Auch nach über 23 Jahren Arbeit als Klinikclownin auf Mallorca kämpft Pilar Gimeno alias Zeladora Caragola mit den Tränen, als sie sich an einen krebskranken Jungen erinnert, den sie immer wieder auf der Intensivstation besucht hat: „Er war ganz verliebt in meine Spielzeug-Krake. Wenn man sie zusammengedrückt hat, hat sie ein Geräusch von sich gegeben. Damals sah es so aus, als hätte er die Krankheit besiegt €", sagt sie und hält kurz inne. „Einen Tag, nachdem wir seinen Geburtstag zusammen gefeiert haben und er wirklich glücklich war, kam ich in sein Zimmer und um ihn herum standen plötzlich alle möglichen Ärzte." Der Zustand des Jungen hatte sich drastisch verschlechtert. Um sich einen Kaffee zu holen, verließ die Mutter kurz den Raum. „Er wünschte sich, dass ich ihm das ,Nussschalen-Boot-Lied' vorsinge. Ich trällerte los und sah auf dem ­Kardiomonitor dann, dass sein Herz aufhörte, zu schlagen - noch während die Mutter weg war."

Pilar Gimeno ist eine von 19 Clowns, die für die nichtstaatliche Non-Profit-Organisa­tion (NGO) Sonrisa Médica in öffentlichen Krankenhäusern auf Mallorca und seit vergangenem Jahr auch auf Ibiza und Menorca Kinder besuchen, um ihnen einen Moment der Freude zu schenken. Sie finanziert sich durch Gelder der öffentlichen Hand, Teilhaber, Partner und eigene Gelder. Gegründet wurde die Vereinigung vor 25 Jahren von dem Mallorquiner Miguel Borrás. „Seine Tochter Laura war ­damals an Krebs erkrankt und stationär bei Spezialisten in einem Krankenhaus in Paris untergebracht. Eines Tages besuchten sie die dortigen Klinikclowns. Nur ihnen gelang es, das schwer kranke Mädchen zum Lachen zu bringen", sagt Pedro Montané, Sprecher von Sonrisa Médica. Doch Laura ging es immer schlechter. Daher empfahlen die Ärzte der ­Familie, die letzten Wochen mit ihr in ihrer Heimat Mallorca zu verbringen. „Wenn es dort keine Clowns gibt, bleib ich hier", soll das kranke Mädchen gesagt haben. Also zog ihr ­Vater los, sprach die bunten Darsteller in ­Palmas Fußgängerzonen an und suchte nach Sponsoren. Mit nur zwei Clowns startete er wenig später das Projekt, das spanienweit zu dem Zeitpunkt einzigartig war. „Einer von ihnen, Krankenpfleger Aspirino, ist heute noch im Team", sagt Montané. Laura starb, ihr Vater, ein professioneller Seemann, der zwischenzeitlich auch den Club Diario de Mallorca geleitet hat, ist vor zwei Jahren in Rente gegangen.

„Oft begleiten die Clowns die Kinder über einen langen Zeitraum und bauen eine starke Bindung zu ihnen auf. Daher ist es essenziell, dass wir ihnen ein Team aus Psychologen bieten, die ständig mit ihnen in Kontakt sind", sagt Montané, auch wenn nicht jeder Fall mit dem Tod enden würde.

Der vierjährige Mariano Santiago liegt mit einem weißen Laken halb zugedeckt auf einer Untersuchungsliege im Krankenhaus Son Llàtzer in Palma. Eine Krankenschwester dreht seinen Kopf von seinem ausgestreckten linken Arm weg. Eine zweite Kollegin hält den Arm fest, während eine dritte dort eine Vene ertastet, um ihm Blut abzunehmen. Auf der gegenüberliegenden Seite lächelt Marianos Mutter ihm zu und Clownin Zeladora Caragola streckt dem Jungen eine bewegliche Holzfigur entgegen, die an einer Stange hängt. „Blas mal", sagt ihr männlicher Clown-Kollege, Professor Sin Tesis, zu dem Kleinen. Das Holzmännchen turnt. „Qué campeón!" (Was für ein Held!), loben die Clowns den Jungen und überreichen ihm wenig später sein Mut-Diplom. Dass dem nierenkranken Jungen gerade Blut abgenommen wurde, hat er gar nicht mitbekommen.

