Es stand schon einmal besser um die Kaffeeröster auf der Insel: Ende der 80er-Jahre widmeten sich noch 35 Unternehmen auf der Insel der Verarbeitung der im Rohzustand grünen Samen der Coffea-Pflanze. Heute sind gerade mal fünf davon übrig. Toni Vallcaneras macht unter anderem die multinationalen Konzerne dafür verantwortlich: „Die großen internationalen Marken wie Illy, Segafredo oder Lavazza haben kleinere Unternehmen aufgekauft oder schlicht verdrängt", sagt der 39-Jährige, der seit Anfang Dezember dem neuen Verband der Insel-Röster vorsteht.

Der Chef von Cafés Bay will nun gemeinsam mit den Besitzern der alteingesessenen Röstereien - Café Rico (gegründet 1959), Cafés Sorbito (1962), Café Samba (1940) und Cafès Illes Balears - gegen das vollständige Verschwinden der Branche ankämpfen. „Wir wollen ein Qualitätssiegel einführen, damit die Kunden auf den ersten Blick erkennen können, dass es sich um Kaffee von der Insel handelt", so Vallcaneras.

Etwas für Liebhaber

Dabei gilt das Motto klein, aber fein: „Die Röstereien der Insel, die es heute noch gibt, sind alle als Familienbetriebe entstanden", berichtet Miquel Ramis von Cafès Illes Balears. Die Ramis Vidal sind seit 1967 im Kaffee-Geschäft, seit 2007 unter dem heutigen Markennamen. Große Gewinnmargen mache man in Son Ferriol bei Palma nicht, so der 49-Jährige: „Es ist ein Liebhaberunternehmen. Ich habe zwei Söhne, und ich weiß nicht, ob die angesichts der ganzen Steuern und Auflagen weitermachen wollen."

Bei Cafés Bay hat der letzte Generationswechsel erfolgreich stattgefunden. Der gelernte Chemiker Vallcaneras stieg 2008 in das Unternehmen ein, das sein Vater in den 80er-Jahren unter dem Namen Café Bahia übernommen hatte. Vallcaneras Junior vertiefte sich in die Kunst der Kaffeeverarbeitung, modernisierte die Technik der in Lloret de Vistalegre gelegenen Rösterei und entwickelte sich so nach eigenen Angaben zum Marktführer auf der Insel: 54 Mitarbeiter zählt Cafés Bay heute. Bei Cafès Illes Balears sind es 7.

Insgesamt beschäftigt der Sektor auf der Insel über 200 Menschen und verarbeitet rund tausend Tonnen Kaffee pro Jahr. Dass die Preise des Inselkaffees etwas teurer sind als die abgepackten Pakete aus dem Supermarkt, hat dabei gleich mehrere Gründe. Zum einen macht die viel zitierte Insellage den Import ohnehin erst einmal teurer. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Kaffee in rohem Zustand rund 20 Prozent mehr wiegt als das geröstete Endprodukt: „Wir haben also schon ganz am Anfang des Herstellungsprozesses ein Handicap", so Vallcaneras.

Zudem setzen die vergleichsweise kleinen Röstereien auf qualitativ hochwertige Bohnen und verwenden die als aromatischer geltende Kaffeesorte Arábica. Die macht weltweit 70 Prozent der Bohnenernte aus - doch in Spanien wird vor allem die Sorte Robusta konsumiert, die Vallcaneras zufolge mit 300 Aromen nur halb so viele aufweist wie die Arábica.

Marke Eigenanbau

Importiert werden die Bohnen vor allem aus Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Vietnam und Indien, aber auch aus Äthiopien und Kenia. Bei Illes Balears kommen sie in Zukunft vielleicht sogar aus dem eigenen Gewächshaus. Miquel Ramis experimentiert seit rund zehn Jahren mit dem Anbau von Arábica, mittlerweile hat er eine vielversprechende Sorte gefunden, deren Bohnen er aber bislang nur für den Eigenkonsum verwendet. „Der Klimawandel führt dazu, dass exotische Pflanzen auch im Mittelmeerraum immer besser gedeihen", erklärt er. In zwei Jahren könnte sein Experiment, das er in einem Treibhaus im Pla de Sant Jordi betreibt, seiner Schätzung zufolge endgültige Früchte zeigen.

Es wäre das i-Tüpfelchen auf der Strategie, die Verbandspräsident Vallcaneras mit dem Schlagwort „Kilometer 0" umschreibt: „Lokale, handwerklich erzeugte Produkte sind in Mode und verleihen uns einen Mehrwert." Und auch wenn die Bohnen erst importiert werden müssen: Frisch gerösteter Kaffee sei gar nicht erst mit abgepacktem zu vergleichen, da sind sich beide Röster einig. Bei Illes Balears etwa werde nur einmal die Woche genauso viel geröstet, wie erfahrungsgemäß in den folgenden Tagen über den Tresen geht.

