Der mallorquinische Kräutersammler Juan de las Hierbas ernährt sich ausschließlich von Rohkost. Doch beim Lorbeer macht er eine Ausnahme. „Dieses Blatt sollte man getrocknet oder gekocht verzehren", rät er. Auf seinen Streifzügen in Palma und Umgebung trifft er die Pflanze jedoch nicht wild wachsend an. Denn auf der Insel kommt der Echte Lorbeer (Laurus nobilis bot., laurel span., llorer kat.) mit wenigen Ausnahmen nur in Gärten vor.

Die Mallorquiner lieben die an ätherischen Ölen reichen und stark duftenden Blätter, die getrocknet oder frisch den winterlichen Eintöpfen während des Garens Aroma verleihen. Mindestens ein Blatt gehört in den hierbas-Likör, es darf auch beim Einlegen der Olive oder bei der Fischmarinade nicht fehlen.

In den Gärten der Insel trifft man den immergrünen, wuchsfreudigen Baum häufig an. Kann er ungehindert wachsen, erreicht er ohne Weiteres eine Höhe von zehn Metern und mehr. Ungestutzt wachsen an dünnen Stämmen reichlich Äste kreuz und quer. Nicht so in dem Garten von Yannik Vu und Ben Jakober in Alcúdia. Hier bilden mehrere streng oval beschnittene Bäume unter anderem das ornamentale Zentrum des Rosengartens. Beliebt ist der Lorbeer auch als Strauch in Kräutergärten, er schirmt Gärten als Hecke nach außen ab und übersteht sogar ein Dasein im Pflanzenkübel unbeschadet.

Wenige wilde Exemplare

Dass der Lorbeerbaum auf Mallorca auch wild vorkommt, berichtet der Botaniker Jaume Seguí: Als er für seine Doktorarbeit über das endemische Balearen-Veilchen (Violeta jaubertiana) ein ums andere Mal in den Torrent de Pareis abstieg, begegnete er zahlreichen wild wachsenden Lorbeerbäumen. „Sie gedeihen dort zahlreich an schattigen Plätzen", sagt er. Zwischen den Wänden der Schlucht kommt es weder zu Frost noch zu sommerlichen Hitze-Exzessen. Die Wildpflanzen können so auf dem wenigen Humus gedeihen.

Doch nicht nur im Torrent de Pareis kommt der Laurus nobilis vor. Dies zeigt eine Karte von Wissenschaftlern, die im Auftrag der EU die Gefährdung mediterraner Habitate erforschten. Der Lorbeerbaum, so die Botaniker, wachse noch in weiteren Sturzbächen, die zwischen Sóller und Pollença ins Meer führen: Viele Exemplare vermutet man an den unzugänglichen Felswänden der Sa Fosca, im Gorg des Diners und am Ausgang des Torrent des Porcs.

Frühgeschichtliche Wälder

Die Vorfahren der Lorbeerbäume, die heute in den nur in den Wintermonaten Wasser führenden Bachbetten der Insel vorkommen, besiedelten im Tertiär vor etwa drei Millionen Jahren großflächig den Mittelmeerraum. „In dieser Zeit war das Klima auf der Insel tropisch bis subtropisch", sagt Joshua Borrás, Botaniker an der Balearen-Universität. Der Lorbeerbaum teilte sich, so die Wissenschaftler der EU-Studie, sein Habitat in der Frühgeschichte mit dem Mittelmeer-Schneeball (Viburnum tinus) und dem Erdbeerbaum (Arbutus unedo). Das Klima damals wäre mit dem heutigen der Kanarischen Inseln vergleichbar gewesen. Dort bildet ein Verwandter des mediterranen Gewächses, der Kanaren-Lorbeer (Laurus azorica) noch immer ausgedehnte Wälder.

Als mit der Klimaveränderung heiße, trockene Sommer und kalte Winter das mediterrane Klima bestimmten, zwang dies die Pflanzen, vielfältige Überlebensstrategien zu entwickeln. So zog sich der Lorbeerbaum in das Mikroklima der Sturzbachbetten zurück.

Blüten und Blätter

Zwischen März und April bilden sich an den Blattachseln des Lorbeerbaums gelblich grüne zweihäusige Blüten sowohl an männlichen als auch an weiblichen Exemplaren. Die Blüten bestehen aus vier Blütenblättern. Diese sitzen zu viert bis zu sechst in Rispen beieinander. „Honig- und Solitärbienen sowie Hummeln sammeln ihren Nektar und bestäuben sie", so Borrás.

Die runden schwarzen Beeren, die Lorbeeren, reifen im Herbst. Die Steinfrüchte sind etwas kleiner als Oliven und glänzen in tiefem Schwarz. Vögel picken sie auf und bereiten mit ihren Magensäften die Kerne für die Vermehrung vor.

Aus dem Fruchtfleisch wird das teils fette, teils ätherische grüne Lorbeerkernöl gewonnen, das zu Salben und Seifen verarbeitet wird.

Die an der oberen Seite dunkelgrünen, aromatisch duftenden Blätter sind länglich, an beiden Enden zugespitzt und am Rand leicht gewellt. Die ätherischen Öle bleiben auch nach dem Trocknen und Erhitzen erhalten. Durch ihre Destillation gewinnt man ein kostbares ätherisches Öl.

Die Blätter galten in der Volksmedizin der Insel als heilsam bei Erkältungen, wirksam gegen Bakterien und als appetitanregend.

Gemeinsam mit Rosmarin und Eukalyptus dienten sie auch zum Inhalieren. Auf den Regalen der Speisekammern (rebosts) legte man die Blätter gegen Motten aus. Die ätherischen Öle vertrieben im Mehl sowie in gelagerten Hülsenfrüchten die auf Speisen spezialisierten Schädlinge. Da die ätherischen Wirkstoffe, wie beispielsweise das Cineol, mit der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren, ersetzte man die Blätter von Zeit zu Zeit.

Kranz der Sieger

Nach der griechischen Mythologie wurde die Nymphe Daphne von dem sie verfolgenden Gott Apollo auf ihren Wunsch hin in einen Lorbeerbaum verwandelt. Bei den Römern galt der Lorbeerkranz als Zeichen des Sieges. Am Palmsonntag wurden in den Kirchen der Insel jedes Jahr neben Zweigen des Olivenbaums auch die des Lorbeerbaums geweiht. Wie schon zuvor in heidnischer Zeit, stellte man diese dann als Bewahrer von Gesundheit und Glück auf Balkonen und am Eingang des Hauses aus. Mit dem Siegeskranz hat auch die Redewendung zu tun, dass man sich nicht allzu sehr auf seinen Lorbeeren ausruhen soll.