Ein fast freier Blick vom Meer aus auf die Mühlen von Es Jonquet in Palma de Mallorca. Nur eine Handvoll Fischerboote liegt angekettet im Hafen. Die Playa de Palma ist noch menschenleer und weitgehend unbebaut, mit ihren Dünen gleicht sie dem heutigen Es Trenc. In Magaluf zählt man nur mit Mühe einige Badegäste. Fast verlassen wirkt das Hotel Atlantic im Hintergrund.

Wer wissen will, wie Mallorca vor dem Tourismusboom in den 60er-Jahren ausgesehen hat, kann sich im digitalen Archiv der Balearen-Universität (UIB) seit Kurzem durch eine rund 5.000 Exemplare zählende digitalisierte Postkartensammlung klicken, die „Fons Vicenç Rotger Buïls de targetes postals". Sie stammt von der Familie des im Jahr 2014 verstorbenen Unternehmers Vicenç Rotger i Buïls. Der Vertriebsspezialist lebte zwar einen Großteil seines Lebens auf Mallorca, wurde aber auf Menorca geboren. Daher befinden sich unter den größtenteils Schwarz-Weiß-Postkarten, die er in den 50er- bis 70er-Jahren in seinem Familienbetrieb drucken und verteilen ließ, auch einige Motive von der Nachbarinsel.

Geordnet, katalogisiert und digitalisiert hat die Postkarten Joan Font, Archivar der UIB. Er hat die Sammlung unterteilt in zwölf Ordner wie „Bucht von Alcúdia", „Bucht von Palma de Mallorca-Andratx", „Folklore", „Inselinneres", „Llevant", „Palma de Mallorca-Stadt", „Serra de Tramuntana" oder „Süden". Die meisten Karten stammen aus den 50er- und 60er-Jahren. „Auf viele war keine Jahreszahl gedruckt, da dies damals eher unüblich war. Daher habe ich zumindest versucht, eine ungefähre Jahreszahl anzugeben. Auf anderen wiederum fehlte der Aufnahmeort", sagt Font. In einigen Fällen musste er länger recherchieren, in anderen half ihm die Technik. „Als ich die Karten in sehr hoher Auflösung digitalisiert hatte, konnte ich in der Ansicht am Computer Namen von Restaurants oder Lokalen entziffern, mit denen ich dann weiterarbeiten konnte", so der Mallorquiner.

Immer wieder überraschten den 60 Jahre alten Archivar einzelne Aufnahmen. „Ich konnte kaum glauben, wie wenige Autos damals im Zentrum von Palma de Mallorca unterwegs waren", so Font. „Auch auf der Straße, die zum Cap Formentor führt, ist auf einer Aufnahme nur ein einziges Auto zu sehen. Ich vermute, es war das des Fotografen." Auffällig auch, wie sehr die Urlauber damals noch mit spanischen Klischees bedient wurden, etwa Motiven mit Flamenco tanzenden Frauen. „Dabei spielt Flamenco hier doch gar keine große Rolle!"

Neben Bildern von Palma de Mallorca, die etwa ein Fünftel der Sammlung ausmachen, tauchten immer wieder auch Hotel-Serien auf. „Die Karten wurden eigens für die Hotels angefertigt, damit deren Kunden ihren Verwandten und Freunden stolz zeigen konnten, wo sie untergebracht sind", sagt Font.

Mit der Spende, die vertraglich schon vor vier Jahren festgehalten wurde, hat die Familie Rotger der UIB auch die Rechte an den Karten übertragen. „Wenn jemand ein Motiv in höherer Auflösung haben möchte, sich ausweist und bei einer Veröffentlichung die Herkunft angibt, stellen wir es ihm zur Verfügung.

Verkaufen werden wir keine einzige Karte", sagt Font. Schon in der ersten Woche der Veröffentlichung sei die digitale Sammlung auf sehr großes Interesse gestoßen. „Über 1.000 Menschen haben sich durch die Ordner geklickt", sagt Font.

http://arxiu-historic.uib.cat/index.php/fons-vicenc-rotger-buils-de-postals