Der Baum zittert. Seine Mandeln werden wie bei einer Explosion in die Luft katapultiert und mit ihnen die Blätter. Nach einem Luftsprung regnen sie auf Kunststoffplanen herab, die wie ein umgekehrt aufgespannter überdimensionaler Regenschirm wirken.

Die Mandelbäume, die heute abgeerntet werden, wachsen auf der Finca Sa Cabaneta, sie gehört zum Gemeindegebiet von Consell auf Mallorca. Auf das Feld begleitet uns Alejandro Aristondo. Der 45-Jährige stammt aus Manacor, arbeitet seit fast 20 Jahren bei der Kooperative Fruits Secs in Binissalem und leitet sie mittlerweile. Viele Mitglieder der Kooperative besitzen almendros. Die Region Es Raiguer, zu der auch Binissalem zählt, ist traditionell das Zentrum des Mandelanbaus auf der Insel. Am Fuße der Serra de Tramuntana gelegen, bietet diese Region die Kältestunden, die Mandelbäume für die Fruchtbildung brauchen. Zudem erreicht unterirdisches Regenwasser von den Ausläufern der Serra die Wurzeln der Bäume. Früher wurden sie immer in so großem Abständen gepflanzt, dass sich für die Wassersuche lange Wurzeln bilden konnten. Deshalb kann in Sa Cabaneta der klassischen Trockenanbau en sec ohne Bewässerung praktiziert werden.

Plantagen ohne Bewässerung gelten jedoch heute, angesichts der Klimaerwärmung und den in manchen Jahren spärlichen Niederschlägen, als anfällig für Krankheiten. Und so muss während der Mandelernte die Frage nach dem Feuerbakterium (Xylella fastidiosa) gestellt werden, das die Mandelbäume (Prunus dulcis bot., almendro span., ametler kat.) auf der Insel befällt. „Die Bäume hier sind sehr gesund", sagt Aristondo. Die Schuld an den vereinzelt sichtbaren trockenen Blättern und Ästen hätte ein Pilz. Der verursache eine relativ harmlose Krankheit, die brot sec genannt wird.

Dass die almendros bisher von der tödlichen Xylella-Bakterie verschont geblieben sind, liege zum einen daran, dass die Bäume erst 20 Jahre alt sind. Zum anderen aber auch, weil man damals die Sorten Ferragnès, Glorieta und Mas Boveda pflanzte. Letztere trägt den Namen eines IRTA-Agrarforschungs-Zentrums im katalanischen Tarragona Mas Bové. Diese Sorten haben sich in Sa Cabana und auch auf anderen Inselfeldern bewährt, sie gelten möglicherweise als resistent gegen das Feuerbakterium.

Weitere Sorten aus den IRTA-Zentren in Katalonien sind Vayra, Marinada und Constantí sowie Guara und Marta. Alle diese Sorten sind Hybride mit hoher Produktionsfreudigkeit. Den Züchtern ist es gelungen, die Blütezeit der Bäume bis in den März zu verschieben. So wird ausgeschlossen, dass die Blüten unter Kälteeinbrüchen im Winter leiden. Außerdem kommen sie ohne Bestäubung durch Insekten aus. Noch sind die Studien des Landwirtschaftsministeriums der Balearen, an denen sich auch die Kooperative teilnimmt, nicht abgeschlossen. Es muss sich zeigen, welche Sorten sich auf der Insel definitiv bewähren, denn die Luftfeuchtigkeit ist hier wesentlich höher als auf der península, wo sie sich als widerstandsfähig erwiesen haben.