Viele der Clowns sind ausgebildete Musiker oder Schauspieler und müssen zunächst ein Casting durchlaufen, um bei Sonrisa

Médica angestellt zu werden. „Ich musste damals allein etwas vorsingen und mit einem ­bereits für die NGO arbeitenden Clown inter­agieren. Schließlich sind wir immer im Zweier-Team unterwegs", erinnert sich Juancho ­Baltasar, der seit 2007 dabei ist. Nach dem erfolgreich bestandenen Casting durchlaufen die Clowns eine Kurz-Ausbildung. Damit sie die Kinder nicht erschrecken, lernen sie zum Beispiel, trotz Tollpatschigkeit stets relativ ­leise aufzutreten, die Mimik steht besonders im Vordergrund. Zum anderen werden sie dazu angehalten, ihre Augen und Münder nur ­dezent zu schminken. „Auch unsere Clowns­nasen sind viel kleiner als die von Zirkusclowns, die vom Publikum aus weiter Ferne als solche erkennbar sein sollen", sagt Baltasar. Nach einigen theoretischen Stunden über die Ziele der Organisation, die zu besuchenden Krankenhäuser, über typische Krankheitsbilder der Kleinen und welche Phasen sie durchlaufen, schickt Sonrisa Médica den neuen Kollegen mit zwei bereits erfahrenen Klinikclowns los. „Dass sie uns langsam an die Arbeit heranführen, ist gut und notwendig. Ich erinnere mich, dass ich anfangs mit einem sehr mulmigen Gefühl auf die Frühgeborenen-Station gegangen bin", sagt Baltasar. „Die kleinen Wesen kamen mir so zerbrechlich vor. Ich dachte, sie sterben, wenn ich etwas vorsinge", so der 50-Jährige.

Auch wenn der Klinikalltag oft hart ist - die vielen offenen Münder, großen Augen und fast immer positiven Reaktionen der Kinder motivieren Gimeno und Baltasar jede Woche aufs Neue, weiterzumachen. „Dass wir ihnen durch das Clownsein die nötige Ruhe geben können, die sie brauchen, gefällt mir persönlich am besten", sagt Gimeno. Die Clowns besuchen die Kinder auch dann, wenn sie keine Untersuchung haben. Sonst würde das Konzept sehr wahrscheinlich nicht funktionieren, da die Kinder mit ihnen nur Schmerzen und Unangenehmes in Verbindung bringen würden. ­Bevor sie ihre morgendliche Runde antreten, informieren sich die Clowns am Empfang der Abteilung über den aktuellen Zustand der ­Kinder. So wissen sie, welche Körperteile der Kleinen sie besser nicht berühren sollten, und können den Auftritt genau an sie anpassen. Bei manchen müssen sie auch mal um deren ­Aufmerksamkeit kämpfen.

Auf seine baldige Entlassung wartet auf der Kinderstation der zehnjährige Daniel ­Darder, der am Tablet ein Videospiel spielt, während er seine Bronchitis auskuriert. Als Professor Sin Tesis sein Krankenzimmer ­betritt, zockt Daniel erst wenig beeindruckt weiter. Selbst als der Clown-Professor seine Zaubertücher auspackt, hat der Junge die ­Augen eher in Richtung Tablet gerichtet. Er hustet. Professor Sin Tesis wirft einen Blick auf den Bildschirm des Tablets. Dabei fällt ihm der niedrige Batteriestand auf. „Du bist in deinem Bett hier so verkabelt", sagt er zu dem Jungen, der an verschiedene Geräte angeschlossen ist. „Und ausgerechnet das wichtigste Kabel (das Ladekabel) fehlt? Gibt's ja nicht." Damit hat er Daniel gewonnen. Er schaut vom Display ­seines Tablets auf und grinst.

Sonrisa Médica: C/. Andrea Doria, 42 bajos, 07014 Palma de Mallorca, Tel: 971-28 41 06, Hier können Sie spenden: www.sonrisamedica.org