So viele violette Lavendelblüten auf einem Fleck - das hat man auf der Insel wohl noch nie gesehen. Auch die zahlreichen gebündelten Sträuße auf einem Foto noch nicht. Es war auf einer eigens während der Corona-Krise eingerichteten Facebook-Gruppe für Anbieter von Selbstgemachtem aufgetaucht. Gepostet wurde es von Inés Landberg aus Campos. Ein weiteres Foto zeigt die geschnittenen Blüten angehäuft, mit einem kleinen Jungen, der hinter dem Berg mit den Blütenstielen steht.

Üppige Lavendelblüten sind auf den Balearen selten. Vor allem deshalb, weil die Pflanzen hier häufig unter Pilzbefall leiden. Wer sich dennoch ein Feld mit den im April blühenden Sträuchern wünscht, muss laufend kranke Stauden gegen gesunde austauschen. Gartenarchitekten sind die Beschwerden von den Besitzern der Lavendelanpflanzungen leid und verzichten bei Plänen auf groß angelegte Beete mit diesen Frühjahrsblühern. Doch wie kann es dann auf Mallorca zu einer Fülle von Lavendelblüten kommen, wie sie sonst nur in etwa auf von Feldern der Provence bekannt sind?

Die Antwort könnte sein, dass Inés Landberg und ihr Mann Sean, der im südafrikanischen Durban geboren und aufgewachsen ist, mit dem Lavendel richtig Glück hatten. „Von einem blühenden Lavendelfeld habe ich immer schon geträumt", sagt sie. Bevor das Paar mit den drei Söhnen im Alter von fünf, zehn und zwölf Jahren auf die Insel gezogen ist, hat die Familie 17 Jahre in einem der Außenbezirke von London gelebt. „Mein Mann ist jeden Tag eine Stunde in die Innenstadt gefahren, die Kinder waren klein und im Garten ist außer dem Rasen und in ein paar Beeten nicht viel gewachsen", sagt Landberg.

Trotzdem ließ sie sich von den britischen gardeners zu dem Traum vom Lavendelfeld inspirieren. Dieses sollte zunächst in Ses Salines angelegt werden, die Familie fand dort jedoch nicht das passende Haus. Anfang 2018 kaufte sie dann in der Nähe von Campos ein Anwesen mit einem 2.700 Quadratmeter großen Grundstück. Sean Landberg fand einen Job als Zahntechniker bei der Cliníca Nobledent in Campos und Inés eine Stelle im örtlichen deutschen Lebensmittelmarkt, die mit den Schulzeiten und -fahrten der Kinder kompatibel ist.

Die Familie war gerade in das neue Haus eingezogen, als ihr 40. Geburtstag gefeiert wurde. Eine Freundin verschenkte dazu die ersten fünfzehn Lavendelpflänzchen der Sorte Gezähnter Lavendel (Lavandula dentata bot., alhucema rizada span., gal·landa kat.). Landberg erinnert sich, dass auf den Töpfchen dieser Name stand, ansonsten hätte man sich bei den intensiven Recherchen zu diesem Thema im Netz und in Büchern nicht sonderlich für die botanischen Namen der Sorten interessiert.

Dann begann ihr Mann mit der Verwirklichung des Traums vom Lavendelfeld. Denn nur Glück allein war es nicht, das die üppige Blüte bescherte. In dem Feld steckt auch viel Arbeit: Die Erde wurde mit dem Motorpflug gelockert, die Bewässerungsanlage installiert. Dann kaufte das Paar weitere Pflanzen und etwas Kompost dazu, setzte insgesamt fünf Reihen mit fünfzehn Stauden im Abstand von einem Meter. Vielleicht war es auch die Distanz zwischen den Stauden, die sie bisher vor Schädlingsbefall geschützt haben.

Im Herbst kamen die Eltern aus Leipzig zu Besuch, halfen mit beim Unkrautjäten und gaben auch Ratschläge. Doch die Erfahrungen aus Deutschland würden auf Mallorca nicht wirklich hilfreich sein, so Landberg, alles wäre anders, das Klima, die Erde. So zum Beispiel müsse man im Winter während der Trockenheit die Bewässerung anschalten. „Die Pflanzen sagen mir, wie viel sie brauchen", sagt Sean Landberg. Und so gediehen die Pflanzen und bildeten, wie man es aus der Provence kennt, Polster mit reichlich Blütenansätzen.

Den Höhepunkt des Jahres bot das Lavendelfeld an Ostern: Dann summte und brummte es in den Blüten, Tausende von nektarsuchenden Insekten waren unterwegs und man konnte sich an der lila Farbenpracht gar nicht sattsehen. Doch für die Söhne gab es keine Osterferien. Auf dem Programm standen Hauptfächer wie Mathematik, Spanisch und Katalanisch. „Englisch haben wir weglassen, wir sprechen es daheim", berichtet sie. Erfahrungen im home schooling hatte die Familie bereits. Denn bevor die Söhne in Ses Salines eingeschult worden sind, unterrichte man sie zu Hause nach dem britischen Schulsystem.

Als dann die Osterferien zu Ende waren, blühten die Sträucher immer noch. Aus verschiedenen Quellen wusste man, dass es für das Überleben des kultivierten Lavendels wichtig ist, den Strauch während der Blütezeit radikal zu stutzen. Man überlegte deshalb, die Rispen auf den Kompost zu geben, doch dann entschied sich die Familie, die Blüten zu Sträußen zu binden und zu trocknen. Als dann für den kommenden Tag die Wetterdienste heftige Niederschläge ankündigten, machte sich das Paar noch in den Abendstunden mit Gartenschere und -handschuhen an die Arbeit. „Wir schnitten die Stängel etwa ein inch über den holzigen Ästen ab", sagt Landberg (ein inch = zweieinhalb Zentimeter, Anm. der Red.).

Doch es zeigte sich bald, dass es nicht genügend Platz zum Trocknen gab. So kam man auf die Idee, Fotos von den Blüten und Sträußen ins Netz zu stellen. Weil sie in diesen seltsamen Zeiten Freude machen, Trost spenden oder für die Herstellung von Seifen oder Ölen nützlich sein könnten. Der Post in der Hope-Gruppe wurde in einer Stunde 20 Mal geteilt.

Die Familie konnte sich vor Anfragen fast nicht retten und man beschloss deshalb, den Unterricht ab sofort ausfallen zu lassen, damit die Großen Zeit für das Binden der Sträuße haben. Für jeden braucht man etwa eine Viertelstunde. Am ersten Tag wurden 25 Sträuße abgeholt, am zweiten 30. Ein Löwenanteil von ihnen hängt jetzt in einem Gestüt. Ein Video von dort zeigt, dass die Sträuße im Haus als Abwehr für Insekten dienen. Und man schrieb dazu, dass ihr Duft durch das ganze Gebäude ziehe. Andere wiederum wurden zum Verschenken an Freunde gekauft.

Es ist der Familie zu wünschen, dass Schädlinge und andere Plagen die Lavendelsträucher auch weiterhin verschonen, sie im kommenden Jahr wieder üppige Blüten entwickeln und die Kinder zur Erntezeit im April dann wieder in der Schule sind.