Sicher, klassisches Spielzeug geht immer: Spielküchen, Schleich-Tiere, Puppen. Es gibt sie in Traditionsgeschäften wie La Industrial oder auch Eurekakids in Palma. Richtig viel los ist dieses Jahr auf Mallorca aber vor allem in einer Ecke des Kaufhauses El Corte Inglés an den Avenidas in Palma de Mallorca. Seit Anfang November, pünktlich zur Weihnachtszeit, verkauft hier die mexikanische Firma Distroller auf 56 Quadratmetern glubschäugige Wesen von einem anderen Stern. Die Verkäuferinnen sind als Krankenschwestern verkleidet, eine dichte Traube aus kleinen Mädchen und ihren Müttern umringt sie.

Die Produktlinie heißt „Neonatos" (Neugeborene), die umstehenden Mädchen aber raunen vor allem eine Wortschöpfung: „Ksi Meritos" (ausgesprochen: Kasimeritos). Die Plastikpüppchen sind etwa so groß wie die Hand eines Erwachsenen und haben keinerlei besondere Fähigkeiten. Sie können nicht sprechen, die Augen nicht schließen, kein Pipi machen. Ihr Reiz besteht in der Geschichte, die zu ihnen erzählt wird. Die Puppen mit verschiedenen Augen-, Haar- und Hautfarben sind nach ihrer Reise im Raumschiff mit einer Kapsel auf der Erde gelandet und müssen nun erst einmal zur Welt gebracht werden. Dafür dürfen sie die Kapsel, ihren Brutkasten, erst nach ein paar Tagen verlassen. Sie sind mit Ausweis und Impfpass ausgestattet, von da an müssen sie gefüttert, gewickelt und gepflegt werden.

Im Corte Inglés landen die Ksi Meritos gerade auf der Erde und werden von Krankenschwester Tania und ihrer Helferin Aspiridiana in Empfang genommen. Die beiden wiegen die Neuankömmlinge, messen ihre Körpergröße und -Temperatur, impfen sie und tragen alle Daten in die Papiere der Puppe ein. Erst danach übergeben sie die Ksi Meritos den beeindruckten Kindern. Distroller wendet sich an Mädchen zwischen fünf und elf Jahren. Eine Version des Spielzeugs, die sich an die Jungs richtet, sucht man im Corte Inglés vergebens.

Die ersten Ksi Meritos tauchten schon Anfang 2017 auf Mallorca auf. Zu den Pionieren gehörte die damals sechsjährige Jordan. Sie war bei Youtube auf die Püppchen gestoßen, die schon in Mexiko für Furore sorgten. Ihre Mutter bestellte ihr eine. „Als man sie noch nicht in einer von sieben El-Corte-Inglés-Filialen in Spanien kaufen konnte, gaben viele Eltern mehr als das Doppelte inklusive Versand- und Zollkosten dafür aus", erzählt Ivan Nadal aus der Spielwarenabteilung. Da kamen schnell mal 120 Euro zusammen. Mittlerweile kann man die farbenfrohen muñecas für 45,95 Euro kaufen. „Adoptieren", stellt Krankenschwester Tania klar.

Die Mädchen nehmen ihren Job als frischgebackene Mütter sehr ernst. Die kleine Sofía etwa kommt mit ihrer Adoptivtochter zum Zahnziehen an den Pflegestand von Krankenschwester Tania. Sie habe sich nicht getraut, ihr nach den angegebenen zwei Wochen mit dem mitgelieferten Haken den Milchzahn zu ziehen. Also übernimmt Tania. „Puh, du hast Glück. Noch keine Karies", sagt sie. Sofía strahlt.

Das Mädchen benötigt auch noch ein Fläschchen (7,95 Euro) und eine von fünf verschiedenen Impfungen (je 7,95 Euro). Andere Kinder wünschen sich die Tragetasche (29,95 Euro) oder etwa ein Windel-Schnuller-Bauchnabel-Piercing-Kit (16,95 Euro). Einige der vielen Accessoires sind gerade vergriffen. Vielleicht ist das aber auch eine Geschäftsstrategie, damit die Kinder wiederkommen. Krankenschwester Tania, die für die spanische Spielwarenfirma Cife arbeitet, verspricht den Kindern jedenfalls, dass sie sich um Nachschub kümmern wird.

Ein Mädchen kommt mit ihrer Ksi Merito, da der Arm ihrer Puppe geschwollen sei. Tania verschreibt ein Medikament gegen die Entzündung und legt der Puppe einen Verband um die Schürfwunden. „Wenn es in drei Tagen nicht besser ist, kommt bitte wieder ", sagt sie. Es ist ein Rollenspiel, das auch im Internet befeuert wird, wo eine zweite Krankenschwester namens Tania ebenfalls Pflegetipps gibt. Und nach all der Werbung bei Youtube, Facebook und Instagram kommt jetzt auch der Mundpropaganda auf dem Pausenhof eine entscheidende Rolle zu.