Es ist schon ein Luxus, sein Büro im dritten Stock eines nur wenige Meter vom Meer entfernten Gebäudes zu haben und von dort aus durch eine extra breite Fensterfront einen Panoramablick aufs Meer zu haben. Der Arbeitsplatz von Joan Carulla hat schon einmal in der Zeitung gestanden - als einer von denen mit der schönsten Aussicht auf Mallorca. Doch im Krankenhaus Sant Joan de Déu in Palma de Mallorcas Stadtteil Coll d'en Rabassa genießt keineswegs nur der Geschäftsführer diese beruhigende Aussicht aufs Meer, den Club Náutico Cala Gamba auf der rechten und das geschützte Dünengebiet Es Carnatge auf der linken Seite. Mehr als die Hälfte der Patientenzimmer und die meisten Therapie-Räume sowie der Garten sind bewusst zum Meer hin ausgerichtet und für ein Krankenhaus auffällig lichtdurchflutet. Das soll Patienten den Genesungsprozess angenehmer machen.

In der 1955 gebauten Pflegeeinrichtung wurden einst vor allem Kinder mit Kinderlähmung behandelt. Daran erinnern seit Kurzem die Gemälde des Künstlers Joan Aguiló an den Fassaden in der Nähe der Parkplätze rund um das Gebäude. „Als in den 70er-Jahren der Impfstoff gegen Polio auf den Markt kam, gingen die Fälle von erkrankten Kindern in Europa stark zurück", erinnert sich Carulla. Da es fortan weniger Bedarf für diese Patienten-Gruppe gab, brachte die Landesregierung im Sant Joan de Déu eine medizinisch-soziale Einrichtung für Senioren unter. Auch heute befinden sich hier noch eine Geriatrie-Abteilung mit Tagespflegedienst sowie eine Palliativ-Station.

Schwerpunkt aber ist seit einigen Jahren die Rehabilitation, etwa für Menschen mit Rückenmarksverletzungen. Dafür hat das Krankenhaus 2015 eine neue Abteilung, die Unidad de Lesión Medular eröffnet. „Vor vier Jahren mussten Patienten noch nach Barcelona oder Toledo reisen, um eine auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Behandlung zu bekommen. 2017 haben wir 159 Menschen, die infolge einer Verletzung oder einer degenerativen Erkrankung Rückenmarksverletzungen erlitten hatten, bei uns behandelt - 40 stationär, 119 ambulant", sagt Carulla, der die Klinik seit elf Jahren leitet. Die Einrichtung versorgt sowohl Patienten, die über das öffentliche Gesundheitssystem Ib-Salut kommen als auch Privatpatienten. Darunter sind auch Ausländer, die auf Mallorca leben oder einen Zweitwohnsitz haben. Die 26 Ein- und 83 Zwei-Bett-Zimmer sind im Schnitt zu 98 Prozent belegt.

Zum Führungspersonal des Krankenhauses gehört auch ein Geistlicher: Bruder Felipe Romanos Mesa. Das Sant Joan de Déu wird, ebenso wie die Häuser in 54 weiteren Ländern auf der Welt, von der katholischen Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott betrieben. Sechs der Ordensbrüder wohnen in einem Anbau. Die Philosophie sei in all diesen Krankenhäusern dieselbe, sagt Carulla: ein humaner Umgang mit den Patienten und eine ganz auf den Einzelnen ausgerichtete Behandlung. „Wenn wir neues Personal einstellen, achten wir beispielsweise immer genau darauf, dass die potenziellen Mitarbeiter nicht nur fachlich geeignet sind, sondern sich auch stark mit unseren Werten wie Gastfreundschaft, Respekt und Verantwortung identifizieren", so der 62-jährige Geschäftsführer und Arzt. Auch in der ­Probezeit der neuen Mitarbeiter schaue man sehr genau darauf, ob sie sich an die Richtlinien hielten: Beim Eintreten in das Zimmer eines Patienten erst anklopfen und fragen, ob man eintreten darf, sie stets höflich bitten, etwas zu tun, und alles ruhig und geduldig erklären.

Wieder den Alltag meistern

An die 22 Ärzte, 80 Krankenpfleger und 30 Physiotherapeuten arbeiten im Sant Joan de Déu. „Wir bieten nicht alle medizinischen Fachgebiete und Therapien an, aber doch ein breites Spektrum", erklärt Carulla. Es gibt etwa

Musik- und Kunsttherapien, Kochworkshops, in denen wieder die Grundgriffe des Alltags geübt werden, wie Zwiebeln zu schneiden oder mit Löffel und Gabel zu essen. Per Konsole und Videospiele können schon fortgeschrittene Patienten ihren Gleichgewichtssinn und ihre Reaktion trainieren. „Wir versuchen, dass die Patienten einen Großteil des Tages beschäftigt sind, damit sie nicht in Lethargie verfallen", sagt Silvia Bauza de Wit, Koordinatorin des Reha-Bereichs der Klinik.

