Die vergangenen Wochen waren für uns alle besonders, ob auf Mallorca oder in Deutschland. Die erzwungene Freizeit bot vielen die Chance, sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Manche gewannen dabei interessante Erkenntnisse - etwa Tricks, wie man mit den besonderen Umständen einer Ausgangssperre besser klarkommt. Wer seither den Wunsch hat - oder womöglich schon zuvor hatte -, seine Gedanken und Eindrücke festzuhalten, kann zum Beispiel ein Buch verfassen. Achim Gralke hat viele Jahre lang bei renommierten Verlagen wie Bertelsmann und Kosmos in Deutschland gearbeitet, bis er vor fünf Jahren begonnen hat, für die Agentur Gorus Autoren Unterstützung beim Konzipieren, Schreiben und der Verlagssuche anzubieten. Seit zwei Jahren macht er diese Arbeit von Mallorca aus.

Herr Gralke, haben Sie das Gefühl, dass die Zahl an Menschen, die zu Coronavirus-Zeiten etwas zu Papier bringen wollen, steigt?

Ja, das ist spürbar. Es gibt zwei unterschiedliche Entwicklungen: Da sind zum einen die Menschen, etwa Unternehmensberater, die ihre Tätigkeit mit einem Buch illustrieren wollen und es als Visitenkarte für ihr Business brauchen. Die sind jetzt gerade zaghafter, weil sie nicht wissen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt. Zum anderen sind da die Menschen, die die Zeit gerade bewusst nutzen wollen, da sie schon immer ein Buch schreiben wollten. Beide ermutige ich. Keiner weiß, wie sich die Lage entwickelt. Ich glaube dennoch fest daran, dass vor allem die Nachfrage nach Rat und Orientierung durch Bücher steigen wird.

Woher kommt das Bedürfnis der Menschen, Autor zu werden?

Ein Buch ist etwas Erstrebenswertes, das man vorweisen kann, eine Art Kompetenzbeweis. Leider denken viele, sie können nicht schreiben oder finden keinen Verlag. Dabei kann das jeder, er muss nur eine gewisse Klarheit darüber haben, für wen und über welches Thema er schreiben will. Dafür, was „gutes Schreiben" ausmacht, gibt es kein allgemein gültiges Kriterium. Für mich sollte es leserorientiert sein und zum Autor passen. Wenn jemand andere kopiert, wird das nicht funktionieren.

Warum schreckt viele der Gedanke, ein Buch zu schreiben, erst einmal ab?

Viele stellen sich zunächst etwas Dickes, Großes vor. Dabei muss das Werk noch nicht mal gedruckt sein. Sie können auch nur ein E-Book machen. Oder wir propagieren gerade ein Format mit nur 80 Seiten. Ich empfehle, an ein Thema klein heranzugehen. Kurz und knackig, aber eben sehr die Leser ansprechend. Dazu muss man sich zuallererst klarmachen, wer das Buch lesen soll.

Nehmen wir zunächst einmal an, jemand hatte ein spannendes Leben oder eine spannende Coronavirus-Zeit und möchte das für seine Enkel und Kinder festhalten.

Diese Menschen gehen meist nicht mit dem Anspruch heran, dass das Buch später für ein breites Publikum aufwendig verlegt wird. Trotzdem rate ich auch ihnen, aus dem Erlebten ein Leitmotiv oder einen roten Faden zu finden. Das macht das Lesen für die Angehörigen spannender. Statt zu denken „Ich muss jetzt für den Opa 200 Seiten durchackern", sollten die Leser überrascht sein, dass es da eben ein spannendes Thema in Opas Leben gibt, von dem sie bisher noch nichts wussten.

Auch anderen Neuautoren raten Sie dringend, sich zunächst die Frage zu stellen, was sie zum Schreiben antreibt?...

Genau, die Gründe sind nämlich ganz unterschiedlich: Manche wollen damit der Nachwelt erhalten bleiben, andere auf etwas aufmerksam machen, wieder andere wollen sich in eine Diskussion einmischen, ein politisches oder gesellschaftliches Thema.

Wer nicht nur für seine Enkel oder Kinder schreibt, muss wissen, wer seine Zielgruppe ist, sagen Sie.

