Als die Besucher auf Mallorca aus dem Auto steigen wollen, wird ein Hund von einem jungen Mann auf Französisch zurückgerufen. Für eine Begrüßung ist keine Zeit, es gibt Wichtigeres zu tun, denn die Hühner sind am frühen Morgen ausgebüxt. Das Federvieh war, wie auch die Rinderherde, vor einem Jahr mit dem deutschen Biofarmer Georg Bräutigam (57) von dem Pachthof Binifela bei Capdepera auf den neu erworbenen Hof Son Piol bei Vilafranca umgezogen. Zwei Unterstände, die Planwagen ähneln, dienen den Hennen jetzt als Hitzeschutz und Nachtquartier. Das ganze Areal ist mit dickem Stroh ausgelegt. Damit könnte die Hühnerschar eigentlich zufrieden sein, doch jenseits des Zaunes ist das Gemüse reif. So ist jedes Schlupfloch recht, um auszubüxen und es anzupicken.

Die Farm

Damit den Hühnern das nicht gelingt, gibt Bräutigam Anweisungen, den Zaun zu reparieren. Das nehmen drei junge Leute in die Hand, die über das Programm „World-Wide Oppor­tunities on Organic Farms" (Wwoofers) zu ­Bräutigam gekommen sind, um zu lernen, wie biologischer Anbau geht. Meist sind sie nur kurze Zeit auf der Insel. Die US-Amerikanerin Hannah Frase ist jedoch schon seit vergangenem Herbst mit von der Partie. „Die Hühnerschar hat sich seit dem Umzug verdoppelt", sagt sie.

Auch der Gemüseanbau ist richtig in Schwung gekommen. Bräutigam ist zurzeit der einzige deutsche Biolandwirt, der sein Gemüse über Mallorcas Kooperative „Va de Bio", liefert. Seine Produkte werden samstags in Palma an der Plaça del Bisbe Berenguer de Palou (auch als Plaza de los Patines bekannt), täglich auf dem Mercat de l'Olivar und, ebenfalls samstags, auf der Plaça von Alaró verkauft. Das Biogemüse und andere Lebensmittel kann man auch unter www.vadebio.bio ordern.

Stroh statt Folie

Noch während der Zaun repariert wird, beginnt der Finca-Rundgang. Doch als die Be­sucher das riesige Gemüsefeld erreichen, ­tauchen die Hühner wieder auf. Sie sind dabei, schnurstracks auf ein Beet zuzurennen, das mit einem grünen Netz bedeckt ist. Dass sie auch wieder verscheucht werden, werden sie nicht verstehen, denn vor einem Jahr standen die Planwagen genau hier. Wo heute Gemüse wächst, war ihr Revier. Sie haben es gründlich gedüngt, bevor Bräutigam und seine Helfer, die Regeln der Permakultur befolgend, eine dicke Schicht Stroh über die Erde streuten.

„Weder haben wir den Acker gepflügt noch eine Unkrautfolie ausgelegt", sagt ­Bräutigam, obwohl diese biologisch abbaubar verfügbar ist. Während Bräutigam die langen Pflanzreihen entlanggeht, zupft er immer wieder Unkraut und wirft es auf die dicke Strohschicht. Denn die zersetzt sich, sodass an den freien Stellen Unkraut wachsen kann. Über dem Stroh sind Bewässerungsrohre sichtbar. Das Wasser enthielte hier wesentlich weniger Kalk als an seinem frühereren Standort bei Cap­depera, sagt der Öko-Landwirt.

Pflanzreihen

Zu kleinen Büschen ist die Minze (Mentha ­spicata bot., hierbabuena span., herba bona kat.) herangewachsen, ebenso wie das ­großblättrige Genueser Basilikum (Ocimum basilicum bot., ­albahaca, span., alfabaguera, kat.). Die Kräuter werden als Bündel oder nach Gewicht verkauft. Das Indische Basilikum (Ocimum tenui­florum bot.) wächst hier auch deshalb, weil es mit seinem Blütennektar Bienen anlockt. „Gestern haben wir den ersten Honig geschleudert", berichtet Bräutigam. Die Bienenstöcke befinden sich, etwas entfernt von den Gebäuden, am Rand der Rinderweide.

In weiteren Pflanzreihen gedeihen hier Okrapflanzen (Abelmoschus esculentus bot., quimbombó span., gombo kat.). Auf einem breiten, jetzt noch leeren Streifen daneben sollen bald Kohl, Rote Bete und anderes Wintergemüse angepflanzt werden. Im Anschluss daran bedeckt ein riesiges grünes Netz am Boden liegende Stauden, an denen Flaschentomaten reifen, die zuvor das Ziel der gefräßigen Hühner gewesen waren.

Auch der kleine, mit Naturmauern eingefasste Gemüsegarten beim Haus ist bei den Gefiederten ein begehrtes Ziel. Hier hängen sorgfältig an Schilfstangen gebundene Sorten wie die Schwarze Tomate oder die Cor de Bou. Zucchini wuchern in Bodennähe und tragen dicke Früchte. Der Palmkohl bildet lange Blätter auf hohen Stängeln.

Pflanzen als Kläranlage

Bräutigam hat dafür gesorgt, dass das Wasser wiederaufbereitet werden kann. Gefiltert wird das Wasser aus Dusche und Spüle nun von den Wurzeln hoher Sträuchern wie etwa der Tabakpflanze (Nicotiana tabacum bot., tabaco span., tabaquera kat.), dem Strauch-Schneckenklee (Medicago arborea bot., alfalfa arbórea span.) sowie dem Spanischen Schilfrohr (Arundo do nax bot., caña comun span., canya kat.).

Der Rundgang endet bei dem Gehege der Hühner, die nun alle versammelt sind. Bald werden ihre Eier und das Gemüse von Son Piol das Öko-Zertifikat erhalten. Derzeit befindet sich die Farm in der Übergangsphase vom konventionellen zum ökologischen Anbau. Im September wird diese Phase enden.