„Mallorca - torres i talaies costaneres" heißt ein mehr als 220 Seiten umfassendes Buch, das im Mai 2019 bei Dolmen Editorial erschienen ist (24,90 Euro). In jahrelanger Arbeit hat der Forscher und Spezialist für militärische Architektur, Àngel Aparicio (Palma de Mallorca, 1956), in Archiven nach Erwähnungen der alten Wachtürme (auf Katalanisch: talaies) gesucht, um so Stück für Stück ihre Geschichte aufzuarbeiten. Um die teils verfallenen Kulturgüter zu schützen, heißt es im Vorwort, müsse man sie zunächst bekannter machen. Immer wieder zitiert Aparicio auch aus „Die Balearen" des österreichischen Erzherzogs Ludwig Salvator, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine Beobachtungen der mallorquinischen Landschaft, Gesellschaft, Kultur und Architektur detailliert festhielt. Aparicios Erkenntnisse werden vervollständigt von Zeichnungen des Malers Vicenç Sastre (Llucmajor, 1952).

Torre de Na Pòpia und Torre del Cap de Llebeig auf der Dracheninsel Sa Dragonera

Möglichst frühzeitig auf Angreifer aufmerksam werden - und sie im besten Fall in die Flucht schlagen -, das war der Sinn der Wachtürme. Kein Wunder also, dass auch die Dracheninsel Sa Dragonera vor Mallorca einst über zwei Exemplare verfügte: den Torre Na Pòpia hoch oben auf dem gleichnamigen Berg und den Torre del Cap de Llebeig direkt am Meer. Ersterer wurde 1850 zum Leuchtturm umfunktioniert.

Talaia Major d'Alcúdia

Die Talaia Major d'Alcúdia ist schon seit Jahrhunderten von strategischer Bedeutung. Erbaut im Jahr 1567 steht der Wachturm in 445 Meter Höhe auf einer Halbinsel zwischen den Häfen von Alcúdia und Pollença. Die Talaia Major d'Alcúdia stellte einst ein wichtiges Glied des Warnsystems gegen feindliche ­Angreifer vom Meer dar. Trotzdem wurde der Bau, der nur einen Raum und ein Fenster aufweist, vernachlässigt. Schon Aufzeichnungen aus dem Jahr 1754 bemängeln, dass der Turm vom Wachpersonal kaum nutzbar ist. Im Bürgerkrieg (1936-1939) nutzte das Franco-Regime die privilegierte Stellung und baute gleich nebenan einen Beobachtungsposten auf. ­Heute sind von dem Turm nur ­Ruinen übrig.

Castell de Sant Elm - Die Gut erhaltene Festung bei Andratx

Im Jahr 1279 beauftragte König Jaume II den Bauherrn Bernat Basset damit, in Sant Elm (Andratx) eine rund 700 Quadratmeter große Festung zu bauen. Neben einer Krankenstation für Seeleute, die unter Quarantäne gestellt werden mussten, entstand eine Kapelle zu Ehren des Schutzpatrons Sant Elm und später auch der Wachturm. Anders als ursprünglich geplant, diente der quadratische Bau aus dem Mallorca-Sandstein Marès nicht als wegweisender Leuchtturm, sondern als Bollwerk gegen Angreifer, um die Sicherheit der Gegend zu garantieren. Schriften aus den darauffolgenden Jahrhunderten dokumentieren, dass die jeweils modernsten Artillerie­geschütze auf der offenen Brüstung im zweiten Stock platziert waren. Seit 1949 gilt die Festung samt Turm als Kulturgut (BIC). 2005 renovierte die Stiftung Fundació Illes Balears das alte Gemäuer grundlegend. Seit 2014 beheimatet es das Informationszentrum für Wachtürme auf den Balearen.

Torre del Port Major bei Alcúdia

Der Torre del Port Major, oder auch Torre Major d'Alcanada genannt, wurde im Jahr 1599 auf Geheiß von König Felipe II. nahe dem alten Hafen von Alcúdia gebaut. Er sollte das Abwehrsystem der Stadt vervollständigen. Dank der Talaia Major (s.?o.) konnten feindliche Schiffe bereits lange vor dem Erreichen der Küste gesichtet werden, der Torre del Port Major diente dazu, sie abzuwehren. Zwischenzeitlich standen dort vier Kanonen bereit, um Eindringlinge von der Küste fernzuhalten. Die massive Bauweise macht sich noch heute bezahlt: Der Turm ist in gutem Zustand. Das mag auch an der Übernahme und einigen Veränderungen durch das spanische Verteidigungsministerium im Jahr 1940 liegen.

Fortalesa de la Punta de n'Amer bei Cala Millor

Heute ist die Halbinsel Punta de n'Amer zwischen Sa Coma und Cala Millor wegen des Naturschutzgebiets als „grüne Lunge" an der viel bebauten Ostküste bekannt. Im 16. Jahrhundert war sie vor allem ein strategisch wichtiger Punkt für die Feindesabwehr der Insel. Das wurde den Machthabern besonders nach einem blutigen Angriff 1611 bewusst. Trotzdem sollte es bis 1693 dauern, bis die Festung an der Spitze der Landzunge erbaut wurde: aus Marès-Stein, mit Platz für acht Kanonen. Eine „einzigartige Architektur", lobte Erzherzog Salvator. Die 1996 restaurierte Festung ist für Besucher geöffnet.

