Aufmerksamen Strandgängern mag es schon einmal aufgefallen sein: Die Sonne brennt, die Temperaturen steigen - doch statt zur kühlen Cola greift so mancher Rettungsschwimmer auf Mallorca lieber zu einem bauchigen Gefäß mit langem Trinkhalm, aus dem leichter Dampf aufsteigt. Mate-Tee ist bei vielen der socorristas auf Mallorca sowohl ein Kult- als auch ein Traditionsgetränk - denn eine Großzahl von ihnen stammt aus Argentinien, und dort ist der Aufguss gar nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Seine Zubereitung folgt einer Philosophie, sein Konsum hat etwas von Happening. Da ist es für Mate-Anfänger gar nicht so leicht, alles richtig zu machen.

„Mate ist wie ein Teil von mir", sagt Martín Rodrigo, und in seiner Stimme schwingt tatsächlich Leidenschaft mit, so, als ob er von seiner Lieblingsband reden würde, oder von einem faszinierenden Hobby. Rodrigo ist Argentinier und betreibt in Palma den Laden „Mediterranean Distribución" mit Produkten aus seinem Heimatland. Jeden Tag trinke er mehrere Liter Mate-Tee, und das bereits, seit er ein kleines Kind ist, sagt er, und versucht, seine Passion zu erklären. Da sei einmal die lange Tradition - ursprünglich stammt das Aufguss-Getränk noch aus der Zeit vor der Kolonialisierung, bereits die Ureinwohner, die Guaraní, die vor allem in Paraguay, Nordargentinien und Teilen Brasiliens lebten und teilweise auch heute noch leben, gossen die Kräutermischung mit warmem Wasser auf. „Es gehört einfach zu uns, es ist ein Gefühl. Und außerdem ist es stimulierend, muntert auf, belebt."

Noch heute setzen viele als Trinkgefäß wie damals auf ausgehöhlte und mit Wärme präparierte Flaschenkürbisse. „Mate nennt man das Gefäß, der Tee an sich heißt yerba mate", erklärt Rodrigo. Er verkauft aber auch Becher aus Glas, Holz oder Kunststoff. Ebenfalls ein Muss ist der eigens fürs Mate-Trinken vorgesehene Trinkhalm aus Metall, genannt bombilla. „Das Sieb am unteren Ende verhindert, dass man Stücke der Kräutermischung mit trinkt." Hinzu kommt eine herkömmliche Thermoskanne, mit dessen Inhalt die Kräuter immer wieder aufgegossen werden können. „Bis zu 1,5 Liter kann man zugeben, ohne neue yerbas einfüllen zu müssen." In einer eigens für das Kultgetränk vorgesehenen Mate-Tasche, der matera, tragen viele Südamerikaner das Getränk in fast allen Lebenslagen mit sich herum.

„Mit Mate beginnt man den Tag, man trinkt es mit Freunden, bei der Arbeit, beim Autofahren oder zum Feierabend. Für uns ist es wie der Kaffee für die Europäer, nur noch wichtiger", so Gonzalo Regusci, der in Manacor die uruguayische Konditorei Dulce de Leche betreibt, in der er auch rund 30 Sorten yerba mate verkauft. Er besteht darauf, das Mate in Uruguay sogar noch populärer sei als in Argentinien. Tatsächlich gibt es auf Uruguays Straßen eigens Heißwasserautomaten, an denen man gegen ein paar Cent seine Thermoskanne auffüllen kann, Einkaufszentren und Märkte sind voll mit Mate-Zubehör. „Die uruguayische Nationalmannschaft hat zur WM nach Russland 2018 gut 300 Kilo yerba im Gepäck gehabt, heißt es", sagt Regusci und klingt stolz auf die Bilanz. Er will auch von einer Uruguayerin auf Mallorca gehört haben, die während der Ausgangssperre auf dem Weg zum Yerbas-Kauf in eine Polizeisperre geriet, und nach einigen Diskussionen mit der Inselpolizei schließlich weiterfahren durfte. „Es ist für uns ein Gegenstand des täglichen Bedarfs. So wie für andere Tabak, nur viel gesünder."

