Noch vor ein paar Jahren kannte Juana María Ferrer fast all ihre Nachbarn im Santa-Catalina-Viertel in Palma de Mallorca beim Namen. „Früher haben wir oft Stühle auf die Straße gestellt, jeder hat etwas mitgebracht. Dann saßen wir stundenlang zusammen", erzählt die 67-Jährige. Heute kenne sie nicht einmal mehr die Leute, die im Stock über ihr wohnen.

Mit 14 Jahren zog sie mit ihren Eltern von Binissalem in das Haus im Carrer Fàbrica, das ihr Opa gebaut hatte. Als ihr Mann und sie vor 42 Jahren heirateten, kauften sie eine eigene Wohnung nur ein paar Meter weiter in derselben Straße. So gesehen kann sich die Frau, die damit eher eine Ausnahme ist, glücklich schätzen. Juana María Ferrer engagiert sich jetzt mit dem Streetworker-Verein Grec (Grup d'educadors de carrer i treball amb menors) für mehr Vertrautheit. Dafür, dass sich die Älteren in ihrem eigenen Viertel wieder zurechtfinden und nicht vereinsamen.

Um ihnen zu signalisieren, dass ihre Anwesenheit sehr wohl geschätzt wird, hat der Verein Grec nun Kontakt zu 70 Besitzern verschiedener Lokale in Santa Catalina und Es Jonquet aufgenommen. An deren Türen wird bald ein Aufkleber mit der Aufschrift „Jo també som amable amb la gent gran!" (Auch ich bin nett zu alten Menschen!) kleben. Damit geben sie dann zu verstehen, dass die Senioren des Viertels dort besonders willkommen sind und ihre Mitmenschen sich um sie kümmern. Eigentlich sind es Selbstverständlichkeiten, aber was ist in Santa Catalina noch selbstverständlich: Die Senioren können dort ihre schweren Einkäufe abstellen, die Toilette benutzen oder sich bei einem Glas Wasser kurz ausruhen.

Zum jüngsten Vereinstreffen am Montag (12.11.) ist auch Miquel Coll gekommen. Der 70-Jährige hat, bis er sieben Jahre alt war, in Santa Catalina gelebt und kehrt seither mindestens einmal pro Woche zurück, um Freunde zu besuchen oder in einem der wenigen noch existierenden Traditionsläden einzukaufen. Wenn auch aus der Ferne hat er die Verwandlung des Viertels über die vergangenen Jahre hinweg beobachtet und miterlebt. Die häufig ausländischen Zuzügler hätten die Wohnungspreise in die Höhe getrieben, sagt er, für einige seiner Bekannten sei es mittlerweile unbezahlbar, hier zu wohnen. „Es mag ja sein, dass die Lebensqualität gestiegen ist, doch wie sollen wir uns mit einer miserablen Rente von rund 650 Euro hier noch eine Wohnung leisten? Wir sind quasi gezwungen, unsere Häuser an reichere Ausländer zu verkaufen, um überleben zu können", sagt Coll.

Die Zahlen einer aktuellen Studie der Nachbarschaftsvereinigung Palma XXI zur Gentrifizierung im Viertel bestätigen: Während 2004 in Santa Catalina nur 1.492 Ausländer und 7.198 Spanier lebten, kamen im Jahr 2016 schon 2.713 Ausländer auf 6.365 Spanier. Darunter sind Deutsche, Skandinavier, Franzosen, Briten und Italiener. Auch die Tatsache, dass die Verkäufer der Immobilien, die mittlerweile im Schnitt 300.000 Euro kosten, größtenteils spanischer Herkunft seien, wohingegen fast die Hälfte der Käufer aus dem Ausland kommt, spreche für sich. Eine Mietwohnung in Santa Catalina koste momentan im Durchschnitt 1.200 bis 2.000 Euro, mehr als doppelt so viel wie die von Coll erwähnte Rente.

Parallel zum demografischen Wandel hat sich auch das Angebot an Geschäften verändert, in denen Ferrer früher Stammkundin war. Vom Investitions-Boom zeugen aktuell zwanzig Immobilien-Geschäfte. Zudem sind laut Palma XXI von 529 Unternehmen mittlerweile 160 der Gastronomie zuzuordnen.

Coll und Ferrer selbst setzen sich wie viele deutlich jüngere Bewohner des Viertels zwar schon jetzt für ihre älteren Mitmenschen ein, auf die Dienste angewiesen sind sie momentan jedoch noch nicht. „Aber in ein paar Jahren lässt man mir hoffentlich ein Plätzchen für die Einkäufe frei", sagt Juana María Ferrer.