Leuchtturm Far de Portopí

Bis heute ist der Leuchtturm in Palmas Hafen Portopí in Betrieb. Er gilt als ältester Leuchtturm Spaniens. Schriftlich erwähnte ihn erstmals König Jaume II im Jahr 1300 unter dem Namen „Turris Faraone". Damals stand der Turm noch dort, wo heute die Festung Fortalesa de Sant Carles zu finden ist, er wurde aber 1617 an seinen heutigen Standort im Hafen verlegt. In etwa zu dieser Zeit bauten verschiedene Bauherren auch den oberen Teil des Gebäudes aus, in dem die Lichter in einer Höhe von 40 Metern Orientierung für die Seefahrer bieten. Der untere Teil stammt vermutlich noch aus der maurischen Zeit. Bis zum Jahr 1917 wurde der Turm auch genutzt, um anhand von Fahnen frühzeitig Auskunft über die Art und Herkunft der Handelsschiffe einzuholen, die in den größten Hafen der Insel einfahren wollten. In einem Nebengebäude ist bis heute eine Ausstellung über Seefahrtszeichen für Besucher geöffnet.

Talaia de Son Jaumell in Cala Ratjada

Die Talaia de Son Jaumell, auch Talaia de Cala Moltó oder Talaia de Cala Agulla genannt, ragt auf dem Berg Puig de s'Àguila zwischen der Cala Agulla und der Cala Mesquida in 271 Metern Höhe empor. Viel ist von dem 1581 aus Kalkstein, Sand und Mörtel gebauten Wachturm nicht mehr übrig, er ist zu zwei Dritteln verfallen. Schon 1654 wurde der schlechte Zustand des Turms dokumentiert: Die Einsturzgefahr sei zu groß, als dass die Turmwärter sich in ihm aufhalten könnten. Zwar wurden immer wieder kleine Reparaturen vorgenommen - auch, weil Mitte des 19. Jahrhunderts ein optischer Telegrafenmast im oberen Bereich angebracht wurde. Trotzdem schritt der Verfall weiter voran. Heute ist mehr die gute Aussicht bis nach Menorca als die Ruine selbst ein beliebtes Ausflugsziel.

Talaia de Valldemossa

Nach einem besonders blutigen Überfall maurischer Piraten im Jahr 1552 hatten die Einwohner Valldemossas genug. Wieder hatte das Warnsystem fehlgeschlagen, endlich sollte ein richtiger Wachturm her. Erst 1579 ging dieser Wunsch in Erfüllung, als die Talaia de Valldemossa fertiggestellt wurde. Waffen zur Abwehr feindlicher Eindringlinge gab es dort in den ersten Jahren zwar noch nicht, immerhin warnten die Turmwärter die Dorfbewohner von Valldemossa nun aber rechtzeitig, wenn wieder einmal Feinde am Horizont auftauchten. Der zylindrische Bau aus Stein und Mörtel hat - anders als die meisten anderen talaias - zwei Räume und ist noch immer in gutem Zustand. Das mag auch an bedeutenden Umbauarbeiten liegen, die im Jahr 1655 vorgenommen wurden. Viele Wanderer der beliebten Trockensteinroute GR-221 kennen den Turm heute als Talaia Vella direkt an der Wanderstrecke.

Torre de Cala Sant Vicenç

Heute kaum mehr als ein Steinhaufen, war der Torre de Cala Sant Vicenç einst der Stolz der Bewohner der Küstenregion um Pollença. Viele pollençins packten 1571 mit an, als es hieß, die Abwehrmaßnahme zu errichten. Direkt an der Küste an einer Stelle, vor der bis dahin schon mehrmals feindliche Schiffe geankert hatten, ragte nun der Abwehrturm in die Höhe. Um die schwere Kanone zu bedienen, die auf dem Turm stationiert war, brauchte es zwei Männer, die in einer angrenzenden Hütte wohnten. Nur über eine einholbare Trittleiter war der Zugang zum Turm möglich. Heute können Besucher die antike Kanone in den Gärten von Joan March in Pollença besichtigen.

Der Wachturm Torre de Portocolom

Als der Erzherzog Ludwig Salvator Ende des 19. Jahrhunderts den Wachturm von ­Portocolom besichtigte, lobte er den ­guten baulichen Zustand, in dem sich das Gebäude aus dem Jahr 1570 befand. ­Schade, dass er 1919 abgerissen wurde und heute nur noch die unterste Steinschicht zu sehen ist. Dabei hatte der Turm an der ­Punta d'en Bordoy einst eine wichtige Funktion zum Schutz des Hafens. 36 Meter über dem Meeresspiegel, direkt an der Küste, konnten die Turmwärter per Lichtzeichen mit dem Wachturm von Porto Cristo und der Festung Portopetro kommunizieren. Spätestens ab ­Mitte des 17. Jahrhunderts waren auch Kanonen auf dem Turm stationiert. Es gab eine Koch­nische und ein Wasser­depot. Gerüchten zufolge versteckten Schmuggler im 19. Jahrhundert darin ­bevorzugt ihre Schmuggelwaren.

Torre Sant Francesc in Port d'Andratx

Dass es in Port d'Andratx einen Wachturm namens Torre de Sant Francesc gab, den 1739 die Fischer im Dorf in Gemeinschaftsarbeit errichteten, um die Gegend vor Piratenangriffen zu schützen, war lange bekannt. Doch erst im Jahr 2002 konnte der Forscher und Autor Àngel Aparicio nachweisen, dass es sich dabei um ein noch immer bewohntes, gut erhaltenes Gebäude in erster Meereslinie handelt, das sich in die Häuserfront einreiht. Wo heute auf drei Stockwerken Menschen wohnen, waren einst zwei schwere Kanonen installiert, die mehr als einmal Angreifer in die Flucht schlugen. Immer wieder wurde das Gebäude im Laufe der Jahrhunderte umgebaut, seine Fassade - einst aus einzelnen Marès-Blöcken - passt sich heute in die Häuserfront ein. Mittlerweile gilt der alte Turm als schützenswertes Kulturgut (BIC).