Im Internet findet sich eine ganze Palette von Vorzügen, die dem Heißgetränk zugeschrieben werden, unter anderem sei es verdauungsfördernd, stille das Hungergefühl, stärke den Kreislauf, die Muskeln und den Stoffwechsel. „Es kam mal eine Studie auf, die nahelegt, dass Mate-Konsum krebserregend sein könnte, das wurde aber nie belegt", so Regusci. „Es gibt viele Sorten, die sich in der Qualität unterscheiden, und darauf kommt es an." Der Uruguayer rät vor allem den Deutschen, die zu ihm in den Laden kommen und sich als Mate-Anfänger outen, zu rein organischen Mischungen ohne künstliche Zusätze. Wichtig sei es, dass man das Wasser nicht kochend heiß auf die Kräuter schütte. „Etwa 80 Grad sind ideal", bestätigt Martín Rodrigo.

Grundlage der yerbas mate ist stets der Mate-Strauch (Ilex paraguariensis), eine Gattung der Stechpalme, deren Blätter klein gehackt und getrocknet werden. Hinzu kommen je nach Sorte andere Kräuter, die den Geschmack und den Koffeingehalt verändern. „Grundsätzlich ist der Geschmack bitter, aber es gibt auch Mischungen mit getrockneten Orangen-, Pampelmusen- oder Beerenschalen", so Martín Rodrigo. Hier zeigen sich Unterschiede zwischen den Mate-Ländern: Während man in Uruguay schnell als „alte Tante" abgestempelt wird, wenn man Zucker, Süßstoff oder Früchte in den Aufguss mischt, ist das in Argentinien verbreitet. In Paraguay setzen viele auf die Kalt-Variante Tereré.

Allen gemein aber sei der soziale Charakter. „Man trinkt Mate auch allein, aber am liebsten teilt man ihn mit Freunden. Das ist momentan mit Corona schwierig, aber das Teilen ist eigentlich sein wichtigster Bestandteil", so Martín Rodrigo. Hier sollten Anfänger besonders aufpassen, wenn sie nicht in ein Fettnäpfchen treten wollen. „Wenn dir jemand seinen Mate reicht, dann fass auf keinen Fall den Trinkhalm mit der Hand an", rät Gonzalo Regusci. Das sei ein absolutes No-Go. Stattdessen darf man gern daran saugen, einen Schluck nehmen und ihn dann an seinen Nebenmann weiterreichen. „Hauptsache, man verwackelt die yerbas nicht, denn dann verwässert der Aufguss."

Das Berühren des Halms mit der Hand ist seit jeher nur demjenigen gestattet, der die Mischung aufgegossen hat, dem sogenannten cebador. Wie viel Erfahrung jemand hat, zeige sich dann auch ziemlich schnell. Einfach nur Kräuter rein und Wasser drauf sei nämlich noch lange kein anständiger Aufguss. „Ich habe einen Freund, der macht den besten Mate, da kommt niemand ran, er hat es einfach drauf", so Regusci. So ganz genau erklären, wie man einen besonders guten Mate aufgießt, könne man aber nicht, so auch Rodrigo. Es habe mit Gefühl zu tun, Erfahrung, kleinen Kniffen. Damit, in welchem Winkel man das Wasser eingieße, wie viel Wasser man hinzugebe („in etwa so, dass die Hälfte der yerbas bedeckt ist, auf keinen Fall mehr"), wie fest die Mischung zusammengedrückt sei. Entmutigen will Regusci deutsche Anfänger aber nicht. „Ich lade jeden herzlich ein, bei mir im Laden einen Mate mit mir zu trinken und zu lernen", sagt er herzlich. Gastfreundschaft, das sei nämlich auch ein Bestandteil der uruguayischen Kultur.