Für Bernardo Riera Sureda war es vor allem ein „moralischer Schlag": Der Vorsitzende der „Real Cofradía de Penitentes de la Virgen ­Dolorosa" erlebt zum ersten Mal in seinen 42 Jahren bei der Bruderschaft, dass sämtliche Prozessionen zwischen Palmsonntag und Karfreitag auf Mallorca abgesagt wurden. „Dabei arbeiten wir das ganze Jahr auf diese eine Woche hin", erklärt er seine Enttäuschung. Aber Notfall sei Notfall, und die Gesundheit gehe vor.

Rieras Familie wird alle religiösen Zeremonien im Fernsehen verfolgen - ohne die rote Kutte anzulegen. Auch auf die weiße Spitzhaube verzichtet er natürlich: „Eine Prozession ist eine öffentliche Demonstration des Glaubens. Meiner Frau und meinen Kindern muss ich das nicht mehr beweisen." Die einzige Möglichkeit, jetzt Frömmigkeit zu zeigen, sei durch ­Taten: „Wir haben uns organisiert, um mit mehreren Bruderschaften gemeinsam für die Caritas zu spenden", sagt Riera. Innerhalb ­ihrer Gruppe sei die Hilfsbereitschaft sehr groß. „Auch das bedeutet Glaube."

Pérez will den Trübsinn durch poetische Verse lindern

Die „Cofradía de Penitentes de Nuestro Padre Jesús del Buen Perdón y Nuestra Señora de las Angustias" hat ebenfalls gespendet. ­Marisa Pérez Romero ist seit 2016 Mitglied dieser Bruderschaft. Normalerweise hat sie die ehrenvolle Aufgabe, der Jungfrau Maria die ­Gewänder anzulegen, die sie zu den verschiedenen Prozessionen trägt. Doch in diesen ­Tagen hat Pérez eine ganz neue Berufung gefunden: Sie dichtet - für ihre Heiligen und für die Mitglieder der Bruderschaft. „Für mich ist das eine Möglichkeit auszudrücken, was ich jetzt im Inneren empfinde, und dabei gleichzeitig die anderen aufzumuntern, damit sie ihre Freude und Hingabe nicht ganz verlieren", erklärt sie im Telefongespräch.

In ihren Versen nimmt Pérez stets konkreten Bezug auf die Zeremonien, die nun eigentlich vollzogen werden sollten - und schickt sie ihren Brüdern und Schwestern am entsprechenden Tag, um den Trübsinn zu lindern. Zum Beispiel am Palmsonntag, als ihre Jesusfigur nicht wie sonst zum Auftakt der Prozessionen die Kirche verließ. Oder einige Tage ­zuvor, als der alljährliche Akt des besapiés ausfiel, bei dem die Büßer der Christusfigur die Füße küssen. „Das ist normalerweise ein besonderer Moment für die Bruderschaft, denn nirgendwann sonst können wir unserem Heiligen so nah sein", erklärt Pérez. Besonders die vier Trägerinnen der Christusfigur litten darunter, auf diese Geste des Respekts zu verzichten.

Pérez schrieb dazu folgende Zeilen: „Obwohl wir uns dir am heutigen Tag nicht zu ­Füßen werfen dürfen, sei nicht traurig, denn das Wichtige ist jetzt, dass du die Welt von dieser Pandemie befreist und alle Engel der Erde beschützt. / Oh mein Herr Jesus der Vergebung, sei nicht traurig, denn es wird wieder ein neuer Frühling kommen, sauber und rein." Die Trost spendenden Worte zeigten offenbar Wirkung: Eine der Trägerinnen habe Pérez ­sogar ein Foto geschickt, auf dem sie vor Rührung weint.

Wie wir alle vertrauen die Bruderschaften auf WhatsApp und Facebook

Gefühle der Trauer und Resignation versuchen beide Bruderschaften im intensiven Kontakt miteinander zu überwinden. „Immerhin halten wir in dieser Situation fest zusammen, auch wenn uns dafür nur das Telefon und das Internet bleiben", sagt Pérez. Über soziale Netzwerke tauschen die Mitglieder Videos von vergangenen Prozessionen, schicken sich ­motivierende Nachrichten und unterstützen diejenigen von ihnen, die jetzt Hilfe oder besonders viel Zuspruch gegen die Niedergeschlagenheit brauchen. In der Familie wende man sich nun verstärkt der inneren Einkehr zu, berichtet Pérez: „Wir beten viel und erinnern uns an Momente, die wir während einer anderen Semana Santa erlebt haben."

Und bereits jetzt fiebern die Büßer ungeduldig ihrer „großen Woche" im kommenden Jahr entgegen. „Ich glaube, nächstes Mal erleben wir die Semana Santa mit doppelt so viel Freude, Lust, Hingabe und Emotion", sagt

Marisa Pérez. Und Bernardo Riera von der Bruderschaft der Jungfrau der Schmerzen ist sich sicher: Viele Brüder und Schwestern werden sich dabei fühlen wie er selbst mit 15 Jahren - und dieselbe intensive Freude empfinden wie bei ihrer allerersten Prozession durch die ­Straßen von Palma.