Die wohl spektakulärste Zypressengruppe auf Mallorca ist in den Gärten des Landguts Raixa zu sehen. Dort bilden sie im Halbkreis den Hintergrund für die Apollostatue hoch oben am Ende der berühmten Treppe. Den Auftrag zu dieser bühnenreifen Kulisse gab Anfang des 19. Jahrhunderts der damalige Besitzer Kardinal Antoni Despuig i Dameto einem italienischen Architekten.

Die Idee zu diesem gestalterischen Element kommt nicht von ungefähr. Denn bei der Vergabe des botanischen Namens für die Zypresse Cupressus bediente sich der schwedische Botaniker Carl von Linné einer Figur aus der griechischen Mythologie und benannte sie nach dem Geliebten Apollos, Kyparissos. Dieser bat die Götter, nachdem er versehentlich sein geliebtes Reittier erschossen hatte, ihn vom Leid zu befreien. Die Götter erfüllten den Wunsch und verwandelten Kyparissos in eine Zypresse (lateinisch: cupressus), seine Tränen sollen zu Harz geworden sein.

Vorbild Italien

Ursprünglich flankierten Zypressen auch die gesamte Treppe von Raixa, heute sind die Mauern rechts und links dicht von Efeu bewachsen. Aber auch sonst sparte der italienversessene Würdenträger nicht mit der Pflanzung dieser Baumsorte. Man setzte sie damals, um den Loggia-Garten sowie den Zitronenhain vor Stürmen zu schützen.

Zu jener Zeit war es auf der Insel Mode, Gärten nach italienischem Vorbild zu gestalten. Die Auffahrten zu herrschaftlichen Landgütern sind seither von langen Reihen Zypressen gesäumt. Aber auch einfachere Höfe leisteten sich zumindest ein Exemplar. Es sollte Reitern und Wanderern von weit her sichtbar machen, dass sie hier rasten und eine Wegzehrung zu sich nehmen können.

Der Lebensbaum

Der damalige Besitzer von Raixa war aber nicht der Erste, der auf der Insel Zypressen pflanzen ließ. Vermutlich brachten die Phönizier sie aus Asien nach Südeuropa. In der Antike wurde sie in Griechenland und im Römischen Reich vielerorts kultiviert und spielte als Heilpflanze eine wichtige Rolle. Aber auch als Symbol: Die Pflanze galt in vielen - auch heidnischen Kulturen wegen ihrer Höhe- als Vermittler zwischen der Unterwelt und den Göttern.

Auf dieses Symbol wollte das Christentum nicht verzichten, und so wurde die Zypresse als Zeichen der Trauer auf christliche Gräber gepflanzt und gleichzeitig beliebtes Motiv für Grabstätten. Heute sind sie als Baumreihen am Eingang zum Friedhof in Artà zu sehen sowie neben der Treppe, die den Kalvarienberg in Pollença hinaufführt.

Alte Pflanzen

Man nimmt an, dass Zypressen das Alter von tausend Jahren erreichen. Gesichert ist jedoch, dass Exemplare der Gattung cupressus in US-amerikanischen Sümpfen schon über 2.000 Jahre alt geworden sind. Doch die Zypressengewächse sind evolutionsgeschichtlich noch viel älter, wie Wolfgang Seidel in seinem Buch „Die Weltgeschichte der Pflanzen" über Zypressen schreibt: „Fossilfunde gibt es aus dem Jura-Zeitalter (vor circa 200 bis

150 Millionen Jahren).

Selbstverständlich waren in diesem Jurassic-Park-Zeitalter auch die Dinosaurier schon unterwegs, all diese alten Pflanzen waren auch Dino-Futter - jedenfalls für die Pflanzenfressenden unter den Echsen, und das sollen ja die größten gewesen sein."

Vermehrung der Zypressen

Die Entwicklung der Zypresse hat sich seit dieser Zeit nicht groß verändert. Ihre Samen sind nicht von Fruchtblättern geschützt, sie bilden also keine Blüten. Deshalb ordnen sie Botaniker den Nacktsamern zu, wie auch Wacholder, Zeder und Kiefer. „Bei den Zypressen bilden sich männliche und weibliche Samen an einem Baum", erklärt der Botaniker Joshua Borrás von der Balearen-Universität.

