Als Au-pair in ferne Länder reisen, sich um die Kinder einer Gastfamilie kümmern und seine eigenen Sprachkenntnisse verbessern. Tausende Jugendliche aus Deutschland und aller Welt sammeln so ihre ersten langfristigen Erfahrungen im Ausland. Was ist aber, wenn der Au-pair kein Jugendlicher ist, sondern eine Frau über 50 Jahren, die jede Menge Erfahrungen mit sich bringt? Auch das geht!

Für solche Fälle hat Michaela Hansen aus Hamburg ihre Agentur „Granny Aupair" gegründet. Seit 2010 hat sie schon mehrere Tausend Frauen in 50 verschiedene Länder geschickt, gut ein Dutzend bisher auch nach Mallorca. Michaela Hansen möchte Frauen die Chance geben, Erfahrungen im Ausland zu sammeln, die ihnen in jungen Jahren aufgrund von Familienplanung nicht möglich waren. Die Lebenserfahrung der Frauen sei wiederum ein großer Vorteil für die Familien. Laut der Gründerin hat ihr Projekt einen Nerv getroffen. Die Leute bekämen immer später Kinder, und die eigenen Großeltern seien für die Kinderbetreuung vielleicht zu alt. Andererseits hätten viele fitte Senioren noch keine Enkel. So wie Marita Heß aus München. Die 61-Jährige hat zwei Töchter, bislang aber keine Enkel. Seit Juni kümmert sie sich um die beiden Schwestern Matilda (6) und Lisa (3) einer deutschen Familie im Südosten der Insel.

„Es ist ein Abenteuer, auf das man sich einfach einlassen muss", beschreibt Marita Heß ihr Leben als Leihoma. Sie flog noch vor ihrem Einsatz nach Mallorca und traf die Familien persönlich, die sie sich mithilfe der Agentur herausgesucht hatte. Bei der Familie, für die sie sich letztendlich entschied, fühlte sie sich von Anfang an wohl. Sie bekommt ein Auto und ein monatliches Taschengeld zur Verfügung gestellt. Das ist aber die Ausnahme, so Heß. Normalerweise sei die Arbeit als Granny Au-pair unentgeltlich. Auf die Agentur ist Heß über eine TV-Reportage gestoßen. Erst vergangenes Jahr hatte sie nach einem Burn-out ihre beiden Physiotherapiezentren in München verkauft. „Ich habe immer nur gearbeitet." Sie meldete sich bei der Agentur kostenpflichtig an (60 Euro Monatsbeitrag).

Die beiden Mädchen, um die sie sich kümmert, nennen sie liebevoll Omi. Morgens fährt sie die Kinder zum Schulbus oder in den Ferien zum Sport. Nachmittags ist sie für Matilda und Lisa da, manchmal kochen sie auch zusammen. Danach wird Uno gespielt. Im Bett liest sie ihnen noch etwas auf Spanisch vor, obwohl sie die Sprache kaum spricht. So lerne sie noch nebenbei Vokabeln, und die Kinder helfen ihr bei der Aussprache. Am Wochenende machen sie Ausflüge ans Meer, oder es wird im Pool geplanscht. „Man darf nicht davon ausgehen, dass die Kinder so erzogen sind wie die eigenen", sagt Heß. Man müsse die Wertvorstellungen der Eltern respektieren und sich auf andere Gewohnheiten einlassen - könne aber gleichzeitig eigene Erfahrungen einfließen lassen.

Eltern von Schulkameraden der Mädchen finden die Idee einer Leihoma toll. „Es heißt, junge Au-pairs seien häufig nur ein zusätzliches Kind in der Familie." Außerdem sei sie immer da und gehe abends nicht feiern. Marita Heß will noch mindestens anderthalb Jahre bleiben. „Die Kinder wachsen einem sehr ans Herz. Ich möchte ihnen noch sehr viel beibringen." Sie kann sich auch vorstellen, dass dies nicht ihr letzter Einsatz als Leihoma sein wird. Laut Michaela Hansen wollen 40 Prozent der vermittelten Frauen in eine neue Familie, wenn das Engagement endet.