Würde es auf Mallorca einen Ableger der deutschen Ratesendung „Ich trage einen großen Namen" geben, Carlos Garau wäre ein geeigneter Kandidat. Der 55-Jährige ist der Urenkel von Pere Garau, nach dem das Stadtviertel in Palma benannt wurde. Der Bauingenieur entwarf den Zug von Palma nach Sóller, der heute als Touristenattraktion Roter Blitz bekannt ist, prägte das Stadtbild von Palma und legte den Grundstein für eine Familie von Ingenieuren und Architekten. 2019 steht der 100. Jahrestag des Todes von Pere Garau an. Die balearische Ingenieurskammer ehrt den Mallorquiner mit einer Ausstellung im Bahnhof von Sóller und einem Buch, das im Herbst auf Spanisch und Englisch erscheinen soll.

Pere Garau (1860-1919) stammte aus einer Familie von Schuhmachern. „Sie hatten in Palma eine große Fabrik, die mit dem Export von mallorquinischen Schuhen nach Kuba ihr Geld verdiente", erzählt Carlos Garau. Als sich der Inselstaat in der Karibik von Spanien unabhängig deklarierte, ging es mit dem Geschäft bergab, kurz darauf starben Pere Garaus Eltern. Mit seinem Anteil des Erbes machte sich er sich nach Madrid auf, um Bauingenieur zu werden.

„Mein Uropa verstarb mit 59 Jahren sehr jung. Daher hatte er kaum Zeit, seine Geschichte an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Viele Informationen sind verloren gegangen", sagt Carlos Garau. Einige der Errungenschaften von Pere Garau gingen jedoch in die Geschichtsbücher ein. In erster Linie ist da der Sóller-Zug zu nennen. Im 19. Jahrhundert war die Verbindung zwischen Palma und dem Orangendorf noch mangelhaft. „Sóller war sehr reich. Über das Land war die Anbindung jedoch sehr schlecht und meist blieb nur der Seeweg", sagt Carlos

Garau. In den 60er-Jahren wurde die Straße über den Sóller-Pass gebaut. „In dieser Epoche war die Eisenbahn im Trend wie heute das Internet." Im Prinzip träumte die ganze Insel von einer eigenen Eisenbahnstrecke. „Die erste Eisenbahn fuhr zwischen Alaró und Consell." 1905 wurde die Eisenbahngesellschaft Ferrocarril de Sóller gegründet. Für die Umsetzung der Strecke zeichnete Pere Garau verantwortlich, um die Finanzierung kümmerte sich der Ingenieur Eusebi Estada.

„Für die Lizenzierung einer Eisenbahnstrecke ist eine Mindestzahl von Kilometern notwendig", sagt Juan Antonio Esteban, Chef der balearischen Ingenieurskammer. „Die Strecke von Palma nach Sóller reichte nicht. Deswegen wurde die Strecke mit der Straßenbahnlinie nach Port de Sóller ergänzt."

Im Juni 1907 begannen die Bauarbeiten. Der aufwendigste Punkt war der Alfàbia-Tunnel mit einer Länge von 2.850 Metern, an dem alleine drei Jahre lang gearbeitet wurde. „Dazu gibt es eine kleine Familienanekdote: Zwei unterschiedliche Baufirmen haben an jeweils einer Seite des Berges angefangen, den Tunnel zu graben. Sie kassierten wöchentlich Geld für eine bestimmte Strecke. Doch sie trafen sich nicht in der Mitte. Die Befürchtung bestand, dass beide aneinander vorbei gegraben hätten. Mein Uropa fand aber heraus, dass die eine Baufirma weniger Arbeiter als bezahlt engagierte und einfach langsamer ­vorankam", erzählt Carlos Garau.

Zwölf weitere Tunnel mit einer Länge ­zwischen 33 und 530 Metern mussten gegraben werden. Dazu musste eine Vielzahl an ­Brücken gebaut werden. Nach fünf Jahren war die Strecke im April 1912 fertig.

Zu Beginn war der Sóller-Zug ein beliebtes Verkehrsmittel. „Orangen und Öl wurden in den Hafen von Palma geschafft", so Garau. 1927 wurde der Sóller-Zug elektrifiziert.

Kurze Zeit später endete der Eisenbahn-Trend. „In den 40er-Jahren kam der Straßenverkehr auf. Spätestens in den 70er-Jahren waren die Züge obsolet", sagt Garau. Der Rote Blitz hielt sich bis heute nur, da er den Wandel zu einer Touristenattraktion schaffte.

Ein zweites Herzensprojekt von Pere Garau war die Erweiterung von Palma. „Er war zwar Ingenieur, hat sich aber dennoch sehr stark für Ästhetik und Architektur interessiert", sagt Carlos Garau. „Ihm war es wichtig, die antiken Stadtmauern zu erhalten." Bereits seit 1873 debattierten Architekten und Ingenieure über das Thema und legten Pläne vor. So auch Pere Garau. „Doch er erhielt nicht den Zuschlag und ein Großteil der Stadtmauern wurde 1902 abgerissen." Der Plan von Ingenieur Bernardo Calvet gewann. Dieser forderte von Garau dessen Topografiepläne. „Mein Uropa weigerte sich aber, diese herauszu­rücken und wurde deshalb nach Girona verbannt. Dort hat er seine Frau kennengelernt."

Der Bann hielt nur kurz. Bereits 1912 übernahm Pere Garau die Leitung des Hafens in Palma. In dieser Funktion entwarf er Pläne für den Bau des Paseo Marítimos. „Diese wurden Jahre später von dem Ingenieur Gabriel Roca übernommen, dessen Namen nun auch die Straße trägt."

Pere Garau hat dafür sein eigenes Stadtviertel bekommen. Er entwarf die bekannte Markthalle. 1943 wurde das Viertel unter seinem Namen eingeweiht.

Stolz dürfte der Ingenieur auch auf seine Nachkommen sein. Sein Sohn, Enkel und ­Urenkel, die allesamt Carlos heißen, waren oder sind Bauingenieure oder Architekten. „Und meine Tochter liebäugelt auch schon mit ­einem Studium", sagt Carlos Garau.