Wer den Souvenirshop Can Llabrés in Porto Cristo im Osten von Mallorca betritt, der mag auf den ersten Blick nicht erahnen, dass er ein Urgestein des Inseltourismus vor sich hat. Hier gibt es das gleiche Sortiment, an das sich das geübte Urlauberauge beim Bummel durch Touristenorte schnell gewöhnt hat: Postkarten, Magnete, Schnapsgläser, Aschenbecher, Schirme - allesamt mit „Mallorca"-Aufdruck, allesamt in der gleichen, wenig originellen Optik und der minderen Qualität, die auch Mitbringsel in jeder anderen beliebigen Urlauberregion auszeichnen. Dazu Portemonnaies, Sonnenbrillen und Taschen im Billigsegment. Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Denn zwischen dem typischen Ramsch finden sich im Can Llabrés hochwertige Unikate. Und die Geschichte des Ladens ist alles andere als gewöhnlich.

75 Jahre ist es her, dass Can Llabrés eröffnete. Und wer mit der Inselgeschichte vertraut ist, weiß, dass im Jahr 1945 Touristen auf Mallorca noch seltener waren als heute leere Strände. Kein Wunder also, dass die Bewohner Porto Cristos den jungen Unternehmer Maties Llabrés Florit skeptisch beäugten, als er - als Erster im gesamten Inselosten - entschied, ein Geschäft zu eröffnen, in dem Urlauber Andenken an ihre Ferien erstehen können.

Die Nachbarn gaben ihm zwei Monate, wenn überhaupt. Sie bemühten sich nicht einmal, ihre Skepsis zu verbergen", plaudert Cati Mascaró aus dem familiären Nähkästchen. Sie ist mit Toni Bonet Llabrés verheiratet, dem Enkel des Gründers, und führt das Geschäft heute mit ihrem Mann. Ihre Schwiegergroßmutter, die Gattin des Gründers, habe sich damals in den 40er-Jahren deutlich unwohl gefühlt, weil alle über sie und ihren Mann mit der komischen Geschäftsidee redeten. „Sag ihnen, wir werden nicht nur Brot zu essen haben, sondern bald auch Langusten", soll Gründer Maties Llabrés ihr aufmunternd geraten haben. Und behielt recht: Er, der als Zugezogener aus Sencelles ohnehin nicht gleich mit offenen Armen in der Dorfgemeinschaft aufgenommen worden war, hatte nicht nur eine Marktlücke gefunden, sondern auch auf eine Branche gesetzt, die in den folgenden Jahrzehnten ungeahnte Dimensionen annehmen sollte.

„Zunächst war das Geschäft nur eine kleine Kammer und hatte nur mittwochs und sonntags geöffnet", gibt Cati Mascaró die Erzählungen von damals weiter. Dann nämlich habe in den nahe gelegenen Drachenhöhlen ein Konzert stattgefunden, zu dem die Pionierurlauber in Bussen gefahren wurden. Mit dem Tourismusboom in den 50er- und 60er-Jahren dehnte Llabrés nicht nur die Öffnungszeiten aus, sondern 1965 auch die Geschäftsräume. In einer aufwendigen Komplettsanierung des Gebäudes an der Plaça de s'Aljub richtete er sich ein weitläufiges Ladenlokal ein, in dem ihm in den folgenden 20 Jahren die Kunden die Tür einrennen sollten. „In der Hochphase arbeiteten hier elf Angestellte, alle in feinen Kostümen, die jeden Tag aufgebügelt wurden", berichtet Cati Mascaró. Sie selbst kann sich noch ein bisschen an diese Zeiten erinnern. Mit 16 Jahren fing sie 1983 selbst als Verkäuferin an, damals stand das Geschäft bereits unter der Führung ihres Schwiegervaters Pedro Bonet Fai. „Es war eine tolle Zeit, wir fühlten uns wie eine Familie und haben vor allem qualitative Lederware verkauft." Hier lernte sie auch den Sohn ihres Chefs kennen, ihren künftigen Ehemann und Vater ihrer vier Kinder.

