MARTINA ZENDER Das Highlight des Jahres ereignete sich erst vor Kurzem: Wie ein Stern leuchtete die Villa Toneta neun Tage in Palma de Mallorca und hat alle Besucher verzaubert. Jetzt ist das Popup-Restaurant von Maria Solivellas wieder verschwunden. Die Köchin des Ca Na Toneta war von Caimari aus mit fast all ihrem Inventar in den Palacio Can Pueyo Petit an die Ramblas gezogen. Ein Experiment, das sich gelohnt hat. Jeder Abend war ausgebucht. Auf die Tische kamen etwa eine geschmorte dunkle Möhre mit Fenchel und Botifarrón, ein konfiertes Eigelb auf Paprika mit Trüffel, eine Rotbarbe auf Kürbiscreme oder Spanferkel mit Granatapfelkernen. Zum Gesamtkunstwerk gehören die stimmige Umgebung mit dem verwunschenen Garten, die zur Wein-Snackbar umfunktionierte frühere Küche, die Wände mit dem abbröckelnden Putz, der kuschlig flackernde Kamin, die verschiedenen Räumlichkeiten - liebevoll dekoriert bis hin zu den Flechten von getrockneten Tap de Corti-Paprika und Spitzen-Neules - sowie die in Kleidung von der Designerin Rosa Esteve (Cortana) gewandeten Servicekräfte. Fantastisch und - wie alle Besucher meinten - eine Wiederholung wert. Falls die Besitzer des Palacio grünes Licht geben, wird Maria Solivellas im Winter 2019, dann aber länger, ihre Villa Toneta wiederbeleben (www.canatoneta.com).

Neue Toplokale

Neue ToplokaleDas folgende Lokal startete zwar schon im September 2017, aber wir haben es erst später besucht: Brut in Llubí. Zwei Jungs mit einem ungewöhnlichen Konzept, das man sich nicht entgehen lassen sollte: Zwölf Personen werden um eine U-förmige Steintheke gruppiert, vor ihren Augen kochen die Argentinier Eduardo „Edu" Martínez und Bruno Balbi ihr ungewöhnliches, fast schon experimentelles 10-14-gängiges Menü mit möglichst regionalen, ja sogar lokalen Produkten aus dem Dorf. Dazu gibt es Bioweine, Kombucha oder selbstgebrautes Bier. Aktuell jedoch waren die beiden in Japan, so dass die ersten zwei Monate (ab Wiedereröffnung Mitte Januar) japanisch geprägt sein werden mit entsprechenden, gleichfalls innovativen Gerichten ohne Menüzwang (www.brutrestaurante.com).

Schon im Restaurant Despensa del Barón vom Boutiquehotel Posada de Tierra Santa in Palma zeigte der Argentinier Matias N. Provvidenti, was in ihm steckt. In seinem eigenen, unprätentiös-entspannten Lokal Umi, das er im Frühsommer in Port Adriano eröffnete, widmet er sich zum einen verstärkt asiatischer Küche, aber der Fokus liegt auf den außerhalb von Spanien allseits angesagten hawaiianischen Poke Bowls. Diese köstlich gefüllten Schüsseln mit verschieden wählbaren Zutaten sind delikat gewürzt (FB: Umi Mallorca).

Schönes Ambiente

Einen israelisch-mediterranen Stilmix bekommt man in einem der schönsten neuen Lokale der Insel serviert, dem Neni im Hotel Bikini in Port de Sóller, mit Traumblick hoch über der Bucht gelegen. Hier wird seit Juli nach den Rezepten von Haya Molcho gekocht, einer Kosmopolitin. Sie ist verheiratet mit einem weltbekannten Pantomimen und Mutter vierer Söhne, von denen drei im Familienunternehmen mitarbeiten. Das Neni auf Mallorca eröffnete im Juli und ist Teil einer europaweiten Restaurant-Kette mit weiteren Lokalen in Wien, München, Köln, Hamburg, Berlin, Zürich, Paris und demnächst Amsterdam (FB: Neni Mallorca).

Im neuen La Vieja von Jonay Hernández, gibt es - seiner Herkunft gemäß - kanarische Küche. Aufgrund seiner tollen farbenfrohen Wandmalerei, die einen witzigen Tintenfisch darstellt, der in seinen Krakenarmen Wein, Bier, grüne Mojo-Sauce und kanarische Runzelkartoffeln festhält, bietet das Lokal auch etwas fürs Auge (www.lavieja.net).

