„La casa de papel": spanisches Gangster-Epos (Patrick Schirmer-Sastre)

Acht Gangster dringen in die Fábrica de moneda y timbre ein, dem spanischen Äquivalent zur Bundesdruckerei. Sie tragen rote Overalls und bizarre Dalí-Masken. Ihr Ziel: Geiseln zu nehmen und das Gebäude so lange wie möglich unter ihrer Kontrolle zu halten, um mit 2,4 Milliarden Euro hinauszugehen. Hinter der Idee steckt ein eher unauffällig wirkendes Genie mit Brille und Bart: der Professor. Jahrelang hat er jede Eventualität berechnet und dann sein aus Raubeinen, Gangstern und verlorenen Gestalten zusammengewürfeltes Team vorbereitet.

Spätestens seit „La casa de Papel" Mitte November mit einem International Emmy als beste Dramaserie ausgezeichnet wurde, ist die Serie kein Geheimtipp mehr. Ursprünglich auf dem spanischen Fernsehsender Antena 3 gezeigt, sind die zwei Staffeln seit dem Frühjahr international auf Netflix zu sehen. Auf Deutsch unter dem Titel „Das Haus des Geldes". Drehbuchautor Javier Gómez und Produzent Álex Pina erzählen eine gut durchdachte, verwobene Geschichte, die von starken Schauspielern wie Alba Flores, Álvaro Morte oder Pedro Alonso zum Leben erwacht.

Vor allem überzeugt die Serie auch durch die Ikonografie. Die roten Overalls, die Masken, der Umstand, dass die Gangster alle Städtenamen tragen. Das erinnert in gewisser Weise zwar an Quentin Tarantinos „Reservoir Dogs", macht aber den Spaß deswegen nicht geringer.

Zwischen dem ganzen Gelddrucken und Geiseln-in-Schach-halten ist natürlich auch Zeit für ein paar verstrickte Liebesgeschichten, Kapitalismuskritik und Kompetenzgerangel bei der Staatsgewalt. Das könnte leicht ins Kitschige abdriften, aber die gute Erzählweise und die starken Charaktere halten die Geschichte auf der Höhe ihres eigenen Anspruchs.

„La casa de papel" ist nach zwei Staffeln eigentlich abgeschlossen, allerdings hat Netflix bereits eine dritte angekündigt, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden soll. Man darf gespannt sein, ob das Autorenteam das Niveau halten kann oder ob die Serie zu einem Abklatsch von sich selbst verkommt.

La Casa de Papel, zwei Staffeln verfügbar unter netflix.com

"Allí abajo": chaotische Andalusier und verstockte Basken (Frank Feldmeier)

Es dürfte wohl keine zwei gegensätzlicheren Regionen in Spanien geben als Andalusien und das Baskenland. Die Serie „Allí abajo" („Dort unten") lebt denn auch vom ständigen Aufeinanderprallen der beiden Kulturen - sogar in der unwahrscheinlichen Zuspitzung einer Beziehung zwischen einem Basken und einer Andalusierin. Die Handlung: Iñaki (Jon Plazaola), der niemals das Baskenland verlassen hat und unter der Fuchtel einer - typisch baskischen Matriarchin steht, muss diese auf einer Imserso-Seniorenreise nach Sevilla begleiten. Als sie ins Koma fällt, bleibt er notgedrungen im fremden Süden, lernt in der Klinik schließlich Krankenschwester Carmen (María León) kennen -und am Ende der ersten Staffel auch lieben.

Andalusien und das Baskenland prallen schon in der Musik des Vorspanns aufeinander, abwechselnd erklingen Flamenco-Gitarren sowie baskische Flöte und Trommel. Da die Serie alle Klischees strapaziert und die Mentalitätsunterschiede auf die Spitze treibt, lässt sich beim Anschauen viel lernen. Dass alle Basken Nekane oder Antxón heißen, Andalusier dagegen Benito oder Trinidad. Dass im Norden Mus ein beliebtes Kartenspiel und Baumstämme tragen ein beliebter Sport ist, im Süden dagegen Stierkämpfen und Osterprozessionen gefrönt wird. Dass alle Andalusier Chaoten, aber unschlagbar witzig sind, Basken dagegen ausnahmslos verschlossen aber treuherzig. Besonders erwähnt werden müssen Carmens Mutter Luci mit ihren zwei Klatschbasen-Freundinnen sowie Iñakis drei unzertrennliche baskische Freunde, die Pantoffelhelden.

Das Schicksal verschlägt Iñaki und Carmen nach dem Willen der Drehbuchautoren abwechselnd in den Süden und Norden, genauso wie Familie und Freunde. Das geht seit inzwischen vier Staffeln so -die fünfte wird 2019 aus­gestrahlt.

