Auf dem Weg ins Fünf-Sterne-Hotel Park Hyatt, um dort dem neuen Restaurant Voro von Álvaro Salazar Almansa einen Besuch abzustatten, drängen sich Fragen auf: Hat der junge, wilde und extrem kreative Koch seinen Umzug vom Restaurant Argos in Port de Pollença, wo er 2015 begann, im November 2016 seinen ersten Michelin-Stern bekam und Ende 2018 aufhörte, seine Wildheit behalten? Oder hat er sich der luxuriösen und oft eher konservativen Klientel des Nobelhotels in Canyamel an der Ostküste von Mallorca angepasst, ist Kompromisse eingegangen?

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Vorab als Fazit: Nein, hat er nicht und musste er auch nicht, denn die Hotelleitung „war ja zuvor öfter bei mir essen, wusste, was sie erwartet und wollte genau dies", wie Salazar sagt. Trotzdem stand diese Frage auch bei ihm im Raum - nicht in Bezug auf die Direktion, sondern in Bezug auf die Klientel. „Doch die Gäste sind offener geworden und bereit für neue Abenteuer", meint der 33-Jährige, „bislang hatten wir nur positive Erfahrungen." Dies schließt auch die Michelin-Inspektoren mit ein, die auf ihrer ersten Insel-Runde für den neuen Gastro-Führer auch im Voro vorbeikamen und offenbar hochzufrieden waren - abzulesen an der erneuten Auszeichnung, die jetzt am 20. November vergeben wurde.

Ein Jahr lang, anfangs eher diskret, liefen die Gespräche über den Wechsel. Dann war es so weit und aus dem ehemaligen Café Sa Plaça wurde nach leichten Umbauten das elegante Voro, wo Salazar mit seiner kompletten ehemaligen Erfolgs-Crew inklusive Souschefin Maria Cano, Patissière Sela Priego und Servicechef Mario Wolgast seit 8. März die Gäste verwöhnt. „Wir sind eine Familie und der Erfolg basiert auch darauf. Als Koch ist man immer nur so stark wie der Rest des Teams." Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Equipe auch jenseits der Arbeit viel zusammen unternimmt.

Salazar verliert im Übrigen kein schlechtes Wort über das Argos. „Es war bislang die wichtigste Etappe in meinem Leben, aber die Besitzer waren mit einem Sternelokal ein wenig überfordert. Das war zu viel für sie." Dies zeigt sich auch jetzt, da man das Argos trotz der noch erfolgten Stern-Vergabe im vergangenen November - der Stern geht immer ans Restaurant, nicht persönlich an den Koch - nach seinem Weggang nicht als gehobenes Lokal weiterführt, sondern daraus ein einfaches Restaurant ohne große Ansprüche gemacht hat.

Das Verwöhnen im Voro erfolgt bislang ausschließlich abends, wobei es für Gruppenbuchungen Ausnahmen geben kann. Geboten werden zwei Menüs: das kleinere Voro mit 10 Gängen (95 Euro) und das größere Devoro mit 15 Gängen (130 Euro). 50 beziehungsweise 70 Euro kostet die passende Weinbegleitung. Für sein Geld bekommt man ein furioses Genuss-Spektakel.

Salazar kreiert Geschmacks­explosionen, die schon bei den Amuse-Gueules beginnen. Entenbiskuit in Entenform mit Foie und Merengue zu Anfang und ein Spanferkel-Stück in Ferkel-Form mit Camaiot-Wurst, Kohl und Orange als Abschluss der herzhaften Menüstrecke. Dazwischen delektiert man sich unter anderem an Dreierlei von der Artischocke, einem Rindertatar auf Sellerie mit Sauce hollandaise aus Knochenmark, einem Sobrassada-Eis mit knusprigem Schweinefuß, einem ausgezeichneten Meeresfrüchtesalat mit Algen (ähnlich dem Sunomono im Argos, aber mit einer Vinaigrette aus Palo Cortado und Reisessig), an Zweierlei von Linsen mit Lachskaviar und Kreuzkümmelbutter, Seehechtfilets mit Maresme-Erbsen in einer Moscatelsauce und an seinem exzellenten Klassiker, dem zarten Kalbsbries mit Roter Bete in verschiedenen Texturen. Unter den Desserts ragt der knusprige Quinoa mit Orangensorbet, Chili, Grapefruit und Tap-de-corti-Paprikpulver heraus. Wer kann da als Genießer widerstehen?

Wo Álvaro Salazar früher manchmal noch sehr „wild" kombinierte, wirken seine Gerichte im Park Hyatt jetzt reifer und harmonischer, aber ohne die unbändige Kreativität zu verlieren. Er dürfte damit auch all jene überraschen und begeistern, die mit moderner Avantgarde-Küche sonst vielleicht nicht so viel anfangen könnten. Und bei alledem verliert er nie seine andalusischen Wurzeln - Salazar stammt aus Jaén - was sich beispielsweise beim Dessert Torrija und dem Einsatz der Sherry-Variante Palo Cortado zeigt.

Gegessen wird entweder im schick eingedeckten und mit viel guter Kunst versehenem Hauptraum, an zwei langen rustikalen Holztischen mit Blick in die offene Küche oder im Sommer auch draußen an einigen Terrassentischen. Zu trinken gibt es hochwertige Tropfen von der Insel, aus ganz Spanien und einige internationale Weine. Dafür sorgt der Deutsche Mario Wolgast, der den herzlichen Service umsichtig leitet. „Wir sind anders, wir sind jung, wir sind lockerer als so manches Lokal mit diesem Niveau", sagt er.

Dieser Artikel erschien in der MZ-Printausgabe vom 18. April 2019.