„Der Oleander zählt zu den wichtigsten Symbolen für das Mediterrane", sagt Wilhelm Hufnagl. Um den österreichischen Experten kommt man bei diesem Thema nicht herum. Ausgerechnet im winzigen Dorf Rax im Burgenland treffen sich in seinem Oleander-Haus die Freunde der Pflanze. Über hundert Exemplare wachsen dort in Kübeln.

Begonnen habe die Liebe der Mitteleuropäer zu dieser Pflanze, so Hufnagl, in den 60er- Jahren, als Urlauber von ihren ersten Reisen in den Süden Stecklinge mitbrachten. „Rund um das Mittelmeer ist die Pflanze allgegenwärtig, deshalb ist dort ihre Wertschätzung gering", meint Hufnagl. Der 81-Jährige beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Oleander (Nerium oleander bot., adelfa span., baladre kat).

„Es gibt kaum eine andere Pflanze, die für das Inselklima besser geeignet ist und mit so wenig Wasser und Pflege auskommt", sagt Gartenarchitekt Mark Whiting aus Sant Llorenç de Cardassar, wenn seine Kunden befürchten, dass der Oleander in ihrem Garten ihnen das Gefühl geben könnte, auf der Autobahn zu leben. Dagegen helfe immer gutes Design, sagt Whiting. Im Übrigen zählt die Pflanze zu den Immergrünen, sie blüht im Süden von Mai bis Oktober, und es kann bis zu einer Woche dauern, bis die Blüten verwelken.

Bittere Blätter

Alle Pflanzenteile des Oleanders sind giftig. Nicht nur in Spanien grassiert die Geschichte,, dass napoleonische Soldaten starben, nachdem sie Fleisch gegessen hatten, das auf Oleanderspießen gebraten worden war. Seither sagt man über die Pflanze la que mata más que un ejército (die, die mehr als eine Armee umbringen kann). Es wird davor gewarnt, sie in der Nähe von Spielplätzen zu pflanzen,

Welpen sollen von Blättern vergiftet worden sein. Doch viel mehr gesicherte Informationen, als dass die Blätter allergische Reaktionen auslösen können, gibt es nicht.

Weil alle Pflanzenteile bitter schmecken, verschmähen Schafe und Haustiere sie. Sogar die Wildziegen, die während der Hitze auf der Suche nach derzeit spärlichem Essbaren sind, machen um diese Staude einen großen Bogen.

Nicht so die Oleander-Blattlaus (Aphis nerii). Erfahrene Landwirte auf der Insel wissen, dass sie Nutzpflanzen in der Nähe nicht befällt, aber dafür Fressfeinde anzieht, wie beispielsweise den Marienkäfer oder die Florfliege (Chrysopidae) sowie parasitäre Wespenarten. Deshalb hielt man den anspruchslosen Oleander manchmal als einzige Zierpflanze der Finca.

Bestäubung

Es gibt noch mehr wilde Geschichten über den Oleander: Die Blüten wären giftig und töteten Bienen. „Nichts davon ist wahr", sagt Hufnagl. Die Pollen lägen tief unten am Blütenboden und wären von einer klebrigen Masse eingehüllt. Nur kräftige, meist nachtaktive Falter wie das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellataru) könnten mit ihren langen Rüsseln den Blütenboden erreichen. „Durch den seltenen Insektenbesuch kommt es nur bei zwanzig Prozent der Blüten zur Fruchtbildung", sagt der Botaniker Joshua Borras von der UIB. Jede von ihnen produziere mehrere Hundert Samen. Diese sind flugfähig und können sich ohne Weiteres auf dem Wasser fortbewegen. So sind sie in der Lage, in großer Distanz zur Mutterpflanze zu keimen. In den USA gilt die Pflanze mittlerweile als invasiv.

Schnitt und Pflege

Die Form des Oleanders bestimmt der Schnitt, den Gärtner im Januar und Februar ausführen. Er sollte nicht zu radikal ausfallen, jährliches sanftes Stutzen ist bekömmlicher. Vernachlässigt man dies, verwildert die Pflanze. Sie kann als mittelgroßer Baum mit Stamm und Krone wachsen oder aber rund als solitärer Busch. Wachsen die Büsche in Serie als Hecke, sind sie ein idealer Lärm- und Sichtschutz, wie sich auf den Autobahnen zeigt. Die Stauden benötigen nur zum Anwachsen viel Feuchtigkeit, später gießt man sie im Garten einmal pro Woche. Die Gärtnereien vermehren den Oleander mit Stecklingen.

Geschichte

Der Europäische Oleander zählt, laut Hufnagl, zu den ältesten Blühpflanzen der Erde. Seiner Meinung nach begann die Evolution rosablühender Sorten dort, wo heute das Mittelmeer liegt. Erst nachdem sich die Pflanze mit Exemplaren aus dem indischen Raum kreuzte, sollen neue Blütenfarben und -formen sowie Düfte entstanden sein. „Während meinen Recherchen ist mir die adelfa erstmals auf römischen Fresken begegnet", sagt die mallorquinische Historikerin Júlia Ramon. Knapp zwei Jahrtausende später wählten die Bewohner von Hiroshima 1973 den Oleander zur „City Flower" weil es die erste Pflanze gewesen war, die nach der verheerenden Zerstörung durch die US-Atombombe wieder Blüten gezeigt hat.