Alt-Meister mit neuen Hits

Ebenfalls in der oberen Liga spielt das Bala Roja mit, das Gourmetlokal des diesen Frühjahrs eröffneten Fünf-Sterne-Hotels Es Princep in Palma. Offiziell ist Andreu Genestra der Chef. Sein nach ihm benanntes Restaurant in Capdepera wurde gerade erneut mit einem Stern ausgezeichnet. So bleibt ihm wenig Zeit, sich neben seinen weiteren Restaurants um das Bala Roja zu kümmern, und so hat er seinen langjährigen Souschef Felip Moreno dort als Chefkoch eingesetzt. Der kocht im Stile von Genestra, anderes wiederum ganz nach seinem eigenen Kopf wie der Kaisergranat mit Foie im Meeraalfond zeigt (esprincep.com).

Am Meer sitzen und fantastisch essen - das ist auf Mallorca eher eine Seltenheit, weil sich die Lokalbesitzer bei Toplagen selten große Mühe geben. So dümpelte auch das Nassau Beach am Stadtstrand in Palma kulinarisch lange vor sich hin. Doch das hat sich Ende Mai geändert. An gleicher Stelle hat das Assaona aufgemacht. Kein Geringerer als Ex-Zweisternekoch Gerhard Schwaiger steht mit seiner Restaurantleiterin Cristina Pérez als Berater zur Seite. Als Chefkoch haben sie Alex Bröde ausgesucht, der unter andern im Tristán gearbeitet hat und hier nicht nur mit seiner Fischsuppe à la Broede glänzt (www.assaona.com).

Unbedingt empfehlenswert

Der Belgier Cédric Lebon, der die Neueröffnung des Restaurant Equus im Hotel Summum Prime Boutiquehotel durch seine exzellente französisch geprägte Küche begleitete, wechselte ins neue Nobelhotel Palacio Can Marques, wo er nicht nur das Restaurant im französischen Stil führt, sondern auch als Gastronomieleiter für die gesamt-kulinarischen Bedürfnisse des Hauses sorgt. Nicht verpassen sollte man seine Zwiebel-Trüffelsuppe mit Blätterteighaube oder das Bœuf bourguignon (www.palaciocanmarques.com).

Patxi Castellano, ehemals Chef der Tastgruppe, hat sich mit dem La Vasca in Palmas Carrer Bonaire selbständig gemacht und serviert dort seit Oktober auf zwei Ebenen baskisch-authentische Küche, die Erinnerungen heraufbeschwört an Gerichte, die die Großmutter schon kochte wie patatas a la Riojana (Kartoffel-Wurst-Eintopf). Dabei punktet er vor allem mit einem 12-Euro-Mittagsmenü (FB: La Vasca).

Nacho Velasco hat Palma schon das Garrito Café und zwei La-Rosa-Lokale beschert, nun kam Ende März das Rosa del Mar im Hafen von Can Barbara hinzu, nur wenige Meter entfernt vom Garrito. Es gibt klassisch spanische Küche, die sich auf Fisch und Meeresfrüchte inklusive Reisgerichten fokussiert. Hinzu kommt bestes Fleisch aus dem Baskenland, das im Josper-Grill zubereitet wird. Ist es draußen warm, kann man auf der Terrasse speisen (FB: Rosa del Mar Restaurante).

Aus dem Norden kommen die Betreiber des Arallo am Hafen von Palma. Geführt wird es von der erfahrenen Ex-Tristán-Restaurantleiterin Susanne Wibbeke. Gekocht wird vor den Gästen in einer offenen Küche, gegessen werden galicische und spanische Spezialitäten. Der Clou: Dazu gehört auch eine Dachterrasse mit Drinks und Snacks, die einen fantastischen Blick auf den Hafen bietet (FB: Arallo Taberna).

Ein wenig außerhalb von Palma, an der Promenade in Molinar, liegt das Mola mit Chefkoch Patrick Gernsbeck. Hier wird seit dem Sommer kreativ, bezahlbar und mediterran mit Einflüssen aus der asiatischen Küche gekocht. Es gibt keine Einteilung in Vor- und Hauptgerichte, alles ist möglich (FB: Mola).

Claudio Lemos' Kochkunst kann man in dem Restaurant Es Portal de Tramuntana erleben, bei dem der uruguayisch-israelische Koch im Frühsommer 2018 eingestiegen ist. Sein Kochstil: ein Mix aus spanisch-baskischer, lateinamerikanischer sowie israelisch-orientalischer Küche. Sein Faible: Gewürze. Im Es Portal nutzt Lemos knapp 30 verschiedene und rührt eigene Mischungen an. Dabei wird er von zwei Frauen perfekt unterstützt: Seine eigene leitet den Service und seine Souschefin begleitet ihn schon fast zehn Jahre auf allen seinen Stationen (FB: Restaurant Es Portal de Tramuntana).

Kurz hinter Inca (Richtung Lluc) führt ein kleiner Weg zur Villa Vegana, dem netten Landhotel-Restaurant eines deutschen Pärchens. Seit Winter 2017/2018 bereiten sie internationale Gerichte auf vegane Art zu. Tiere gibt es nur zum Streicheln, wie die beiden freundlichen Hausschweine des Paares. (www.villavegana.com).

