„Fließendes Wasser, warm und kalt, Zentralheizung, Restaurant, Zimmer mit und ohne Bad sowie das neueste Telefon“, warb einst das Hotel Perú um Kunden. Vor etwa 90 Jahren war das in Palma purer Luxus. Sergi Vilafranca, der heutige Eigentümer, erzählt diese Anekdote gerne. Und wie er da so steht, hinter der alten Rezeption, glaubt man, dass es hier einmal durchaus komfortabel war. Auch wenn es schon länger kein fließendes Wasser mehr gibt.

Vilafranca hat der MZ das eiserne Gitter geöffnet, um einen Blick hineinzuwerfen in das Gebäude an dem historischen Platz Banc de s’Oli, nur eine Querstraße von der Plaça Major entfernt, wo im Mittelalter mit Olivenöl gehandelt wurde. Ströme von Touristen und Anwohner ziehen hier täglich vorbei. Viele verweilen vor dem Gebäude, in deren Mauern noch gotische Bögen versteckt sind. „Sie sind leider vom Putz verdeckt. Mein Projekt sieht vor, sie wieder sichtbar zu machen“, sagt Vilafranca. Die Fensterfront an der Fassade ist viel jüngeren Datums: Das Gebäude wurde 1900 fertiggestellt, das Hotel 1929 eröffnet. Nun hängt dort ein großes Plakat, das dafür sorgen soll, dass das Perú nicht gänzlich in Vergessenheit gerät. „Cada uno tiene una historia“ (Jeder hat eine Geschichte) steht darauf geschrieben.

Den Spruch hat sich Sergi Vilafranca ausgedacht. Er hat mit seinem Immobilien-Unternehmen Llar Ciutat das Gebäude vor fünf Jahren gekauft. Der Menorquiner will es wieder zu einem Luxushotel herrichten. „Nur das Rathaus lässt mich nicht“, klagt er. „Seit Jahren warte ich auf die Lizenz.“

Der Rundgang

Getränkedosen und weiterer Unrat liegen auf dem Boden verstreut. Unter dicken Staubschichten lässt sich erahnen, wie glamourös vor Jahrzehnten das Perú war. Ein Kronleuchter hängt von der Decke der kleinen Lobby

herab. Die Tapete fällt in großen Stücken herunter. Alte Stühle stehen an der Wand entlang aufgereiht. Auf Bildern sind Jagdszenen zu sehen. Eine Karte schlägt den Urlaubern die Ausflüge der Woche vor: montags und donnerstags Sóller, dienstags und freitags Formentor, mittwochs und sonntags die Cuevas del Drach und samstags Artà. Der Inselurlaub war damals auch nicht viel anders als heute.

Eine eiserne Tür lehnt am staubbeladenen Tresen der Rezeption. Die Batterie der Uhr darüber hat wohl schon vor Jahren den Geist aufgegeben. 48 Fächer hat das Schlüsselschränkchen. „Damals gehörte das Gebäude nebenan auch noch zum Hotel Perú. Heute sind die beiden Häuser getrennt“, sagt Vilafranca.

Am Tresen vorbei führt der Investor zu einer eleganten weißen Marmortreppe, die in den ersten Stock führt. Insgesamt erstreckt sich das Hotel auf 800 Quadratmetern auf vier Etagen. Eisenstangen sind zwischen den Treppenstufen und einem Nebeneingang gespannt. „Wir mussten die Tür verbarrikadieren, denn bis zuletzt hausten noch Besetzer hier. Wir haben sie verjagt.“ Im ersten Stock liegen heute noch die Sachen der Eindringlinge. Im Gegensatz zum dunklen Erdgeschoss dringen ein paar Sonnenstrahlen in den Raum. „Das war früher der Speisesaal“, so Vilafranca. Man kann sich gut vorstellen, wie die Gäste hier ihren Kaffee beim Blick auf den Platz genossen.