Alle Folgen gibt es in der Mediathek von Antena 3: www.atresplayer.com/antena3/series/alli-abajo/

„Cuéntame cómo pasó": Geschichte meets Seifenoper (Sophie Mono)

„1968 war ich acht Jahre alt. Jetzt sagen sie, dass 1968 ein revolutionäres Jahr war. Und das stimmt. Zumindest für mich." Mit diesen Worten leitet der Ich-Erzähler Carlos Alcántara die erste Folge der ersten Staffel von „cuéntame cómo pasó" ein, die immer donnerstags im spanischen Fernsehen TVE zu sehen ist. Mittlerweile sind auf der Internetseite des Senders insgesamt 19 Staffeln nachzuschauen, die in den vergangenen 17 Jahren abgedreht wurden. Carlos (gespielt von Ricardo Gómez) wächst praktisch vor den Augen der Zuschauer zu einem jungen Mann heran. Aus seiner Sicht wird die spanische Geschichte auf unterhaltsame, teils aber auch rührselige und stets lehrreiche Weise noch einmal aufgerollt.

Fiktive Szenen über das Leben der Familie Alcántara, die im fiktiven Madrider Arbeiterviertel San Genaro wohnt, vermischen sich immer wieder mit echtem Filmmaterial aus der damaligen Zeit. Da ist Vater Antonio Alcántara, der stets mit neuen Geschäftsideen aufwartet, um seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen, und der einem trotz seines anfangs konservativen Rollenbilds mit der Zeit richtig ans Herz wächst. Oder Mercedes, seine Frau, die sich Stück für Stück um mehr Emanzipation bemüht, und nicht nur ihrem Ehemann mehr als einmal einen Spiegel vorhält. Und natürlich Carlos ältere Geschwister Inés und Toni, die mit ihren politischen Einstellungen und ihren freien Liebschaften für Wirrungen sorgen.

Das Ende der Franco-Zeit, die ersten freien Wahlen, die Hippiebewegung in den 70er-Jahren und die Drogenprobleme in den 80er-Jahren - all dies können die Zuschauer gemeinsam mit den Alcántaras Revue passieren lassen. Eine tolle Serie, die gerade ausländischen Zuschauern die spanische Sprache näher bringt (Anfänger können spanischen Untertitel einschalten). Wer sich für die jüngere Zeitgeschichte des Landes und den mühsamen Weg von der Diktatur ins moderne Spanien interessiert, sollte keine der gut einstündigen Folgen auslassen. somo

Mediathek: http://www.rtve.es/television/cuentame/temporadas/

"La reina del flow": Da ist Musik drin (Simone Werner)

Drogen, Bestechung, Mord, Rache, Romantik und ganz viel Reggaeton: Darum geht's in der kolumbianischen Serie „La reina del flow". Zu Beginn der 82 Folgen dreht sich alles um die 17 Jahre alte Yeimi Montoya (María José Vargas) und ihr Talent, Liedtexte und Songs zu schreiben. Das hübsche Mädchen ist in Klassenkamerad Charly verliebt. Ihm und ihren Gefühlen gegenüber dem Jungen widmet sie ein Lied nach dem anderen. Das Notizbuch, in das sie ihre Texte schreibt, hütet sie wie einen Schatz. Dann werden ihre Eltern ermordet. Yeimi sucht Halt bei Charly. Der jedoch täuscht nur vor, ihre Gefühle zu erwidern, um seinen Plan, mit Yeimis Liedtexten berühmt zu werden, durchziehen zu können. Wegen einer großen Menge an Drogen, die Charly in ihren Koffer geschmuggelt hat, wird Yeimi an der Flughafenkontrolle festgenommen und zu über 17 Jahren Haft verurteilt. Zu allem Übel ist sie auch noch schwanger von Charly. Das Baby gibt sie an ihre Großmutter.

Nach 17 Jahren wird Yeimi mit der Auflage freigelassen, dass sie der amerikanischen Drogenkontrollbehörde hilft, den bekannten Drogenboss Manín (Lucho Velasco), Charlys Onkel, zu finden. Um nebenbei ihren persönlichen Racheplan an ihrem Ex durchzuziehen, verwandelt sich die ehemalige Gefängnisinsassin in Tammy Andrade (María José Vargas), eine erfolgreiche Musikproduzentin. Episode für Episode macht sie Charly Flow (Carlos Torres), der mittlerweile in Kolumbien einer der bekanntesten Sänger ist, das Leben zur Hölle. Dabei dachten doch alle, sie wäre längst tot.

Nicht nur Reggaeton-Fans dürften die Serie lieben. Man bekommt eine gute Vorstellung davon, was passiert, wenn die High Society Kolumbiens auf mittellose Menschen trifft und Geld im Zweifel über Leben und Tod entscheidet. Insgesamt eine gelungene Mischung aus Drama und Romanze, mit der man auch einen guten Einblick in die kolumbianische Alltagssprache bekommt.

Die erste Staffel läuft auf netflix.com