Viele Bäume im Einzugsbereich der cooperativa sind jedoch älter als diejenigen, die auf Sa Cabaneta wachsen, manche von ihnen sogar 100 Jahre und mehr. Alte Bäume sind bekanntlich anfälliger für Krankheiten als junge, und wenn sie in großer Zahl eng zusammenstehen, ist die Ansteckungsgefahr besonders groß. Weil die Erträge überalterter Plantagen gering sind, geben Landwirte sie zudem auf und pflegen sie nicht mehr, auch das erhöht die Gefahr der Ansteckung. „Wir werden dieses Jahr etwa 30 Prozent weniger Mandeln ernten als 2017", sagt Aristondo. An diesem Rückgang trage jedoch nicht das Feuerbakterium allein die Schuld, in der Kooperative stelle man von Jahr zu Jahr fest, dass die Mandelplantagen weniger werden. Viele Landwirte, die sie bisher bestellten, gehen in den Ruhestand, und die nächste Generation hat kein Interesse an der Landwirtschaft oder dem Anbau von Trockenfrüchten.

Auf das Feld, auf dem heute geerntet wird, trifft das nicht zu. Es ist picobello gepflegt. Im Winter grasen hier Schafe und düngen die Wurzeln. Danach wird mehrmals gepflügt. Der Erntemaschine stellen sich keine Hindernisse in den Weg. Der Fahrer kann also nach einer Pause auf den Traktor steigen und den nächsten Baumstamm anfahren. Direkt am Stamm werden die zwei Flügel des gefalteten Schirms um den Baum geklappt. Zwei Arme aus Eisen nehmen ihn in die Zange. Dann fangen die Greifarme an zu vibrieren und es kommt zu dem oben beschriebenen Zittern. Die Trockenfrüchte mit den geplatzten grünen Schalen ­fallen auf die Kunststoffbahnen. Danach klopfen zwei Erntehelfer mit langen Stahlstangen an die Äste, an denen noch Mandeln hängen, bis auch diese in den aufgespannten Schirm ­fallen.

Die Früchte rutschen dann, begleitet von einem Höllenlärm, in eine Vorrichtung, die Blätter und Zweige trennt, die grünen Schalen entfernt und die Mandeln in der harten Schale mittels einer Spirale zu einem Trichter transportiert. Auf dem Weg dorthin fallen Blätter und grüne Schalen auf die Erde. Bleiben sie liegen, verwandeln sie sich in Nährstoffe für die Wurzeln, für Schafe sind sie ein Leckerbissen.

Hinter dem Trichter befindet sich die Quelle des Lärms: ein Kompressor, der die Mandeln in ein Rohr saugt. An dessen Ende werden sie in einen Behälter hinten am Traktor ausgespuckt. „Für einen Baum benötigt die Maschine zwei Minuten", sagt der Mallorquiner. Zwei Erntemaschinen sind heute auf der Finca unterwegs. Insgesamt besitzt die Kooperative drei und vermietet diese samt Fahrer an ihre Mitglieder.

Nach Sonnenuntergang verlädt man die Trockenfrüchte auf einen Lkw, der sie zur Kooperative nach Binissalem transportiert. Dort werden die Mandeln über eine Rampe in ein unterirdisches Zwischenlager gekippt, von wo die Früchte mittels einer Eisenspirale, und wiederum mit Riesenlärm, in eines der acht Silos geschafft werden. Vier sind für traditionelle Sorten, weitere vier für neue Sorten bestimmt. Ökomandeln werden in Big Bags aufbewahrt. Ist die Mandelernte auf der Insel Ende Oktober abgeschlossen, verkauft Aristondo die gelagerten Mandeln an den meistbietenden Händler auf dem spanischen Festland.

Im November kommen neue Jungbäume bei der Kooperative an. Die Mitarbeiter, die sich im September und Oktober um die Ernte kümmern, werden dann im Januar Pflanzgruben ausheben und die Bäumchen auf den Feldern der Kooperative-Mitglieder auspflanzen. Mit Bewässerung bilden sie nach drei Jahren erste Früchte, ohne nach vier. Eines wäre sicher, sagt der Leiter von Fruits Secs: „In Zukunft wird sich auf den Mandelfeldern der Insel noch viel verändern."

Kontakt: www.grupfruitssecs.cat