Béa Johnson gilt als Pionierin des „Zero Waste Lifestyle", des „müllfreien Lebensstils". Schon seit 2008 setzt die Französin ihn mit ihrem Mann Scott und ihren beiden Söhnen in ihrer neuen Heimat Kalifornien um. Ihr Buch „Zero Waste Home" ist in 25 Sprachen übersetzt worden (auf Deutsch: „Glücklich leben ohne Müll!", Verlag Ludwig, 19,90 Euro). Johnson hält darüber weltweit Vorträge. Am 20. November ist sie im Rahmen der Europäischen Woche der Abfallvermeidung im Trui Teatre in Palma de Mallorca zu Gast (19.30 Uhr, Karten für 17 Euro unter https://tickets.janto.es/truiteatre/public/janto/main.php?Nivel=Evento&idEvento=38156).

Frau Johnson, gibt es in Ihrem Haushalt tatsächlich keinen einzigen Mülleimer?

Nein. Unser ganzer Müll passt in ein einziges Glas. Es ist eine gute Methode, um sich jeden Tag vor Augen zu halten, was wir wegwerfen. Eigentlich schaffen wir es zusammen auf ein kleines Glas pro Jahr. Da wir jedoch erst umgezogen sind, haben wir gerade ein etwas größeres. Darin ist zum Beispiel ein Aufkleber, der vom Obst aus dem Supermarkt stammt, oder das Etikett eines Kleidungsstücks.

Sie sprechen von den fünf „R-Prinzipien". Was hat es damit auf sich?

Gemeint sind damit die Grundsätze refuse (ablehnen, Anm.?d.?Red.), reduce (reduzieren), reuse (wiederverwenden), recycle (wiederverwerten), rot (kompostieren) - und zwar immer in genau dieser Reihenfolge! Am Anfang war in den Vereinigten Staaten nur Recycling ein ­großes Thema. Menschen wurden dazu angehalten, Dinge wiederzuverwerten. Sachen wiederzuverwenden oder zu reduzieren, kam hingegen völlig zu kurz. Als ich versucht habe, alle drei Prinzipien in meinen Lebensstil zu integrieren, wurde mir bewusst, dass zwei weitere fehlen. Also habe ich refuse und rot hinzugefügt. Wer sich von Anfang an zwei Mal überlegt, ob er Dinge, etwa Geschenke von Freunden, annimmt, hat am Ende weniger ­Gegenstände in seinem Haus, die er wiederverwerten oder wegschmeißen muss. Es ist ein sehr wichtiger erster Schritt. Der letzte ebenfalls: Mittlerweile leben mehr Menschen nach dem Zero-Waste-Stil. Daher gibt es heutzutage sehr viele verschiedene gute Kompostsysteme zu kaufen.

In welchen Situationen können selbst Sie ­Ihren Prinzipien einmal nicht treu sein?

Einmal ist kurz vor meinem Abflug zu einem Vortrag mein Computer kaputtgegangen. Alle meine Daten waren darauf. Meine erste Reaktion war: Ich versuche, ihn reparieren zu lassen. Ich bin zu einem Laden gegangen und habe nachgefragt. Dort sagte mir man, dass das so schnell nicht gehe und das Gerät schon so alt sei, dass es nicht mehr lange durchhalten würde. Dann bin ich die fünf „R" durchgegangen. Mein Fazit: Ich brauche einen Computer, aber nur einen, ein Secondhand-Gerät ist nicht parat, also muss ich einen neuen kaufen. Ich habe dann einen

in einer wiederverwendbaren Verpackung genommen und die direkt im Laden gelassen. Falls der Computer kaputtgeht, würde ich immer wieder versuchen, ihn zuerst reparieren zu lassen.

2008 war es noch nicht so weit her mit dem Bewusstsein, dass wir Müll und Plastik drastisch reduzieren müssen. Wie haben Sie und andere diese Bewegung ins Leben gerufen?

Ich musste erst einmal gegen allerhand Irrglauben ankämpfen. Dadurch, dass ich die Probleme, aber eben auch die Lösungen immer sehr transparent aufgezeigt habe, konnte ich viele Menschen überzeugen. Als ich begann, den müllfreien Lebensstil zu propagieren, dachten viele, sie müssten wie Hippies ­leben, dabei stimmt das gar nicht. Ich konnte auch zeigen, dass der Zero-Waste-Lifestyle nicht mehr Zeit kostet und einen nicht teurer zu stehen kommt, sondern sogar billiger.

Im Fokus steht heute vor allem die Plastikvermeidung. Aber ist Plastik nicht oftmals die bessere Alternative, zum Beispiel im Falle von einer einzigen Plastiktüte statt zehn Papiertüten?

Am besten wäre es, gar keine von beiden zu haben, denn man braucht sie wirklich nicht. Ich ermutige Menschen daher nicht, von Plastiktüten auf Papiertüten umzusteigen, sondern von vornherein wiederverwendbare Materialien zu nutzen. Es macht keinen Sinn, Bäume zu fällen und Energie zu verschwenden, nur um Papiertüten herzustellen, wenn es wiederverwendbare Alternativen gibt.

Mittlerweile werben auch immer mehr Unternehmen damit, dass sie Plastik reduzieren. Manch eines gibt sich damit einen „grünen" Anstrich, obwohl es ansonsten in anderer Hinsicht sehr wenig nachhaltig ist. Wie sollen wir damit umgehen?

Ihr Ziel ist es, Geld zu verdienen. Ich setze bei den Konsumenten an. Die Veränderung liegt in ihrer Hand. Das heißt auch: Wir sollten nicht darauf warten, dass sich auf der Unternehmensseite etwas ändert. Wann immer wir etwas kaufen, können wir uns für oder gegen einen nachhaltigen Lebensstil entscheiden. Kaufen wir keine oder kaum mehr in Plastik verpackte Produkte, bieten die Hersteller ­irgendwann auch keine mehr an.

Um zu Ihren weltweiten Vorträgen zu kommen, müssen Sie auch fliegen. Wie steht es um Ihren ökologischen Fußabdruck?

Die Frage mit dem Fliegen höre ich immer nur von Europäern. In Europa gibt es gute Verbindungen, und alles liegt sehr nah beieinander. Natürlich fliege ich, um meine Arbeit machen zu können, um die Welt. Selbstverständlich komme ich auch nach Mallorca von Amerika aus nicht mit dem Boot. Leider machen sich viele Menschen keine Gedanken darüber, welche positiven Folgen mein Flug haben kann. Ein Beispiel: Ich war vor Kurzem zu einer Vortragstour in Südafrika. Zwei Monate nach ­meinem Besuch haben dort vor Ort drei Unverpackt-Läden eröffnet. War es es also wert, zweimal zu fliegen?