Am Hafen von Cala Ratjada im Nordosten von Mallorca riecht man die frische Ware, noch bevor man sie sieht. Es ist 17.30 Uhr am Donnerstagnachmittag (6.8.) und die Fischerboote liegen bereits wieder vor Anker. Ein Großteil des Fangs wird direkt in Eis verpackt nach Palma transportiert, um am nächsten Tag im Morgengrauen an der Fischbörse verkauft zu werden. Doch von zwei der insgesamt 14 Boote schleppen Männer in Gummistiefeln die Ausbeute des Tages in die kleinen Räumlichkeiten des Fischereiverbands neben dem Gebäude der Hafenpolizei. Täglich wird hier fangfrischer Fisch direkt aus dem Meer an den Endkunden gebracht.

„Man weiß vorher nie, was dabei ist, aber frischer geht es nicht", sagt Valeria Caponera. Sie ist dafür zuständig, dass der Fang erst abgewogen und dann auf Eis im Verkaufsraum ausgestellt wird. In speziellen Becken schwimmen bereits lebendige Krustentiere, die schon vor ein paar Tagen ins Netz gegangen sind.

Wochentags von 18 bis 19 Uhr öffnet Caponera die Tür für die Kunden. „Es ist vor allem ein Service für die Bewohner und Urlauber vor Ort", erklärt Caponera und hilft mit, die ersten Fischkisten in der Auslage zu sortieren. „Heute sind viele Garnelen (gambas, span.) dabei", sagt sie zufrieden. „Die verkaufen sich immer gut."

Und die Fischer schaffen immer mehr Leckereien heran: Da sind Seehechte (lluços kat., merluzas span.) , die bei Kindern wegen des nicht sehr intensiven Geschmacks und der wenigen Gräten oft gut ankommen. Auch Flügelbutte (bruixes, kat.) sind den Fischern ins Netz gegangen, die als gute Kalziumquelle gelten und auf Mallorca etwa mit Paprika, Kartoffeln und Olivenöl als bruixa amb patates i pebrots angerichtet werden. Und natürlich morralla, also gemischter Beifang, der sich für Fischsuppen eignet und günstig zu haben ist. „Vor allem die ausländischen Kunden sind oft etwas zurückhaltend, da sie nicht wissen, wie sie die jeweiligen Arten zubereiten sollen, aber da berate ich gern", sagt Caponera.

Meist seien es dann aber doch Einheimischen, die den Weg zum Direktverkauf am Hafen fänden. So auch heute: Um kurz vor 18 Uhr hat sich bereits eine kleine Schlange gebildet, vornehmlich ältere Leute stehen mit Weidenkörbchen und Corona-Schutzmasken vor dem Laden. „Treten Sie ein, aber beachten Sie die maximale Personenanzahl", ruft Caponera, und der Verkauf beginnt. Auch Lourdes Martín aus Cala Ratjada ist unter den Käufern. „Ich komme fast jede Woche, bei Fisch aus dem Supermarkt gefällt mir der Geschmack einfach nicht", sagt sie. Hier wisse sie wenigstens, dass der Fisch frisch sei, auch wenn man dafür ein bisschen mehr Geld investieren müsse. Noch kurz ein Schwätzchen halten, dann kommt sie zufrieden und mit gefüllter Tüte aus dem Verkaufsraum. „Ich habe gleich mehrere Sorten gekauft, ich friere sie bis zu drei Tage lang ein und verarbeite sie dann nach und nach", berichtet Martín.

Auch Margarita Morell ist fündig geworden. Neben Garnelen hat sie einen Leierknurrhahn (rafel) erstanden, der sich besonders gut fürs Fischragout eignet. „Wir kommen immer extra aus Porto Cristo hierher, um frischen Fisch zu erstehen", berichtet die Rentnerin und deutet auf ihren Mann, der bereits am Kai wartet. In Porto Cristo habe es vor wenigen Jahren zwar auch einen regelmäßigen Direktverkauf am Hafen gegeben, mittlerweile sei dieser jedoch größtenteils eingestellt worden. „Die 20 Minuten Fahrt nehmen wir gern auf uns, das ist es wert", sagt Morell.

Als gegen 18.45 Uhr der Andrang nachlässt, hat Verkäuferin Valeria Caponera Zeit, kurz durchzuatmen. Die Krustentiere schwimmen immer noch in den Wasserbecken, vom Fisch in der Auslage ist aber einiges verkauft worden. „Außer während des Lockdowns, als wir natürlich geschlossen hatten, haben wir die Krise hier nicht gespürt", berichtet sie. Wer Wert auf qualitativ hochwertige Nahrungsmittel lege, komme nach wie vor. Und ab dem 31. August vermutlich sogar in noch größerer Anzahl. Dann nämlich beginnt die Fangsaison der Goldmakrele (llampuga, kat.). „Und die zieht immer Leute an."