In Valldemossa hat im Juni das charmante Taller de Valldemossa eröffnet. Es liegt ein wenig abseits der Touristenströme in einer ehemaligen Autowerkstatt. Der Besitzer und Chefkoch Nicolás Aubert, ein kosmopolitischer Argentinier, kocht dort Weltküche mit Pfiff und ausgesprochen delikat. Genossen werden können spanischer Tintenfisch auf peruanischem Püree mit japanischer Sauce, brasilianische Eintöpfe oder marokkanische Tajine-Gerichte mit mexikanischem Touch. Nicht fehlen darf das Limonensoufflé à la Oma (www.estallervalldemossa.com).

In Port de Pollença ist das AmazO seit Mai eine gute und bezahlbare Adresse für leckeres Essen. Auch wenn Besitzer und Chefkoch Raúl López seine Gerichte eigentlich attraktiv anrichtet, ist das am wenigsten attraktive das leckerste: der arroz chaufa, ein Reisgericht mit Ente, Ei und verschiedenen Gemüsesorten (FB: Amazo puerto de pollensa).

Bewegung bei den Sternen

Auch in diesem Jahr gab es keine neuen Michelin-Sterne, aber ein Stern ging freiwillig verloren. Tomeu Caldentey schloss nicht nur seine Restaurants Tomeu und Taronja Negre Mar in Palma, sondern auch sein Bou, das 15 Jahre mit einem Stern ausgezeichnet war. An gleicher Stelle in Sa Coma eröffnete er wenig später sein neues Lokal Tomeu Caldentey Cuiner. Gleiches Niveau, vergleichbare Gerichte, aber weniger Personal (nur noch drei Köche inklusive Caldentey), die vor den Gästen kochen und gleichzeitig auch servieren, was die Kosten senkt. Nun können maximal 22 Personen die frühere Sterneküche schon für relativ kleines Geld genießen: Ein Fünfgang-Menü gibt es für 39 Euro, acht Gänge für 49 Euro und 10 Gänge für 69 Euro. Die Winterpause hat er abgeschafft, aktuell ist Freitag- und Samstagabend geöffnet. Ein Last-Minute-Tipp: Silvester bietet er ein Vier-Gang-Menü zum Mitnehmen für 35 Euro an (www.tomeucaldentey.com).

Der Stern fürs Argos in Port de Pollença wirkt ein wenig verwaist. Álvaro Salazar Almansa, der den Stern erkochte, wird ab dem Frühjahr im Hotel Park Hyatt in Canyamel sein Können unter Beweis stellen. Wer im Argos sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest.

Foshs Epigonen

Bei Marc Fosh - ob damals noch im Read's oder in seinen anderen Lokalen (Simply Fosh, jetzt Marc Fosh, Misa Braseria, Tasca Blanquerna, Fosh Lab und Fosh Kitchen) - standen schon viele Köche am Herd, die ihm bis zu den Sternen gefolgt sind wie Andreu Genestra oder Adrián Quetglas. Andere kochen jetzt im Boathouse (Miki Tsigaras) oder in der Sa Fàbrica in Inca (Marcel Ress). In diesem Jahr haben sich wieder zwei Ex-Foshianer selbständig gemacht. Seit Herbst 2017 kocht Toni Martorell in seinem Vida Meva, er war langjähriger Chefkoch der Misa Braseria und anschließend Chefkoch im Restaurant Marc Fosh. Im eigenen Lokal fokussiert er sich auf den Tag (Frühstück mit selbstgebackenem Brot und Croissants), abends und am Wochenende ist geschlossen. Grund: Die neuen Köche legen mehr Wert auf Familie denn auf Karriere. Raul García wiederum, der ebenfalls in der Misa Braseria kochte und im kurzzeitig betriebenen Fosh Lab als Chefkoch agierte, eröffnete im Sommer 2018 sein Katarsis bei Algaida. Beide liegen preislich nicht nur im Rahmen, sondern man könnte ihre Angebote auch günstig nennen. Im Vida Meva bekommt man ein Drei-Gang-Mittagsmenü für 14 Euro sowie das legendäre Misa-Brathuhn für zwei Personen mit Beilagen für 25 Euro. Im Katarsis kann man für 12 Euro drei Gänge und für 20 Euro fünf Gänge verzehren. Darunter Köstlichkeiten wie Spanferkel mit konfiertem Fenchel und Apfel-Ingwerkompott oder Barsch mit Hummus, Koriander und Granatapfelkernen. Beide Restaurants unbedingt empfehlenswert.

Marc Fosh selbst überzeugte in diesem Jahr nicht nur durch seine normalen Menüs im gleichnamigen Sternelokal in Palma, sondern vor allem auch durch sein kreatives vegetarisches Menü (www.marcfosh.com / FB: Vida Meva Restaurante / FB: Katarsis Restaurante).