Man könnte sagen, Joan Seguí ist in der Backstube des Familienbetriebs Forn Sant Francesc in Inca geboren. Schon als kleiner Junge half er seinem Vater und Opa beim Backen, verrührte Zutaten, knetete Teig. Damals führte noch eine Treppe von der Wohnung der Familie im Obergeschoss direkt nach unten in die Bäckerei. Die Grenzen zwischen Familienleben und Arbeit waren fließend. Vor 13 Jahren dann stand Joan Seguís Vater Guillermo kurz vor dem Renteneintritt. „Ich kann nicht mehr. Was machen wir?", sagte der heute 71-Jährige zu seinem damals 28-jährigen Sohn. Die vielen Stunden im Stehen und in ständig gebückter Haltung hatten ihren Preis gefordert, Rücken und Knie des Vaters waren kaputt.

Joan Seguí arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Verkäufer in einer Fliesenfabrik und konnte sich erst gar nicht vorstellen, hauptberuflich zu backen. „Wer steht schon gerne um 2 Uhr morgens auf und arbeitet von 3 bis 10 Uhr und dann wieder von 16 bis 19 Uhr?", sagt der Vater einer sieben Jahre alten Tochter. Gleichzeitig tat es ihm aber leid, dass die Familie den Betrieb nach vier Generationen an einen Fremden übergeben müsste. Also sprach er mit seiner Frau. Die ermutigte ihn dazu, das mittlerweile über 110 Jahre alte Backgeschäft zu übernehmen und packte selbst mit an.

Der Beginn war sehr ruppig. Joan Seguí schlief kaum und konnte sich nur mit Mühe an die harte körperliche Arbeit und die anderen Arbeitszeiten gewöhnen. Um sich zumindest ein bisschen Freizeit und Zeit mit der Familie zu bewahren, pochte er von Beginn an darauf, dass die Konditorei sonntags geschlossen und samstags nur bis zum Mittag geöffnet ist. Mittlerweile ist dem 41-Jährigen, der zusammen mit seinem sechsköpfigen Team täglich selbst per Hand backt und dabei nur natürliche Zutaten verwendet, nicht mehr anzumerken, dass er in das Backgeschäft vor allem der Familie wegen reingerutscht ist. Während er den Teig sicher durch die Luft wirbelt, läuft Musik aus den großen Lautsprechern hinter ihm. „Wenn ich alleine bin, drehe ich richtig auf", sagt Joan Seguí.

Über die Jahre hat der Bäcker so viel Gefallen an seinem Job gefunden, dass er eines Tages beschloss, sich bei der Arbeit zu fotografieren und zu filmen und die Aufnahmen anschließend auf Instagram hochzuladen. Wie viel Anklang er damit fand, überraschte ihn selbst . Im Juli 2015 filmte Joan Seguí in Nahaufnahme, wie er einen doblegat, ein mit Schokolade gefülltes und mit Puderzucker bestäubtes Blätter­teiggebäck mit einem großen Messer zerteilte. Auch das Knistern des brechenden Teigs ist in dem Video gut zu hören. Die überschlugen sich vor Begeisterung: „Hostia" (Der Hammer!), „Dios mío de mi vida" (Oh mein Gott!) und „Ich liebe dieses Geräusch", kommentierten die Insta­gram-Zuschauer. Joan Seguí hielt das für etwas überzogen, beschloss aber, die Nutzer von diesem Zeitpunkt an noch regelmäßiger an seiner Arbeit in der Backstube teilhaben zu lassen.

„Foodkanäle, in denen Essensbilder fast schon zu aufwendig in Szene gesetzt werden, gibt es Tausende. Unser Gebäck sieht auf den Fotos und Videos genauso aus, wie wir es hier im Laden an unsere Kunden verkaufen. Vermutlich ist mein Kanal unter anderem deswegen in kurzer Zeit so beliebt geworden", sagt Joan Seguí. Wobei er auch nicht alles in Szene setzt: „Ensaimadas sind fotografisch nicht so attraktiv. Wenn du eine siehst, hast du sie alle gesehen."

Abseits der digitalen Welt hat auch die Bekanntheit des Traditions­ladens zum Erfolg beigetragen. Die ­Bäckerei liegt in Inca etwas versteckt, in einer wenig befahrenen Straße (Carrer de Sant Francesc, 126). Nicht nur Schüler der gegenüberliegenden Schule kommen regelmäßig vorbei, auch viele ältere Menschen aus den umliegenden Orten. Bei Back-Wettbewerben gewinnt Forn Sant Francesc regelmäßig Preise - 2017 etwa den für die „weltweit" beste Ensaimada. Auch das pan moreno der Bäckerei sei unter den fünf besten der Insel. „Viele denken immer, ich alleine wär ein Meisterbäcker, doch hinter dem Erfolg steht mein ganzes Team", sagt Joan Seguí bescheiden. Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Unter den über 2.250 auf dem Insta­gram-Kanal veröffentlichten Fotos taucht sein Gesicht zwischen Teig, Torten und Gebäck äußerst selten auf. Auch in den Videos sieht man immer nur seine Hände in Aktion.

Um sich selbst zu filmen, steckt er sein Handy auf ein Stativ. Nimmt er hingegen einen Mitarbeiter auf, hält er es in der Hand. „Quatscht beim Filmen niemand rein, reicht in den meisten Fällen ein Versuch", so Joan Seguí. Mit einer App schneidet er die Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven dann binnen weniger Sekunden zusammen. Da die erste Anwendung, die er ausprobierte, die Bilder bis ins Unkenntliche komprimierte, nutzt er mittlerweile eine andere, deren Namen er aber nicht verraten will. „Ich darf es den Menschen, die mich kopieren, nicht zu einfach ­machen", sagt er. Anfangs musste er sich bei den stets im Hochformat aufgenommenen Videos noch auf eine Länge von 30 Sekunden beschränken. „Seit Instagram IGTV (Instagram-TV, Anm. d. Red.) eingeführt hat, können die Aufnahmen deutlich länger sein. In meinen Statistiken habe ich aber gesehen, dass die meisten Zuschauer nach eineinhalb Minuten aussteigen. Also habe ich die ­Videos entsprechend angepasst", so der Bäcker.

Da sein Kanal in kurzer Zeit sehr erfolgreich geworden ist, schlage ihm die App immer wieder vor, dafür zu zahlen, dass die Beiträge ein noch größeres Publikum erreichen. „Die Macher von Instagram sind nicht dumm. Bilder und Videos von Dingen hochzuladen, die man verkauft, ist nicht dasselbe, wie wenn eine Privatperson Landschaftsfotos einstellt." Da er und sein Team mit dem täglichen Geschäft und den vielen Bestellungen nur mit Mühe hinterherkommen, hat er sich dagegen entschieden. „Menschen, die uns nur von Instagram kennen, denken immer, sie finden hier einen riesengroßen Laden mit Fabrik vor, dabei sind wir nur ein kleiner Laden am Eck", sagt Joan Seguí. „Ich freue mich sehr, dass den Menschen gefällt, was ich mache. Trotzdem wird Instagram weiterhin nur ein Hobby für mich bleiben."