Gerade erst waren sie von Can Pastilla nahe Palma de Mallorca aus losgesegelt, da brachte der starke Wind BJ Simons' Segelboot schon das erste Mal zum Kentern. „Wenn das gleich noch drei- bis viermal passiert, werde ich keine Kraft mehr haben, es herumzudrehen", sagte er sich erschrocken angesichts der am 1. Juli vorherrschenden Windverhältnisse. Aber dann erreichten er und sein Kollege Cam Marshall, der in einem separaten Boot unterwegs war, in nur viereinhalb Stunden den ersten Halt ihrer einwöchigen Tour: das Cap de Ses Salines.

Weil sie nach dem Lockdown mal wieder ein Abenteuer erleben wollten, hatten sich die beiden Freunde im Mai in einem Anflug von Langeweile vorgenommen, in sieben Tagen mit zwei kleinen sogenannten Laser-Segelbooten die Insel zu umrunden. „Damals gab es wegen der Pandemie noch keine Garantie, dass man bald wieder reisen darf", erzählt Simons, Profi-Segler aus Neuseeland, der seit zehn Jahren mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf Mallorca lebt. „Mit einem so kleinen Boot um die Insel zu segeln, hat mich echt an meine Grenzen gebracht", so der 41-Jährige.Bei Olympia im Einsatz

Eigentlich sind die Boote, die 2012 auch bei den Olympischen Spielen im Einsatz waren und nur 3,8 Meter lang sind, nicht dafür gemacht, sich weit von der Küste zu entfernen. Auch der Platz, um Verpflegung und Ausrüstung für mehrere Tage zu lagern, ist extrem begrenzt. „Doch je kleiner das Boot, desto mehr Abenteuergarantie", meint Cam Marshall schmunzelnd, mittlerweile Kapitän auf einem Regatta-Segelboot. Gerade die Tatsache, dass nur er selbst für das Manövrieren des Bootes verantwortlich war und keine weiteren Crew-Mitglieder an Bord waren, habe ihn gereizt.

Sicherheit durch Begleiter

Keinesfalls verpassen wollten auch Andrew Turton und Christoph Horbat die Reise ihrer neuseeländischen Freunde, die sie vom Cap de Ses Salines zur Cala Petita, weiter zur Cala Murta, nach Sa Calobra und schließlich nach Sant Elm führte. Also beschlossen sie, die beiden in einem Motorschlauchboot zu begleiten. „Wir waren sozusagen die Notfallsicherung, das Safety-Boot, haben Essen besorgt oder sie auch mal gezogen, wenn es lange keinen Wind gab, wie kurz vor Sant Elm", so der Deutsche Christoph Horbat, der auf Mallorca als Freelancer-Bootsbauer arbeitet. Nach anfänglichen Motorproblemen starteten Turton und Horbat von Cala Nova aus zum ersten Halt, dem Cap de Ses Salines. Bei ihrer Reise um die Insel sammelten sie auch immer jede Menge Plastik ein. Turton hatte sogar 2015 eine Meeresmülltonne (engl. seabin) auf den Markt gebracht, die mittlerweile in fast tausend Häfen auf der ganzen Welt zum Einsatz kommt. Zum Mitnehmen war diese freilich ungeeignet. Aber die beiden Segler fischten per Hand bei ihrer Begleitfahrt rund 65 Kilo Plastik aus dem Wasser und von den Stränden.

„An der Cala Petita haben wir einen Einheimischen getroffen, der allein stundenlang an der Oberfläche schwimmendes Plastik herausgezogen hat", erzählt Simons. „Er erzählte uns, dass er das jeden Tag macht. Da war ich ganz schön gerührt."

Attraktive Begleitung

Auch die leeren Felsenhöhlen rund um die Insel und die meterhohe Steilküste im Westen der Insel hätten ihn und seine drei Segelfreunde immer wieder fasziniert. „Man kommt sich so winzig vor, wenn man dort hochschaut", schwärmt Simons. „Mallorca ist von der Seeseite aus noch viel schöner. Während der ganzen Umsegelung der Insel haben wir durchgehend nur Postkartenmotive gesehen", so der Familienvater.

Auch so schnell nicht vergessen wird er den Tag, an dem Wale und Delfine die beiden Segler begleitet haben. „Vor allem wenn kein Wind weht und man gut mal 14 Stunden bis zum nächsten Halt unterwegs ist, kann sich der Tag auf dem Boot echt in die Länge ziehen. Über eine so attraktive Ablenkung freut man sich da umso mehr." Da die Boote so klein sind, sei man in direktem Kontakt mit der Natur und der Tierwelt, bestätigt auch Marshall.

V. li.: Andrew Turton, BJ Simons, Cam Marshall und Christoph Horbat.

Das war richtiges Segeln

Für ihn waren vor allem die ersten Stunden des Trips, als der Wind für ihn gerade richtig stand, eine der beeindruckendsten Erfahrungen. „Das war richtiges Segeln", schwärmt der 36-Jährige. Nahe Cala Ratjada seien die Wellen an einem Tag zudem so hoch gewesen wie der Mast der Boote, eine echte Herausforderung für den Segler. Dort kam es dann auch fast zum Crash mit einem sich nähernden motorisierten Fischerboot. Das Boot sei auf der Seite des Motors so schwer im Wasser gelegen, dass nur seine Spitze herausragte und der Fischer Marshall und sein Segelboot nicht sah. Eigentlich haben die Segler wegen ihrer eingeschränkten Steuermöglichkeiten Vorfahrt. Doch in diesem Fall half nur Ausweichen. „In letzter Sekunde habe ich meinen Kurs noch geändert und bin nur etwa vier Meter entfernt an dem Boot vorbeigesaust", erzählt Marshall.

Manchmal sei das Segeln auch ein Wettbewerb unter den beiden Freunde gewesen, zwischen ihnen lagen zwischendurch ganze sieben Kilometer. In Kontakt waren die beiden trotzdem immer, per Funkgerät und Handy. Am Ende trafen sie sich und kamen gemeinsam ins Ziel, wo auch ihre Familien auf sie warteten. „Sie haben uns am Strand mit ,Willkommen zurück Papi'-Schildern empfangen", erzählen die Segler. Beide haben übrigens dieselbe Schwiegermutter, die österreichischen Betreiberin der Flip Flop Bar in Can Pastilla, Carmen Mainusch: Zwei ihrer drei Töchter sind jeweils mit einem der beiden Segler verheiratet.

Und was steht als nächstes Segel-Projekt an? „Um die Balearen oder erst einmal Menorca. Wir wollen uns ja nicht zu viel vornehmen", sagt Marshall lachend. „Dann gern auch mit einem größeren Boot, damit die Kinder

mitkommen können." Gefährlich fanden die beiden den Trip um Mallorca auf ihren Mini-Booten auch im Nachhinein nicht. „Zumindest sicherer als hier auf der Insel bei Rechtsverkehr Auto zu fahren."