Der Fahrer steuert den Anhänger geschickt rückwärts auf die Waage. Seine Ladung ist für die Firma Carob S.A. im Gewerbegebiet von Marratxí auf Mallorca bestimmt. Hier werden die Kerne aus den Schoten des Johannisbrotbaumes verarbeitet. Dies aber nicht nur während der Erntezeit. „Wir kaufen das ganze Jahr auf der Insel, dem spanischen Festland und im Ausland Samen ein", berichtet die Vertriebsmitarbeiterin Antonia Oliver. Um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, bemühe man sich natürlich auch, günstig einzukaufen.

Die Ernte

Acht bis 15 Samen liegen, eingebettet in kleinen Kammern, im hellbraunen Fruchtfleisch jeder Schote, die von einer dunkelbraunen Hülle überzogen ist. Sie ist die Frucht des immergrünen Johannisbrotbaumes (Ceratoniasiliqua bot., algarrobo span., garrover kat.)

, die im August und September geerntet wird.

Doch bevor der im Spanischen garrofín (garrofin kat.) genannte Kern in den Maschinen von Carob verarbeitet werden kann, müssen sie von den Schoten getrennt werden. Diesen Prozess übernehmen die Kooperativen oder die

algarrobas verarbeitende Firmen, bei denen die Landwirte ihre Ernten abliefern. In diesem Jahr haben sie einen Preis von rund einem Euro pro Kilogramm erhalten.

Sind die Schoten feinsäuberlich von den Samen getrennt, übernehmen Händler den Verkauf: Fruchtfleisch und Hülle galten lange als billiges Abfallprodukt, werden jedoch seit einigen Jahren als glutenfreie natursüße Bio-Zutat statt Schokolade oder Kakao eingesetzt. Das begehrte Johannisbrotkernmehl wird dagegen aus den Samen gewonnen. Wie diese aussehen, ist auf dem Foto oben in dem Glas ganz links zu sehen. „Das wirklich Wertvolle an den Früchten sind die Samen", sagt Oliver.

Die Firma

Das erkannten Mitte der 1970er-Jahre bereits die Gründer der Firma Carob. Damals begann die Produktion des Mehls aus den Kernen des Johannisbrotes, das im Spanischen goma de garrofín genannt wird und auf Lebensmitteln mit E-410 gekennzeichnet ist. „Wir gehören zu den wenigen Produzenten von goma de garrofin, die noch nicht von internationalen Konzernen aufgekauft worden sind", sagt Toni Juan, der Sohn einer der drei Firmengründer.

Schon kleine Mengen des aus den Samen gewonnenen Mehls ist in der Lage, Flüssigkeit in eine gelartige Masse zu verwandeln. Diese Fähigkeit verdankt es speziellen Kohlehydraten, die als Gelier- und Bindemittel, aber auch als Stabilisatoren wirksam sind. Weil es sich um eine natürliche Substanz handelt, ist dieses Mittel in unbegrenzten Mengen in Lebensmitteln zugelassen und wird deshalb häufig Eiscremes, Marmeladen, Streichkäsen, Babynahrung, gekochtem Schinken, Säften, Puddings und Tiernahrung beigemischt.

Beliefert werden Lebensmittelkonzerne wie beispielsweise Mondelez, Unilever, Nestlé und Danone. Um mit Konzernen mit Sitz in den USA Kontakt zu halten, unterhält man ein Lager und ein Büro in Baltimore.

Die Produktion

Gut 20 Jahre nach der Gründung eröffnete man die Fabrik nach modernsten Standards in Marratxí, 30 Angestellte arbeiten dort, die Maschinen laufen Tag und Nacht. Toni Juan begleitet auf dem Rundgang durch die Anlage.

In der Halle herrscht ein ohrenbetäubender Lärm. Aus Sicherheitsgründen darf nur ein Teil besichtigt werden. So zum Beispiel nur von Weitem die Nirosta-Behälter, in denen die Kerne mit Schwefelsäure von ihrer harten Schale gelöst werden. Ganz nah kommt man den Kernen, wenn sie geschält auf einem Förderband liegen. Danach trocknen sie im Gebläse zweier dicker Röhren und werden von dort aus zu fünf Sortiermaschinen geführt.

Hier werden sie in Farbklassen von sehr hell bis ganz dunkel sortiert und fallen danach durch gelbe Rohre in große Säcke, die sich einen Stock tiefer befinden. Rein weißes Mehl liefert man beispielsweise an den Lebensmittelkonzern Mondelez für die Herstellung der Philadelphia-Produktkette. „Wenn die goma de garrofín als Zutat für Säfte oder Puddings zum Einsatz kommt, stören dunklere Partikel überhaupt nicht", erklärt Juan.

Doch noch ist es nicht so weit, denn erst folgt der nächste Produktionsschritt: die Spaltung des Samens. Für das Bindemittel E-410 wird nur das sogenannte Endosperm genutzt. Dieses umhüllt, ernährt und schützt den Keimling, für das Mehl wird es jedoch entfernt. Zurück bleiben hauchdünne Scheiben, Split genannt.

Jeweils einer der großen Säcke der nach Farben sortierten Splits werden dann zu einem verglasten Bereich transportiert, in dem sich die Mühle befindet. Lediglich am unerträglichen Lärm und am transparenten Aufsatz, in dem Mehl herumwirbelt, ist der Mahlvorgang zu erahnen. An einer Schalttafel mit vielen Lichtern gibt ein Angestellter die Kommandos für den Feinheitsgrad von normal über fino zu muy fino. In einem sterilen Abfüllraum, zu dem die Besucher ebenfalls keinen Zutritt haben, füllt man am Schluss der Produktion die fünf verschiedenen Mehlsorten ab, die in 25-Kilogramm-Säcken die Fabrik verlassen.

Der Baum

„Unsere Abnehmer verlangen Nachweise, dass die Bäume nicht gentechnisch oder mit Pestiziden behandelt worden sind", sagt Oliver. Doch das bräuchten die Johannisbrotbäume auf der Insel nicht, seit Jahrhunderten hielten sie dem Klima stand und blieben auch ohne Bewässerung mit wenig Pflege gesund.

Eine Investition für die Zukunft ist eine Plantage bei Manacor, auf der Carob vor einem Jahr 5.000 Jungbäume pflanzen ließ. Auf der Modellfinca düngt man mit den proteinreichen Keimen sowie den harten Samenschalen, die bei der Produktion übrig bleiben und auf diese Weise umweltgerecht recycelt werden. Es wird Jahre dauern, bis die Bäume erwachsen sind und geerntet werden können. Sicher ist, dass es sich um Sorten handelt, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Samen bilden werden, die einen hohen Prozentsatz an den Wirkstoffen liefern, die für die Qualität des goma de garrofín entscheidend sind.