Egal ob am Strand auf Mallorca oder an der deutschen Ostsee - wir Menschen gucken gerne aufs Meer. Viele malen es auch. Aber das ist gar nicht so einfach. „Es gibt immer etwas Neues. Jedes Bild ist anders. Andere Bewegungen, andere Gefühle", sagt Marieke Tollenaere. Die belgische Künstlerin, die seit 2003 auf Mallorca lebt, hat sich vorgenommen, 100 Wellen zu malen. 2014 hat sie damit begonnen, 85 hat sie schon. Derzeit arbeitet sie an einer niedrigen Welle vom Es-Trenc-Strand. Von jedem verkauften Bild spendet sie einen Anteil des Erlöses an die Meeresschutzorganisation „Save the Med".

„Wir brauchen nur eine Horizontlinie und Blau, um das Meer als Meer zu erkennen. Es ist die Einfachheit, die uns anzieht", sagt Insa Hoffmann, freischaffende Künstlerin in Kandern (Baden-Württemberg) und regelmäßige Mallorca-Besucherin. Das Meer habe eine therapeutische Wirkung. „Der Blick in die Weite ist unschlagbar", sagt die Bremerin, die in ihrer Kindheit viel Zeit an der Ostsee verbrachte. Die gerade Horizontlinie sowie die rhythmischen Geräusche und Bewegungen sorgten für Ruhe und Stabilität und ließen uns entspannen. Deshalb seien Meerbilder auch so beliebt.

In Hoffmanns Malworkshops lernen Kunstbegeisterte, das Meer zu malen. Auch Marieke Tollenaere eignete sich ihre Kenntnisse mit der Zeit durch Übung an. Die studierte Inneneinrichterin ist an der flämischen Küste aufgewachsen und segelt schon seit ihrer Kindheit. Nach einer Atlantik-Überquerung 1998 arbeitete sie fünf Jahre lang als Schiffs­köchin. „Das Meer ist auch deswegen ein so schwieriges Motiv, weil es tranparent ist. Es hat keine harte Oberfläche", sagt sie. Die Verbesserung ihrer Bilder sei ihr Ansporn. „Meine Wellen werden immer detailreicher. Man lernt, mehr zu sehen."

Das sei auch der Schlüssel, um ein möglichst naturgetreues Gemälde zu schaffen. Man müsse das Meer beobachten und es kennenlernen, um Wassertiefe, Reflektionen und Schatten bis ins Detail realistisch abbilden zu können. Vor allem bei der Darstellung der Bewegungen des Wassers gelte es, genau hinzuschauen. Vieles hinge vom Wind ab. Bei stürmischer See könnte man Fehler besser verstecken. „Bei ruhiger See ruiniert ein falscher Pinselstrich alles", sagt Tollenaere. Allerdings sei es deutlich zeitaufwendiger, die unruhige See zu malen: Die vielen Hell- und Dunkelwechsel müssen verblendet werden. Auch dürfe man nicht vergessen, die Farben von Himmel und Meer anzupassen. „Du kannst das Meer nicht in einem hellen Blau malen, und am Himmel sind dunkle Wolken. Das gibt es nicht. Wenn dunkle Wolken aufziehen, ist das Meer grau."

Die Belgierin malt am liebsten in ihrem Atelier in Puigpunyent. Am Strand habe sie ihre Staffelei noch nie aufgebaut, da es dort zu warm sei und man durch das helle Licht und die glänzenden Farben geblendet würde. Tollenaere malt manchmal nur aus ihrer Vorstellungskraft heraus. „Da ich so viel Zeit auf dem Meer verbracht habe, habe ich sehr viele Bilder in meinem Kopf. Vieles passiert intuitiv", sagt sie. Vor allem verwendet sie aber Fotos, die sie häufig selbst am Strand macht.

Wer Fotos nutzt ,solle auf hohe Auflösung und Detailreichtum achten, rät Insa Hoffmann ihren Kursteilnehmern. Wer hingegen die sogenannte „Plain-Air-Malerei" vorziehe, also im Freien und direkt am Meer male, müsse sich gut vorbereiten. Bei Acrylfarben solle man Wasser einpacken, um die Palette immer wieder befeuchten zu können, damit die Farben nicht austrocknen. Zudem empfehle sich ein schattiges Plätzchen am Strand. Ansonsten könne man sich ja auch einen Skizzenblock einpacken, um unterwegs Vorzeichnungen zu machen.

