Das kommt immer wieder vor: kleine, häufig großartige Projekte, die dann wieder in Vergessenheit geraten - vielleicht weil sie zu genial oder auch zu bekloppt waren. Oder weil sie der Startschuss für etwas viel Größeres, Bekannteres, auch Kommerzielleres waren. Ein Beispiel dafür ist die 1988 von Guillem Ferrer gegründete Schuhfirma Make Up. ­Ursprünglich sollte das Unternehmen Copyright heißen, der Name konnte aber so nicht ins Markenregister eingetragen werden.

Es war ein ambitioniertes Unterfangen: eine Schuhfirma, die künstlerisch angehauchte Unikate herstellte. Die erste Firma, die das Modell der Twins schuf, also zwei unterschiedliche Schuhe, die aber zueinander gehören. Bis Camper die Firma 1992 aufkaufte und Ferrer mit seiner ganzen Kreativität der heute weltbekannten mallorquinischen Schuhmarke neues Leben einhauchte.

Ein Jahr zuvor aber verwirklichte er mit Make Up eine andere Idee. Hatte man bislang mit den Schuhen bekannten Künstlern Tribut gezollt, holte man nun mit dem aus Inca ­stammenden Antoni Socias einen Künstler an Bord, damit dieser seine eigenen Schuh­kollektionen entwerfen konnte. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist derzeit im Museu del ­Calçat in Inca zu sehen.

Recycelte Arbeiten

Socias machte sich nicht die Mühe, für die Schuhfirma neue Arbeiten zu erstellen. Stattdessen recycelte er bereits existierende ­Werke - hauptsächlich Fotografien und Skulpturen - in Schuhform. Die Originale sind bei der Ausstellung neben den Schuhen zu sehen, dadurch soll der kreative Kontext erläutert werden. „Socias Arbeiten sollte man nicht als dekorative Elemente auf einem Stück Mode sehen", schrieb die Kunstkritikerin Cristina Ros im „Diario de Mallorca", als Socias und Ferrer die Kollektion vorstellten. „Vielmehr verwandeln sich die Schuhe in eine Darstellungsform für seine Arbeiten. Eine Form, die anderen Medien in nichts nachsteht."

Die von Socias aus feinem Nubukleder entworfenen Schuhe zeigen seine feine Ironie, etwa wenn er den Aufdruck von zwei unterschiedlich großen Kameras als „Mutter - Tochter" betitelt. Oder wenn er Fotografien von ­seiner Frau mit einem Stein im Mund auf die sündhaft teuren Schuhe druckt. Anderen ­Werken verpasst er etwa ein Horn oder ein Vorhängeschloss, das die beiden Schuhe miteinander verbindet.

Und immer wieder nutzt Socias die Vorteile, die ihm das Twin-Konzept der Schuhfirma bietet - auch Menschen seien asymmetrisch, befand Socias, warum also bei den Schuhen auf Symmetrie setzen. Auf einem Paar etwa finden sich auf dem einen erdfarbenen Schuh in Rot die vier Streifen der katalanischen Flagge, auf dem anderen ein Bild von Steinen, die er in Banyalbufar aufgenommen hat. Socias verbindet teilweise Arbeiten, die gar nicht zusammengehören, etwa das Bild von Bauziegeln und einen Ausschnitt aus einem Triptychon, das Nashörner zeigt. Oder er gibt den Schuhen unterschiedliche Farben - was sie auf eine ganz andere Art ergänzt.

Schuhe in der Galerie

Aus Presseberichten jener Zeit lässt sich erfahren, dass die Schuhe zunächst in Galerien in Madrid, Paris und Düsseldorf gezeigt werden sollten, bevor es in die Produktion ging. Ob diese Art Schuhe jemals wirklich getragen wurden, wird in der Auss­tellung leider nicht geklärt. Das ist ohnehin ein wenig das Manko dieser ästhetisch hochinteressanten Schau: Es fehlt ein wenig der Kontext, die historische Einordnung. Die Ausstellungstexte konzentrieren sich hauptsächlich auf den künstlerischen Blickwinkel. Allein ein Artikel aus einer französischen Zeitschrift aus dem Jahr 1994, der in der Schau zu sehen ist, verdeutlicht das Interesse, das die verrückten Treter auch im Ausland weckten.

Warum Guillem Ferrer seine Firma an Camper verkaufte, ist hingegen bekannt. Das große Manko an Make Up sei der Preis gewesen, sagte der Designer vergangenes Jahr in einem Feature des Regionalsenders IB3. „Die Schuhe waren sehr teuer. Ich wollte das Ganze demokratisieren, zugänglicher machen." Als Camper-Chef Llorenç Fluxà, dem ohnehin die Hälfte von Make Up gehörte, ihm ein Angebot machte, habe er nicht lange gezögert.

Socias begleitete seinen Auftrag­geber Guillem Ferrer übrigens zu Camper. Er war dort eine Zeit lang für die Firmenkommunikation verantwortlich. Dieser Aspekt ist in der Ausstellung enthalten. So sind zwei ­Bilder einer Werbekampagne zu sehen, mit der die Firma auf ihre Nachhaltigkeit hinweisen will. Sie zeigen Füße, die in Bananenblätter eingewickelt sind.

Museu del Calçat i de la Indústria, Av. General Luque, 223, Inca, Reguläre Öffnungszeiten (Änderungen im August möglich): Montag-Freitag 10-14 Uhr und 16.30-20 Uhr. Samstag 10-13 Uhr. Ausstellung bis 6.9., Eintritt auf Spendenbasis. museu.incaciutat.com