Es waren ganz andere Zeiten. Die Kunden kamen mit Händen voller Artikel an die Kasse, und wir waren hauptsächlich damit beschäftigt, alles einzupacken. Heute besteht meine Hauptaufgabe darin, die Menschen zu überzeugen, überhaupt etwas mitzunehmen."

Tatsächlich betritt während des Besuchs der MZ nur eine einzige Urlaubergruppe den Laden und verschwindet schnell wieder, ohne etwas mitzunehmen. Dabei braucht es eigentlich Zeit, um all die Artikel zu erfassen, die hier ausgestellt sind. Es gibt Perlenschmuck, Parfüm, Spielzeug, Tischdeckchen, sogar Oster- und Weihnachtsdeko. „Viele Kunden wundern sich darüber, aber dann sage ich ihnen, dass sie doch im Dezember sicherlich nicht wiederkommen, und einige nehmen dann doch den ein oder anderen Weihnachtsmann mit", so Cati Mascaró.

Sie weiß selbst nicht annähernd, wie viele Artikel sich im Laden befinden - wohl aber, was darunter hochwertig und wertvoll ist. „Diese Porzellanfiguren zum Beispiel sind handbemalt, und ihre 600 Euro auf jeden Fall wert", sagt sie und deutet auf eine Vitrine. Genau wie der Kerzenleuchter für 100 Euro, der im hinteren Teil ausgestellt ist und von einem Künstler in Campanet stammt. Auch die Kleidungsstücke aus Madrid seien ihren Preis wert. Ebenso die handgemachten Palmkörbe aus einer Manufaktur in Capdepera, die sich schon in den 40er-Jahren gut verkauften.

„Aber wenn wir nur auf hochwertige Produkte setzen, können wir den Laden schließen, denn das Urlauberprofil

hat sich gewandelt", erklärt Mascaró. Anders als früher setzten die meisten Leute ihre Priorität jetzt mehr auf gutes Essen und eine komfortable Unterkunft statt auf teure Geschenke für die Angehörigen zu Hause. „Wenn die Urlauber heute Mitbringsel für Freunde kaufen, dann müssen sie preiswert, klein und leicht sein, um in den Koffer zu passen." Doch hin und wieder komme dann eben doch ein Kunde, der bereit sei, mehr Geld auszugeben. „Dann aber eher für sich selbst. Meist sind das Ausländer, die ein Zweithaus auf Mallorca haben."

Dass man - heute angesichts der Konkurrenz durch billige Chinaläden, früher wegen der sich wandelnden Geschmäcker der Urlauber - statt auf Nostalgie besser auf Trends setzt, habe schon Gründer Maties Llabrés gemerkt. „Auch unter ihm wurde das Sortiment immer wieder angepasst." Heute posten Cati Mascaró und ihr Mann die neue Ware stets bei Instagram. „Und tatsächlich kommen darauf immer auch viele Einheimische in den Laden, um mal zu schauen, was es sonst Neues gibt."

Ein Treffpunkt wie damals, in den 60ern, als sich das halbe Dorf regelmäßig im Laden versammelte und teilweise sogar getanzt wurde - die anfängliche Skepsis der Anwohner hatte sich da bereits verflüchtigt - ist das Can Llabrés natürlich nicht mehr. Die Hälfte des Ladens hat mittlerweile ein anderes Familienmitglied abgetrennt und zu einer Bar umfunktioniert. Wirklich gleich geblieben wie zur Glanzzeit 1965 sei eigentlich nur die Ästhetik des Geschäfts, die rundbogenförmigen Durchgänge, die Steinwände, die hölzernen Deckenbalken und die metallgerahmten Fenster.

Mascaró: „Wir haben es im Jahr 2000 renovieren lassen, aber das alte Design erhalten."

Dass eines ihrer Kinder das Familienunternehmen weiterführen wird, bezweifelt die 55-Jährige. Dafür sei der Ertrag einfach zu gering. „Aber wer weiß. Die Pessimisten hatten ja auch vor 75 Jahren schon unrecht."