Spaziergänge an Feiertagen sind nicht nur für das Wohlbefinden und den Kalorienhaushalt gut - Ende Dezember halten die Inselwege auch eine botanische Überraschung bereit: Die Macchia-Waldrebe (Clematis cirrhosa bot., clemátide span., tombabarres kat.), deren eineinhalb Zentimeter große cremefarbige Blüten sich mitten im Winter öffnen. Sie bestehen aus vier Glocken bildenden Hüllblättern, die an ihrem unteren Enden spitz zulaufen. Auf den leicht behaarten Innenseiten zeigen sich verschieden große Farbtupfer in Violett, die sich beim Öffnen der Knospen vergrößern.

Mediterrane Kletterer

Die Blüten sind umrahmt von meist dreigezackten tiefgrünen Blättern, die an Lianen sitzen. Zunächst sind sie grün, biegsam und bereit, sich überall festzuhalten, Mit den Jahren verholzen sie jedoch. Und so kommt es, dass die Pflanze mehrere Quadratmeter große vertikale Polster an Zäunen bilden kann. Bevorzugt an solchen, die auf Natursteinmauern befestigt sind. „Das Mauerwerk erleichtern der Waldrebe anfangs den Aufstieg nach oben", sagt Joshua Borrás, Botaniker an der Balearen-Universität. Oder aber sie überwuchert Sträucher oder Baumstämme. Die Höhe, die diese Pflanze erreichen kann, hängt vom jeweiligen Klettergerüst ab.

Volle Blütenpracht entwickelt die Macchia-Wald­rebe zwischen Dezember und Februar, vor allem dann, wenn die Blüten auf dem Polster nach Süden oder Osten ausgerichtet sind. Nach der Blüte entwickeln sich hübsche fedrige Büschel mit silbrig-weißen Fäden, an denen Samen hängen. Es können Jahre vergehen, bis sie keimen. Um keine Zeit zu verlieren, vergrößert sich die Wildpflanze unterdessen durch unterirdische Rhizome und neue Lianen.

„Die wilde Clematis kommt im gesamten Mittelmeerraum vor", sagt Joshua Borrás, auf Mallorca bis in einer Höhe von tausend Metern. Die Kletterpflanze bevorzugt sonnige Standorte und richtet ihren Vegetationszyklus nach den Niederschlägen: Im Sommer wirft sie ihr Laub ab und treibt nach den ersten Regenfällen im Herbst wieder neu aus.

Am häufigsten kommt die Waldrebe an Feldrändern vor, deren Boden ton- und kalkhaltig ist. Sie sind ebenso an sonnigen Wegrändern zu beobachten sowie auf Lichtungen und an Waldrändern, wo sie nicht selten an Mastix oder ähnlichen Sträuchern emporranken. Alle Clematisarten zählen zur botanischen Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).

Starker Honigduft

Innerhalb der Hüllblätter verbergen sich behaarte Samenstängel, deren Griffel mit einer zottigen vergrößerten Narbe enden. Im Laufe der Blütezeit verlängern sich die Stängel, sodass Insekten, die von unten in die Blüten schlüpfen, sich für die Aufnahme des Nektars an den Samenfäden festkrallen können. Die wilde Clematis ist zwittrig, also zweigeschlechtlich.

Wenn die Temperaturen im Winter steigen, verströmen die Blüten eine starken Honigduft, der nektarsuchende Insekten anlockt. „Honigbienen schätzen die wilde Clematis sehr, denn außer der Japanischen Wollmispel, dem níspero, ist sie um diese Zeit die einzige, die Blüten bildet", sagt Mallorcas Bio-Imker Martí Mascaro. Für den Botaniker Borrás sind die Blüten auch für wilde Insekten ein wahres „Festival". Manche Quellen berichten sogar von Hummeln, die in den Blüten der Macchia-Waldrebe überwintern.

Die Clematis in Ariant

In dem von Heidi Gildemeister angelegten Garten von Ariant bei Pollença wächst nicht nur die Macchia-Waldrebe, sondern auch die im Sommer blühende Verwandte, Brennende Waldrebe genannt (Clematis flammula bot., gata rabiosa span., santjuaní kat.). „Dort, wo sie an Mauern oder Zäunen nicht stören, lasse ich sie einfach wachsen", sagt Susana Quintanilla, die als Gärtnerin für den Biogarten verantwortlich ist. Die wilden Pflanzen nutzten jede Felsspalte, um in die Höhe zu klettern. Wenn sie versuche, die Kletterer daran zu hindern, sich an Sträuchern festzuhalten, sei das meist erfolglos. In ihrem Buch „Mediterranes Gärtnern" hatte Gildemeister vor langer Zeit empfohlen, die Clematis cirrhosa an Wegen zu pflanzen, wo man die glockenförmigen Winterblüten aus der Nähe betrachten kann. Sie erwähnt in ihrem Buch außerdem weitere Sorten der Clematis, die mit großen Blüten und vielen Farben gezüchtet worden und für die mediterranen Gärten geeignet sind.

„In den Gärten Englands sind Zuchtformen der Clematis häufig anzutreffen", berichtet Hans Achilles, Pflanzenexperte und Gartenarchitekt des Unternehmens Son Muda. In Deutschland sind winterharte Sorten gefragt, für die Wurzeln der Pflanze werden kühle Standorte empfohlen. Eine Zuchtsorte für den mediterranen Raum bietet der französische Züchter Olivier Felipi (www.jardin-sec.com). Sie werden auch bei Mateo Morro in der Gärtnerei Vivers Santa Maria in Santa Maria del Camí angeboten (8 Euro).

„Eine wichtige Gartenart ist auch die Clematis cirrhosa var. balearica", berichtet Joshua Borrás. Sie stammt aus Menorca und ist ebenfalls in Großbritannien kultiviert worden. Ihre Blüten sind sechs Zentimeter groß, cremeweiß, innen sitzen violette Punkte. Im Gegensatz zu der wilden Sorte wirft diese ihr Laub nicht ab.