Wenn Carlos de Vera den Besuchern die Bonsais auf seiner Terrasse in Santa Maria auf Mallorca vorstellt, merkt man sofort, wie sehr sie ihm ans Herz gewachsen sind. Das ist kein Wunder, hat er sie doch jahrzehntelang ­gehegt und gepflegt.

Die Bäume im winzigen Format sind wie die großen in der Natur Sonne, Wind, Regen und Kälte ausgesetzt. So mancher von ihnen kommt als Geschenk ins Haus, und das bleibt manchmal nicht ohne Folgen. Dann kann es passieren, dass der Beschenkte von dem Gewächs derart fasziniert ist, dass er nach und nach zum Sammler wird. Bei de Vega war das anders.

Nach einer Chinareise des damaligen spanischen Ministerpräsidenten, Felipe González, in den 80er-Jahren stellte das Madrider Kaufhaus El Corte Inglés erstmals Bonsais aus. „Gemeinsam mit meinem Vater besuchte ich die Ausstellung und war fasziniert", sagt der heute 49-Jährige. Seine Sammlung umfasst mittlerweile 60 Bonsais, bald werden sie auf einen höher gelegenen Dachgarten umziehen. Dort können dann Besucher die Exponate seiner Sammlung bewundern. De Vera berät auch Besitzer von privaten Kollektionen.

Der Züchter stellt nacheinander die Objekte auf seiner Terrasse vor. Neben einer Korkeiche befindet sich eine Japanische sowie eine Echte Kiefer, der Phönizische, aber auch der Kriechende Wacholder ist ebenso vertreten wie eine Birkenfeige, die auch als Ficus benjamina bekannt ist.

Das wichtigste Ziel eines Bonsaikünstlers ist, den Baum künstlich altern zu lassen. Er arbeitet dabei nach einem Konzept, das er schon Jahre anwendet, nicht ohne dieses jedoch immer wieder infrage zu stellen und zu korrigieren. „Es gibt immer mehrere Optionen für die Gestaltung", sagt der Züchter und dreht nun eine einheimische Aleppokiefer so, dass man sie von ihrer besten Seite sieht. Jeder Bonsai hat eine Sonnenseite, durch diese sieht man die von den hinteren Ästen gebildete Krone. Sie spielt eine wichtige Rolle, damit man dem Baum eine gewisse Reife zuschreibt. Sein Alter erkennt man an Ästen, die sich nach ­unten biegen. Dies erreichen Bonsaikünstler, indem sie diese im Frühjahr - nach der winter­lichen Saftruhe - mit Spezialdrähten umwickeln und nach unten biegen.

Dem Stamm wird beim Bonsai große Symbolkraft zugeschrieben. Bildet er Wellen, steht dies in der japanischen Kultur für Bewegung und Leben. Helle oder dunkle Grau- oder Brauntöne erzielt man an verschiedenen Strängen mit der Schleifmaschine. Gefragt sind bei der japanischen Kunst auch durch Holzwürmer verursachte Hohlräume. Sie brachte der Baum meist schon aus seinem ersten Leben in der Natur mit. Wie auch die knorrigen Wurzeln, die häufig aus der Erde ragen.

Großgeschrieben wird bei der Gestaltung des lebenden Kunstwerks das harmonische Zusammenspiel von Krone, Stamm und Wurzeln. Wobei man in Japan bewusst robuste ­Ästhetik als männlich bezeichnet oder elegantere fließende als weiblich.

De Vera arbeitet jedoch nicht nur mit kleinen Formaten, Bonsai geht auch größer. Kürzlich absolvierte er einen Niwaki-Kurs in Südkorea. Hierbei handelt es sich um Groß- oder Maxi-Bonsai. So nennt man Bäume, die in Fernost über Generationen hinweg in Form geschnitten werden. Die Technik ähnelt, so de Vera, den Schnitten der alten Olivenbäumen, die auf der Insel in manchen Gärtnereien zu besichtigen sind. Wie beispielsweise beim Gartenbauunternehmen Sa Porrassa, nahe El Toro, wo Pompons ähnliche Blattpolster die Äste verzieren. Doch fehle bei ihnen das Konzept der Japaner, die bewusst mit ihren Schnitten die natürliche Form der Bäume nachvollziehen und verstärken würden.

Doch Niwaki ist nicht nur die Kunst des Schnitts, auch die Anordnung der Äste wird verändert, hier kommen schwere Gewichte zum Einsatz. De Vera ist derzeit auf der Suche nach geeigneten Objekten in Mallorcas ­Gärten, denn Niwaki wird an im Boden wurzelnden Bäumen praktiziert.

Kontakt: Carlos de Vera, Tel.: 689-33 82 39