Der wilde Meerfenchel hat auf Mallorca den Sprung von der Küste auf das Feld bei Llubí geschafft. Hier ist der Himmel heute bewölkt, das Licht diffus, was bewirkt, dass die 5.000 Pflanzenpolster in vielen verschiedenen Grüntönen leuchten. Und dabei so dicht am Boden wachsen, als ob sich noch immer vor der Gischt und den Stürmen an der Küste wegducken müssten.

Die Ernte am frühen Morgen

Nur noch zwei Tage wird man hier pflücken, denn man hat bereits seit drei Wochen immer frühmorgens geerntet. Heute sind drei ­Männer damit beschäftigt, mit Sicheln die Kräuterbüschel von der Staude abzutrennen. Ein wenig erinnert dies an den Druiden ­Miraculix, doch die Zweige kommen nicht in einen Zaubertrank. Sie gelten bei Mallorquinern als Delikatesse, die sie gern eingelegt als Beilage zum Pa amb Oli verzehren.

Die Ernte geht zügig voran, knapp eine Stunde dauert es, bis die zehn Big Bags (große Säcke mit Tragegriffen) gefüllt sind. „Dieses Jahr können wir das Schnittgut sofort nach dem Pflücken weiterverarbeiten", sagt Juan José Alcaide von der Firma Conservas Rosselló, der für die Plantage verantwortlich ist. Das Unternehmen beschäftigt in seinen Fabriken in Llubí und Sevilla sowie in seinen Hotels etwa 500 Angestellte. In der Firma in Llubí konserviert man Meerfenchel toda la vida, was übersetzt so viel wie „seit ewigen Zeiten" heißt.

Wild an der Küste

Ganz problemlos war das aber nicht. Denn der Meerfenchel (Crithmum maritimum bot., hinojo marino span., fonoll marí kat.) wächst wild an sandigen oder felsigen Küstenabschnitten. Mit dem Gewürzfenchel ist er weitläufig verwandt, weil beide zur Familie der Doldenblütler ­zählen. Wahrscheinlich kam der Meerfenchel nur deshalb zu seinem Namen, weil seine ­ätherischen Öle an die des ­Gewürzfenchels ­erinnern. Doch im Gegensatz zu ihm ist der Meerfenchel vom Aussterben bedroht.

Denn Mallorquiner sammeln das Kraut für den Eigenbedarf und legen es zu Hause in einem Keramikgefäß in Salz, Wasser und Essig ein. Wer professionell mehr als ein Kilogramm pflückt, benötigt eine Genehmigung des Umweltministeriums. Diese musste bei Rosselló jedes Jahr wieder neu für die Pflücker beantragt werden, die im Auftrag der Firma an den Küsten gesammelt haben. Die Behörde hat die Genehmigungen vergeben und kontrolliert auch, dass sie eingehalten werden. „Die ­Pflücker lieferten an einem Tag viel, am nächsten gar nichts, und oft war der Meerfenchel bereits verwelkt", sagt Alcaide. Deshalb entschied man sich im Unternehmen vor gut zwei Jahren, sich künftig nicht mehr auf die Wildpflanzen und deren Pflücker zu verlassen und den Meerfenchel selbst zu kultivieren.

Die Plantage

Zunächst sammelte man mit Genehmigung des Umweltministeriums Samen des wilden Meerfenchels an der Küste von Son Serra de Marina. Während die semillas bei einem Züchter zu Setzlingen heranwuchsen, hat man auf dem Feld eine Bewässerungsanlage installiert und Unkrautfolie ausgelegt. Im vergangenen Jahr kamen dann die ersten Pflänzchen in die Erde, die auf Gießwasser umgehend mit Pilzbefall reagierten. Das Landwirtschaftsministerium - von dort hatte man grünes Licht für die Plantage bekommen - empfahl Mittel gegen den Pilz, und er verschwand.

Die Pflanzenpolster gediehen in diesem Frühjahr ausschließlich mit den Niederschlägen, auch Düngemittel brauchten sie nicht. Denn die Erde im Pla ist an Nährstoffen reicher als die Standorte an der Küste. Doch weil die Pflanze keine Konkurrenz am Standort verträgt, jätete man im Winter häufig Unkraut.

Vom Feld ins GlAS

Wenn alle Big Bags gefüllt sind, setzen sich die Pflücker in der Fabrikhalle im Kreis auf und sortieren das Schnittgut. Aussortiert werden vertrocknete Pflanzenteile und Unkraut. Übrig bleiben die intakten zarten Ästchen mit den sukkulenten Blättern. Diese werden einen Monat lang in einem lichtdichten 250-Liter-Bottich nach altem Rezept in Essig, Wasser und Salz eingelegt. Nach einem Monat ist die Konservierung abgeschlossen, der Meerfenchel wird in Gläser abgefüllt und kommt unter dem Namen fonoll marí in den Handel.

Die dreiwöchige Ernte wird mit rund 6.000 Kilogramm den Jahresbedarf der Firma decken. Im Herbst kommt noch einmal die gleiche Menge hinzu, es wird also zu einem Überschuss kommen. Doch es muss gepflückt werden, weil die vertrockneten Pflanzenteile die Ernte im kommenden Jahr erschweren. Hinzu kommt, dass Restaurants und Hotels derzeit nur zögerlich ordern, weil es für die kommende Saison noch keine Sicherheit gibt.

„Wir sind trotzdem mit dem Ergebnis zufrieden", sagt Alcaide. Das Schnittgut werde künftig immer pünktlich eintreffen und taufrisch in die Bottiche kommen. Außerdem freue man sich nicht nur im Umweltministerium, dass sich der wilde Meerfenchel erholt.