Die über drei Meter hohen Kronenspitzen schwanken im Wind. Aus der Ferne könnte man sie für Schilfrohr halten, aus der Nähe aber wird schnell deutlich: Auf dieser Ökofinca auf Mallorca wächst so viel Marihuana (Cannabis sativa bot., cañamo span., cànem kat.), dass es wie ein Wald aussieht.

Der Standort der Finca soll nicht in der Zeitung stehen, darauf haben die Verantwortlichen bestanden. Die Investoren der einzigen legalen Cannabis-Pflanzung auf Mallorca sind Rechtsanwalt Martí Cànaves und der Arzt Manuel Rullan, beide stammen aus Pollença. Bei Bekanntgabe des Standorts, so befürchten die beiden, könnten Unkundige sich über die Pflanzen hermachen. Und das in Unkenntnis der Tatsache, dass es sich bei dieser Sorte um Marihuana light handelt, das nicht high macht. Die Samen sind von der EU als nicht psychoaktiv und unbedenklich für die Gesundheit eingestuft. Es ist zertifiziert, dass sie nur 0,2 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Somit fällt weder der Anbau noch der Verkauf unter das Betäubungsmittelgesetz. Zum Vergleich: Das Harz der psychoaktiven Cannabis-Knospen kann über 20 Prozent THC enthalten.

Etwa 50.000 Euro haben die Teilhaber in das Projekt investiert. „Die Pflanzung dieses Sommers ist für alle Beteiligten noch ein Experiment", sagt Cànaves (39). „Doch wir hatten von Anfang an für unsere Pläne die Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums der Balearen." In seiner Strafrechtskanzlei in Barcelona vertritt er auch Klienten bei der Genehmigung von legalen Hanfplantagen. Diese gibt es mittlerweile zahlreich in Katalonien und anderen Regionen Spaniens. Gemeinsam mit dem Hausarzt aus Pollença überzeugte Cànaves das Ministerium, dass der legale Anbau von Cannabis light den Ökobauern auf der Insel sichere Einnahmequellen bescheren könnte. Die Einjährigen sind in120 Tagen erntereif, das Inselklima ist ideal, gegossen werden muss nur in der Anwachszeit, und die Böden werden nicht ausgelaugt. Fincas mit ökologischem Anbau liegen weit von Landestraßen oder Industrieanlagen entfernt, sodass die Pflanzen keine Verunreinigungen aufnehmen.

Vor der Aussaat legte man bei den nahe gelegenen Guardia-Civil-Stationen Papiere vor, die belegen, dass der Anbau legal ist. „Neben dem psychoaktiven THC verfügt Marihuana über 90 verschiedene medizinisch interessante Cannabinoide", sagt Rullan (62). Das wirksamste unter ihnen ist das Cannabidiol (CBD). Geplant sind Untersuchungen des THC- und CBD-Gehalts der trockenen Pflanzenteile in den Laboren des Instituts für Gesundheitsforschung (Iunics) an der Balearen-Universität.

Noch ist es nicht so weit, denn erst im Oktober wird geerntet. Doch die Investoren sind mit dem Ergebnis bisher sehr zufrieden: Da der Öko-Landwirt im Frühjahr reichlich Kompost unter die Erde mischte, sind die Pflanzen so gesund, dass sich weder Schädlinge noch Pilze auf den Feldern ausbreiteten. Gesät wurden im Juni auf insgesamt einem Hektar weibliche Pflanzen sowie auch einige männliche. Diese bewirkten, dass manche der hembras Samen bildeten. Noch ist nicht sicher, ob man diese wieder aussäen oder zu Naturmedizin weiterverarbeiten wird. Als Experiment gaben die beiden auf einem Feld die Samen direkt in die Erde, bei einem weiteren pflanzten sie vorgezogene Setzlinge aus.

Im Oktober wird man die Kronen von den Stängeln abtrennen und auf Netzen so trocknen, dass Luft von oben und unten an die Pflanzenteile gelangt. Danach kann festgestellt werden, wie hoch der Anteil an THC bei Blüten und CBD bei Blüten und Blättern ist. Laut dem Arzt gibt es mittlerweile über 5.000 Artikel in denen Marihuana light zum Einsatz komme. In der Schweiz ist Cannabis mit weniger als einem Prozent THC legal, das Marihuana wird in Gewächshäusern angebaut und mit der üblichen Warnung an Raucher verkauft.

„Wir denken eher daran, die Knospen zur Rauchentwöhnung mittels Vaporisator anzubieten", sagt Rullan. In der Naturmedizin setze man das Marihuana light in Extrakten gegen Schmerzen, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit ein. In der Naturkosmetik soll Cannabis-Creme bei Schuppenflechte und Ekzemen helfen. Zusätzlich lieferten die Stängel reißfestes Material, das sich als Bau- und Dämmstoff bewährt habe. Nachwachsende Rohstoffe sind derzeit außerdem in der Forschung für nachhaltiges Bioplastik begehrt. Die beiden Pollençins haben viel vor, es ist zu wünschen, dass ihr Experiment gelingt.

Kontakt mit Martí Cànaves über E-Mail: info@balearicannabis.com