Ich empfehle, sich konkret eine Person vorzustellen, die das Buch lesen soll. Autoren sollten ihr einen Namen, ein Alter und einen Beruf geben und anfangen, mit ihr zu plaudern. Dann kriegen sie schnell ein Gefühl dafür, was sie

interessiert. Sonst ist ein Buch eine Einbahnstraße, ein langweiliger Monolog. Wenn ich Manuskripte redigiere, schreibe ich manchmal in die Anmerkungen rein: „Hallo, ich (der Leser) bin auch noch da."

Wie findet man dann ein gutes Thema?

Die meisten Autoren scheitern daran, dass sie eine Fülle von Wissen und Themen gleichzeitig unterbringen wollen. Dabei sollte man zuallererst eine bewusste Auswahl treffen und etwa auch entscheiden, worüber man nicht schreiben wird. Dann sollte man sich ein Problem oder die Gedanken des Lesers überlegen, die als Anknüpfungspunkte dienen können zwischen dessen Bedürfnissen und dem, was mir als Autor wichtig ist, weswegen ich das Buch schreiben wollte.

Was könnte das sein?

Wie ich es geschafft habe, mir einen super guten Tagesplan aufzustellen und dadurch nicht so verlottert zu sein, oder die Frage, wie in Zukunft unsere Gesellschaft aussehen muss, wenn wir zwischen bürgerlicher Freiheit und Schutz vor kranken Menschen abwägen. Vielleicht hat jemand auch sehr viel gekocht während der vergangenen Wochen und jetzt super Rezepte gesammelt.

Wie entwickelt man daraus eine Dramaturgie, um selbst Familienmitglieder bei der Stange zu halten?

Ein Tagebuch während der Pandemie etwa hat bereits eine eigene Dramaturgie. Jeden Tag gibt es einen neuen Text, der mit dem Leben des Autors fortschreitet. Der Schreiber sollte dennoch schon beim Notizenmachen darauf achten, den Fokus darauf zu legen, was sich in ihm verändert. Auch der Leser muss bei dieser Textsorte am Ende spüren, was sich in den Wochen getan hat. Wer ein normales Buch schreibt, der sollte vorab unbedingt eine Gliederung machen. Im Lauf der Geschichte muss ein Spannungsbogen aufgebaut werden, wie bei einem Krimi. Man präsentiert dem Leser ein Problem, für das dann schrittweise Lösungen gefunden werden, zum Beispiel, wie man mit Einsamkeit oder Bewegungsmangel, Eingesperrtsein umzugehen gelernt hat. Wenn es ein längeres Buch ist, kann es zwischendurch noch kleinere Auf und Abs geben. Dabei kann man sich etwa überlegen, welche Fragen oder Gegenargumente der Leser an bestimmten Stellen haben könnte.

Und wenn man meint, man ist fertig?

Vor der Veröffentlichung rate ich jedem, den Text von einer neutralen Person im Ganzen lesen zu lassen. Ein Bekannter hat womöglich eigene Interessen, da er selbst im Buch vorkommt und ihm vielleicht nicht gefällt wie.

Wie kommt das fertige Werk in den Druck?

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Selfpublishing ist heute sehr einfach. Man kann sich etwa an Print-on-Demand-Anbieter wie epubli oder bod wenden. Die haben verschiedene Pakete und drucken nur die gewünschte Zahl, etwa 20 Exemplare. Oder man druckt direkt beim Drucker einfach eine kleine Auflage selbst, etwa 250 Bücher. Einen Verlag hingegen muss man erst einmal überzeugen, dass er das Buch überhaupt annimmt. Die meisten fangen erst bei einer Stückzahl von 3.000 an. Wichtig ist in jedem Fall eine ISBN-Nummer, sonst wird man im Verzeichnis lieferbarer Bücher nicht gefunden und kommt auch bei Amazon nicht unter. Dafür muss man sich als Verlag registrieren.

Wie findet man einen passenden Verlag?

Man kann zum Beispiel bei Amazon per Stichwörter Bücher finden, die dem eigenen ähneln und sich dann auf den Seiten der Verlage nach deren Programm erkundigen. Passt man da hinein, empfehle ich, maximal sechs Verlage telefonisch zu kontaktieren. So bleibt man im Gedächtnis. Auf keinen Fall Massenmails an alle schicken. Dann schickt man ein Kapitel des Buches, das einen guten Eindruck vom Ganzen vermittelt, zusammen mit einem Exposé mit Infos zum Autor, dem Inhalt, der Zielgruppe, der Gliederung.