In der zweiten und dritten Etage liegen die Unterkünfte für die Gäste. Die Zimmer sind unterschiedlich groß, in ihrer einfachen Ausstattung aber meist gleich: ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Hutständer. Die Räume zum Platz haben einen Balkon .Die Zimmer kosteten damals Ende der 20er-Jahre zwischen 6,50 und 10 Peseten. Das Hotel Perú hatte einen guten Ruf, wurde immer bekannter, nicht ganz so wie das Grand Hotel an der Plaça Mercat. Aber dennoch war es in den 50er-Jahren ein beliebtes Fotomotiv für Postkarten und Anlaufpunkt für viele Urlauber. Auch Prominente sollen hier übernachtet haben, die Rede ist etwa von Natacha Rambova der Frau von Filmstar Rodolfo Valentino. Sergi Vilafranca hat noch all die Gästebücher.

Der Niedergang

Doch dann strahlte in den 80er-Jahren der Schmuddelruf vom angrenzenden Rotlichtviertel, dem barrio chino, auch auf den Banc de s’Oli rüber. Der Platz bevölkerte sich mit Prostituierten und Drogensüchtigen. Das Perú verkam zum Stundenhotel. Bis vor wenigen Jahren soll ein gewisser Jaime noch über einen Schlüssel verfügt und die Zimmer an die Freier der ebenfalls in die Jahre gekommenen Damen vermietet haben. „Der vorherige Besitzer hatte das Hotel geerbt, ihm war das egal“, erzählt Vilafranca. Das zwang das Rathaus 1985 dazu, dem Hotel die Lizenz zu entziehen und das Gebäude zu enteignen. „Den Enteignungsprozess hat die Stadt zwar begonnen, aber nie abgeschlossen. Als ich vor fünf Jahren beim Rathaus vorsprach, war davon nicht mehr die Rede“, sagt der Investor.

Wie viel Arbeit noch bleibt, ehe das Gebäude wieder bewohnbar ist, zeigt der dritte Stock. Ein tiefer Riss klafft in der Wand. In einem Zimmer ist der Boden um einige Zentimeter abgesackt. „Absturzgefahr“, warnt Sergi Vilafranca davor, den Raum zu betreten.

Liebend gerne würde der Investor mit den Renovierungsarbeiten beginnen, deren Kosten er auf 2 Millionen Euro schätzt. Doch seit dem Lizenzentzug darf hier kein Hotel mehr betrieben werden, eine touristische Nutzung ist nicht mehr vorgesehen. Vor fünf Jahren habe man ihm im Rathaus gesagt, dass eine neue Lizenz kein Problem sei, sagt Vilafranca. Doch mittlerweile geht die Stadt restriktiver mit Hotellizenzen um, vergibt sie nur noch für Gebäude, die nicht als Wohnhaus katalogisiert sind. Und auch nur dann, wenn daraus ein Fünf-Sterne-Hotel mit höchstens 20 Zimmern wird. An diese Regeln will sich Vilafranca halten. „Mir schweben 15 oder 17 Zimmer vor, ein Restaurant im Erdgeschoss und eine Bar auf der Dachterrasse.“

Welchen Nutzungsstatus das Gebäude hat, ist jedoch unklar. Es ist noch nicht einmal denkmalgeschützt. Vilafranca würde das gerne ändern, weil er unter den derzeitigen Bestimmungen nur so eine Hotellizenz bekäme. „Ich finde es bewegend, wenn ein so historisches Gebäude geschlossen ist und verfällt. Die Stadt verliert dadurch einen Teil ihrer Essenz“, argumentiert er. Er rechnet mit weiteren zwei Jahren Wartezeit, ehe eine Lizenz erteilt wird. „In Spanien dauern solche Dinge lange. Dabei habe ich schon Interessenten, die das Hotel betreiben wollten.“

Vilafranca könnte aus den Hotelzimmern auch Luxuswohnungen machen, wie er es bei anderen Projekten tut. „Ich will aber nicht mit der Geschichte brechen. Mein Herz will, dass es wieder ein Hotel wird. Sonst hätten die Palmesaner nichts davon und könnten beispielsweise nicht die Dachterrasse genießen“, sagt er. Wie interessiert die Bevölkerung schon jetzt ist, zeigt sich beim MZ-Besuch. Immer wieder schauen Leute durch die offene Tür. „Das wollte ich schon immer mal sehen“, sagt der Inhaber einer Bar nebenan.