Die erste Düne ist immer in Bewegung. Das ist im Sommer auf Mallorca so, aber auch im Winter, wenn die Stürme das Meer aufwühlen. „Wenn sich die Wellen am Ufer brechen und Wasser und Sand durcheinanderwirbeln, wirkt das in etwa so wie die Trommel einer Waschmaschine", sagt Carles Cardona. Der Mitarbeiter der Naturschutzbehörde Ibanat weiß, wovon er redet: Er ist für die Pflanzen verantwortlich, die für die Aufforstung der Dünen benötigt werden. Die Samen für die Strandpflanzen sind bereits ausgesät, derzeit müssen sie in kleinen Töpfchen den Sommer in den Gewächshäusern der öffentlichen Finca Es Menut bei Escorca mit viel Wasser überstehen.

„Zum Schutz vor Erosion spielt jede dieser Spezies in den Dünen an den Naturstränden eine wichtige Rolle", sagt Cardona. Ab November werden die Pionierpflanzen an den Stränden von Es Trenc, Ses Covetes und Sa Ràpita ausgepflanzt werden. Wenn auf den insgesamt 4.000 Quadratmeter großen kahlen Stellen, die vom Abriss der Chiringuitos verursacht worden sind, wieder Stauden und Sträucher wachsen, kann sich der Strand wieder zu einem geschlossenen Ökosystem entwickeln.

Der Sand

Der Sand im Mittelmeer wird durch Flüsse angeschwemmt, so heißt es zumindest. „Das trifft etwa auf Sardinien zu", sagt Cardona. Da es auf den Balearen aber keine Flüsse gibt, setze sich der Sand hier aus ehemaligen Kleinstlebewesen zusammen, Foraminiferen genannt. Das sind meist Einzeller, aber auch Schnecken oder Muscheln, die über die Jahrmillionen von den sich an Land brechenden Wellen zerschmettert worden sind. Sie haften auch am Seegras und werden mit den Blättern angeschwemmt.

Das Poseidongras

Das endemische Seegras (Posidonia oceanica), spielt eine wichtige Rolle beim Schutz der Dünen. Einer riesigen Weide gleich bedeckt es in bis zu 40 Metern Tiefe rund um die Balearen vielerorts den Meeresboden. Jeden Herbst wirft die Pflanze, sich durch Rhizome sowie Blüten und Früchte vermehrt, diejenigen Blätter ab, die zu schwach sind, um Photosynthese zu erzeugen. Manche bleiben am Meeresboden liegen, andere schleudert der Wirbel zwischen Wellen und Sand an das Ufer der Strände.

Dort stapelt sich dann das Poseidongras und erschwert den Urlaubern den Zugang zum Meer. „Deshalb gibt gerade in Sa Ràpita richtig Ärger", sagt der Biologe. Auf Menorca hätte man einen Kompromiss gefunden und das Seegras den Sommer über an einem anderen Ort aufbewahrt, um es vor dem Beginn der Herbstgewitter wieder am Strand aufzuschütten. Wenn diese natürliche Barriere den Sand direkt am Meer im Winter nicht schützt, verschwindet der Sand, das Meer gewinnt an Land.

Vegetation an erster Front

Weil die direkt ans Meer angrenzenden Dünen immer in Bewegung sind, können hier nur kleinwüchsige Arten im Sand Wurzeln schlagen. In diesem Bereich beginnt meist der Dünenschutz mittels Absperrungen: Holzpfosten und Seile. Dies ist das Habitat des Kali-Salzkrauts (Salsola kali bot., barrilla pinchosa span., salat kat.) oder des Europäische Meersenfs (Cakile maritima bot., rucamar span., rave de mar kat.), der sogar auf den sich zersetzenden Poseidonblättern aussamt, keimt und wurzelt. Cardona, der seine Doktorarbeit über die Salzverträglichkeit von Pflanzkeimen verfasst hat, erklärt, dass es sich bei diesen Gewächsen um Süßwasserpflanzen handelt. Jeder Regentropfen, der auf den Sand fällt, reinigt die Körner und hilft den Pflanzen beim Überleben.

Pioniere als Sandsammler

Wenn die Gewächse der ersten Düne mit ihren Wurzeln den Sand festhalten, haben die Pflanzen in der zweiten Zone eine Chance zum Wachsen. Hier leben in enger Symbiose die Strand-Quecke (Elymus farctus) und der Gewöhnliche Strandhafer (Ammophila arenaria bot., barrón span., borró kat.).

Diese beiden Stauden haben für die Dünen eine wichtige Funktion: Sie stoppen den Sand, den der Wind zu ihnen weht. Er kumuliert sich an den Blättern. So entsteht ein Substrat von beträchtlicher Tiefe, das lange Wurzeln ermöglicht und den Stauden deshalb die Chance gibt, gut einen Meter Höhe zu erreichen. Wie bei vielen Mitgliedern der Pflanzenfamilie der Süßgräser trägt der Wind ihre federleichten Samen dann zu neuen Keimplätzen.

Die Zone vor dem Wald

Zwischen den Grasstauden und dem von Nadelgehölz bewachsenen Zonen am Ende der Dünen breiten sich auf dem stabilen Sanduntergrund Sommerblüher aus: etwa die Dünen-Trichternarzisse (Pancratium maritimum bot., azucena marina span., lliri d'arenal kat.), die zu den vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten zählt. Diese Zwiebelpflanze bildet nachmittags spektakuläre weiße Blüten, die von Nachtfaltern bestäubt werden. Ihre Samen sind oval und sehen wie kleine Kohlestücke aus.

Häufig vertreten ist der Gelbe Hornmohn (Glauciium flavum bot., amapola marina span., carxofera de prat kat.) mit graublauen Blättern. Die Sanddünen haben auch eine Gamanderart zu bieten, das Teucrium dunense, das auf den Balearen nur auf Mallorca vorkommt. Allen diesen Gewächsen ist gemeinsam, dass es ihnen nichts ausmacht, zeitweise komplett vom Sand verschüttet zu werden.

Bewaldete Zone

Den Abschluss der Dünen bildet immergrüner Wald. An dessen Rand wächst der Phönizische Wacholder (Juniperus phoenicea bot., sabina span., savina kat.), sein Bestand gilt derzeit noch nicht als akut gefährdet. Die zwei bis sechs Meter hohen Sträucher wachsen oft von Stürmen niedergedrückt dicht am Boden. Ihnen folgten die Aleppo-Kiefer (Pinus halepensis bot., pino carrasco span., pi blanc kat.). Sie können, wie beispielsweise in der Cala Mesquida, ein zusammenhängendes Forstgebiet bilden.

Fünf vor Zwölf

„Die Buchten von Palma und Pollença sind zugebaut, die von Alcúdia zum Teil", sagt Cardona. Erfolgreich geschützt worden sind bereits einige Sandstrände: die Cala Mesquida, die Cala Agulla oder Strandabschnitte wie Sa Canova (Son Serra) und Es Comú (Playa de Muro). Sollten diese Schutzprojekte einmal eingestellt und die Rettung des einzigen noch zusammenhängenden Dünensystem Mallorcas, Es Trenc, misslingen, besteht laut Cardona die Gefahr, dass die letzten Naturstrände Mallorcas im Meer versinken. Der durch den Klimawandel steigende Meeresspiegel dürfte dann ein Übriges tun.