Je nach Betrieb werden die Samen der Kaffeepflanze schon im grünen Zustand gemischt oder nach Sorten getrennt geröstet und erst danach kombiniert. Die genauen Mischverhältnisse sind dabei das große Geheimnis einer jeden Rösterei. „Früher wurden sogar die Säcke verdeckt, weil da ja draufstand, wo die Bohnen herkommen - damit ja keiner sehen konnte, welche Sorten man verwendete", erinnert sich Ramis.

Kapsel oder nicht?

Ein Teil des fertigen Produktes kommt nach dem Rösten als ganze Bohne in die Tüte, ein anderer Teil wird bereits gemahlen abgepackt. Bei Cafés Bay ist auch die dritte Option der Kapseln im Sortiment: „Wir Kleinröster waren da alle anfangs sehr ablehnend. Aber der Kapselverkauf macht mittlerweile 30 Prozent des Marktes aus, da mussten wir wohl oder übel mitmachen."

Ramis sieht das anders: „Das ist ein Markt, der uns nicht interessiert", erklärt der Chef von Cafès Illes Balears entschieden, zu groß sei der Respekt vor der Umwelt. Auch anderweitig setzt die kleine Rösterei auf Nachhaltigkeit: Wenn es denn ein Coffee to go sein muss, dann wird er in dem Ladenrestaurant der Rösterei (C/. Andreu Bibiloni, 17, Son Ferriol, Mo.-Fr. 6-18 Uhr) nicht in einem Pappbecher serviert, für dessen Herstellung Bäume gefällt werden müssen, sondern in einem Einwegbecher aus schnell nachwachsendem Bambus. Und auch die Tüten, in denen der Kaffee verkauft wird, sind aus umweltfreundlichem Material.

Kalt, braun und süß

Die löblichen Nachhaltigkeitsansätze sind sicherlich Pluspunkte, doch im Vordergrund steht bei den Röstereien ganz klar der Geschmack. Ramis ist überzeugt, dass seine Kunden sehr genau wissen, wie viel besser seine Produkte im Vergleich zu Supermarkt-Kaffee sind. Vallcaneras hingegen sieht noch viel Lernbedarf bei den Konsumenten: „Auf Mallorca herrscht bezüglich Kaffee viel Unwissen." Zuallererst müsse mit dem in Spanien geläufigen Konzept „heiß, schwarz, bitter" Schluss sein: Guter Kaffee sei nichts davon. „Man kann ihn kalt brauen, er ist eher braun und ganz ohne Zugabe von Zucker ein wenig süß."

Mit dem Arabay Coffee zwischen Plaça Major und Carrer Sindicat in Palma hat Vallcaneras sich neben der Rösterei in Lloret deshalb Kaffeehaus, Akademie und Laden in einem geschaffen. Er bietet Kaffee-Verkostungen, damit Genießer das Getränk in all seiner Komplexität erkunden können. Und bricht eine Lanze für den auf der Insel verpönten Filterkaffee: „Es stimmt schon, dass der in Spanien geläufige Kaffee in der Filterzubereitung untrinkbar ist. Aber bei professionellen Verkostungen kommt ausschließlich die Filtermethode zum Einsatz. Das ist die beste Zubereitungsart, um Kaffee wirklich zu genießen", sagt er. Und fügt hinzu, dass die für ihren Filterkaffeekonsum bekannten Deutschen ein qualitativ viel hochwertigeres Pulver verwenden als seine Landsleute.

Pfui Teufel, Leitungswasser!

Am Ende scheiden sich die Geister der Filter- oder Espressokocher-Fraktion ohnehin nur am Verhältnis von Kaffeepulver zu Wasser. Doch gerade bei der zweiten Hauptzutat gilt es, die richtige Wahl zu treffen. Ramis bietet seinen professionellen Kunden, die seinen Kaffee in ihren Bars oder Restaurants servieren, ein spezielles Wasser, das den Geschmack des Gebräus erst richtig zur Geltung bringt. Die Vorstellung, zum Kaffeemachen Leitungswasser zu verwenden, lässt ihn sogar am Telefon hörbar erschaudern. Dann muss er los, das zur Rösterei gehörende Restaurant schließen. „Wir machen um sechs zu. Einige meinen, das sei Faulheit, aber wir versuchen einfach nur, ein bisschen besser zu leben", erklärt er zum Abschied. Vermutlich die einzig richtige Einstellung für Produzenten eines bisschen besseren Kaffees.