Einmal sollte Tollenaere für einen Kunden ein Schiff malen. „Das Schwierige war, das ich nur ein Foto von dem Boot, nicht aber von dem Meer hatte", erzählt sie. „Ich schaute mir also Bilder von vielen ähnlichen Booten an, um zu sehen, wie das Meer sie umringt. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Bild, bei dem man denkt, dass die Details nicht zusammenpassen." Ihr Mann, der Kapitän ist, sei eine gute Unterstützung gewesen. „Am Anfang malte ich die Wellen zu kurz, und er sagte, es sähe aus, als würde das Boot auf einem See fahren. Darauf hatte ich gar nicht geachtet. Es ist sehr hilfreich, jemanden zu haben, der das Meer gut kennt."

Wobei das Meer stets auch Raum zur Interpretation lasse. „Durch die Lichtverhältnisse, die Farbe des Meeres und die Wellenbewegungen kann ich eine bestimmte Stimmung

schaffen", sagt Marieke Tollenaere. Und Insa Hoffmann rät: „Man sollte immer nur das malen, was einen emotional anspricht. Das Meer berührt uns ganz tief."

Herausforderung in fünf Schritten

Es gibt eine große Bandbreite an Vorgehensweisen, um das Meer zu malen. Welchen Stil man wählt, ist laut Insa Hoffmann eine Frage der Kenntnisse. Für die realistische Malerei mit deckenden Farben wie Öl oder Acryl hat die Künstlerin den Malprozess in fünf Schritte aufgeteilt.

Tönen der Leinwand

Die weiße Leinwand muss laut Hoffmann zunächst mit einem Farbton, der dem Meer gegenüberliegt, bestrichen werden. Bei deckenden Farben malt man immer vom Dunklen ins Helle. Sie empfiehlt die Farbtöne Sienna-

Gebräunt oder Ocker.

Die Komposition

Nun kommt die Vorzeichnung. Dieser Schritt wird von vielen Anfängern übersprungen. Das führt später zu Fehlentscheidungen. Mit Pinsel oder Kohle legt man fest, wo sich was im Bild befindet, und schafft so interessantere Kompositionen. Ganz am Anfang muss man entscheiden, wo der Horizont liegt.

Die Dunkelheiten im Bild

Der Wechsel zwischen hellen und dunklen Farbtönen ist laut Hoffmann essenziell wichtig für die Tiefenwirkung. Für die erste Fest­legung der Dunkelheiten im Bild reicht zunächst ein Farbton, den man mit einem großen Pinsel aufträgt. Hierbei macht es auch einen Unterschied, ob man ruhiges oder bewegtes Meer malt. Bei bewegtem Meer gibt es einen größeren Formenreichtum, das heißt auch mehr Wechsel zwischen Hell und Dunkel. Das glatte Meer ist minimalistischer. Hierbei muss besonders auf den Farbauftrag geachtet werden. „Die Art der Malerei muss den Betrachter anziehen", erklärt die Künstlerin.

Farben mischen

Neben Hell und Dunkel sind auch die Farb­variationen entscheidend dafür, dass das gemalte Meer an Raum und Volumen gewinnt. Deshalb ist es wichtig, niemals einen Farbton direkt aus der Tube zu nehmen, sondern sich immer eigene Töne anzumischen. Alle freien Flächen werden nun mit einer Schicht Farbe abgedeckt. Dabei gibt der Abstand der Wellen Orientierung im Raum, der sich am Horizont zusammenstaucht. Im Vordergrund sind wenige Wellen mit großem Abstand, und je weiter man in den Hintergrund wandert, werden die Abstände kleiner. „Man möchte den

Betrachter durch Zickzacklinien durch das Bild führen. Das Auge soll von Welle zu Welle springen", erklärt Hoffmann. Außerdem werden die Farben Richtung Horizont blasser. Bei dem Wasserfarbton muss man auch den Grund beachten. Möchte man ein Meer am Sandstrand malen, sollte man im vorderen Bereich ein Türkis wählen. Ist es ein Steinstrand, ist Moosgrün die richtige Farbe.

Die Feinheiten

Im letzten Schritt fügt man noch mehr Farbnuancen hinzu. Jetzt müsse man genauer hinschauen, sagt Insa Hoffmann. Die Wellentäler müssen ausgearbeitet werden, indem der Pinsel rhythmisch und schwungvoll bewegt wird. Durch diese lockere Pinselschrift wird die Lockerheit und Bewegung des Wassers dargestellt. Auch hier gilt es, immer von Dunkel zu Hell zu malen, sodass die Rundheit und die Bewegung der Welle zum Ausdruck kommt. Die Gischt stellen viele fälschlicherweise mit Tupfen dar. Dadurch wirkt sie aber eher wie Wattebausche. Besser ist es, einen breiten Spachtel zu verwenden, mit dem man fast ohne Kontakt über die Leinwand in die Richtung, in die die Gischt vom Wind vertrieben wird, huscht.