Einige Patienten müssten überhaupt erst motiviert werden, am Therapieprogramm teilzunehmen. Dazu setzt die Einrichtung speziell ausgebildete Hunde und Pferde ein. „Ältere Menschen, die deprimiert und einsam sind, wollen sich oft keinen Schritt mehr bewegen. Das Streicheln und Spielen mit den Hunden kann sie ein bisschen aus diesem schwarzen Loch holen", erklärt Bauza de Wit. Eines ihrer Teams kümmert sich auch um die ­psychosoziale Betreuung nicht nur der Patienten, sondern auch ihrer Verwandten. Geplant ist weiterhin ein Besuchsprogramm namens Escola Amiga, bei dem Schüler der Schulen Sant Josep Obrer und Sant Vicenç de Paül die Senioren besuchen.

In dem 2007 und 2014 renovierten Krankenhaus, das auch über eine Kapelle verfügt, in der täglich Gebetsstunden und Messen stattfinden, gibt es drei Fitnessräume: einen für Patienten der Neurorehabilitation, einen für ältere Menschen mit Mobilitätsproblemen, und einen für Patienten, die sich nach chirurgischen Eingriffen wie dem Einsatz von Prothesen regenerieren. Hier sieht man Krücken, Sprossenwände, Barren und Bälle verschiedener Größen. In Zukunft will die Einrichtung hier auch das erste exoesqueleto einsetzen, ein Roboter-Gerüst, das Patienten beim Laufen unterstützen und ihre Muskulatur aktiv halten soll. Entsprechende Wirksamkeitsstudien hat die Klinik mit dem Apparat bereits gemacht, nun wartet sie noch auf Zuschüsse für das 100.000 Euro teure Gerät.

Wie in den meisten Reha-Einrichtungen gibt es auch in der in Coll d'en Rabassa ein Therapiebecken mit 33 Grad warmem Wasser. Die Besonderheit: Die Patienten können das vier mal sieben Meter große Becken ebenerdig betreten und werden dann durch einen beweglichen Fliesenboden langsam hinunter ins Wasser gehoben. Und auch das naheliegende Meer ist nicht nur schön anzusehen, sondern dient auch Therapie-Zwecken. Das Krankenhaus hat auf einigen Surfbrettern, die fürs Stand-up-Paddling verwendet werden, Sitze für gehbehinderte Patienten befestigen lassen. Darauf geht es dann ins Wasser. „Auch in dieser Position ist es für unsere Patienten harte körperliche Arbeit, das Gleichgewicht auf dem Wasser zu halten", erklärt Bauza de Wit.

Expansion nach Inca

Auch wenn teils im 30-Sekunden-Takt vom Flughafen Sant Joan aus Flugzeuge unüberhörbar über den eigenen Kopf gen Himmel hinwegrauschen: „Schon der Blick aufs Meer ist therapeutisch", sagt Joan Carulla. Nicht ganz so nah am Wasser, aber mit der gleichen ­Philosophie werden auch die Patienten in der ­Außenstelle der Klinik in Palmas Zentrum betreut. Die Reha-Einrichtung mit Fitnessraum im Carrer Patronat Obrer empfängt monatlich rund 1.000 Patienten, hat aber keinen Neurorehabilitations-Bereich. Zudem entsteht bei Inca gerade eine neue Klinik mit 80 Betten, ­zwei Operations-Sälen und zwei Fitness­räumen für Patienten von außerhalb der ­Balearen-Hauptstadt. Im Juli 2019 soll die Einrichtung laut Carulla fertig gebaut sein.

An seiner Arbeit im Krankenhaus gefällt dem Geschäftsführer nicht nur der Blick aus einem der Büros der Insel mit bester Aussicht, sondern auch „zu sehen, mit wie viel mehr Autonomie die Patienten unsere Klinik verlassen und wie dankbar sie dafür sind". Carulla erinnert sich etwa noch an einen Mann, der vom Blitz getroffen wurde und so starke Verletzungen davongetragen hatte, dass er seine Extremitäten anfangs kaum bewegen konnte. „Mittlerweile gehört er zur Radsport-Elite und hat bei den Paralympics im September 2017 in Südafrika die Bronze-Medaille geholt. Er führt wieder ein ziemlich autonomes Leben. Aus Dankbarkeit hat er mich, als ich ihn in der ­Cafeteria getroffen habe, fest umarmt."