Es kämen vor allem Studierende der benachbarten Designfakultät vorbei. In der Prüfungszeit ist es schnell voll.

Das gilt jedoch für alle Bibliotheken. Schüler und Studierende kämpfen um die Leseplätze, auf der Suche nach Konzentration und fehlender Ablenkung. Dass die hier vorgestellten Bibliotheken im Stadtzentrum sind, während der Uni-Campus deutlich außerhalb liegt, dürfte ebenso eine Rolle spielen.

Eine kleine Parallelwelt

Etwas weniger schön, aber wegen ihrer schier unendlichen Auswahl hervorzuheben, ist die staatliche Biblioteca Can Cales am Portal Santa Catalina. In deren Keller lagert das „Deposito Légal", das heißt von jedem Buch, das auf Mallorca seit 1959 verlegt wurde, gibt es hier ein Exemplar. Jeder kann sich die Bücher aus dem Lager holen lassen. Wer eine Genehmigung hat, darf sich sogar Manuskripte aus der Zeit vor dem Buchdruck ansehen. Im ersten Stock, der für Kinder und Jugendliche reserviert ist, tritt einem bunt das Gegenteil entgegen. Im Erdgeschoss kommen sogar deutschsprachige Leser auf ihre Kosten: Bücher auf Deutsch füllen eine ganze Regalreihe. Und die MZ gibt es hier natürlich auch. Tritt man hinaus, sind es nur wenige Schritte in die geschäftige Altstadt. Man verlässt eine kleine Parallelwelt.