An den Ästen des Vorjahres bilden sich im Frühjahr also wenige Millimeter große männliche Zäpfchen, die Botaniker Stroboskope nennen. Für allergische Gartenbesitzer können diese unangenehme Folgen haben, wenn der Wind Wolken von gelbem Blütenstaub aufwirbelt. Wenn dieser die weiblichen Zapfen befruchtet hat, schwellen sie an, und es dauert etwa 20 Monate, bis die Früchte zwei Zentimeter groß sind. Diese enthalten 15 Kammern, die nach dem Aufplatzen zahlreiche würzig duftende Samenkörner freigeben.

Essenzen und Öle

Nicht nur die Samen sind voll von antibakteriell wirkenden ätherischen Ölen. Auch die zwei bis fünf Millimeter langen Blätter mit ihrer schuppenartigen Struktur, die im botanischen Sinne keine Nadeln sind, enthalten heilsame Substanzen. Diese Stoffe entzieht ihnen der mallorquinische Destillateur Juan Cánaves aus Sant Joan im Wasserdampf. Dabei gibt das Blattwerk seine ätherischen Öle frei, und der Experte gewinnt winzige Flacons mit kostbarem Zypressenöl sowie Pflanzenwasser.

Die Baumstämme haben ebenfalls einiges zu bieten. Denn ihr Harz verhindert den Schädlingsbefall. Da die Bäume bis zu 30 Meter hoch werden können, lieferten sie früher widerstandsfähiges Bauholz. Weil es sich maschinell und manuell gut verarbeiten lässt und über eine interessante Maserung verfügt, war es bei Drechslern und Bildhauern geschätzt. Und weil es so gut duftet, wird das Holz noch heute zu Schmuck und Schalen verarbeitet.

Zypressen im Garten

Baumzüchter ziehen Zypressen aus Samen", sagt Miquel Àngel Llabrés von der gleichnamigen Gärtnerei in Manacor. Als Unterlage diene immer die Sorte Cupressus sempervirens (ciprés span., xiprer kat.), die dann mit anderen Sorten veredelt werde. Er selbst züchte die Zypressen nicht mehr. Die meisten Exemplare beziehe man heute aus Italien oder bei Baumschulen auf dem spanischen Festland.

Weil sie sich mit dem Wachsen beeilt, ist die Sorte C. sempervirens am preisgünstigsten, sie wird meistens als Heckenpflanze gewählt. Erika Könn, Gartenarchitektin aus Binissalem, schätzt Zypressenhecken, weil sie schmal sind und die Nachbarn nicht stören. Für ihr Design bevorzugt sie jedoch einzeln gepflanzte Exemplare, die sie mit Blühpflanzen kombiniert.

Je höher die Zypressen gewachsen sind, desto teurer werden sie, wobei die langsam wachsenden günstiger ausfallen. Zum Beispiel die schlanke C. sempervirens „Stricta" oder die feinnadelige, niedriger wachsende Toskana-Variante C. sempervirens „Totem". Darüber hinaus gibt es noch mehrere Arten von Scheinzypressen (Chamaecyparis „Columnaris") in verschiedenen Blattfarben und Säulenformen.

Die beste Pflanzzeit für diese Bäume auf der Insel ist im November und Dezember - setzt man sie später, kann es zu Pilzbefall kommen. Diesen erkennt man an trockenen Ästen im unteren Bereich der Zypresse. Hat sie jedoch die Kinderkrankheiten überstanden, gedeiht sie in der kalkhaltigen Inselerde bestens und hält Küstenstandorte ebenso wie wenige Minusgrade in den Bergen aus. Wo heftige Stürme vorkommen, befestigt man sie für ihre Stabilität mit Drahtseilen.

Bodo Drechsler, Profigärtner im Ruhestand, rät, kleine Äste, die aus der Form ragen, im Frühjahr zu schneiden. Für einen Heckenrückschnitt empfiehlt er die Wintermonate. Nach kräftigem Stutzen gießt Drechsler die

Zypressenpflanzen reichlich. Denn nur zum Anwachsen braucht dieser Baum Gießwasser. Danach ist er auf der Insel gärtnerisch überhaupt keine Belastung mehr und wird voraussichtlich älter werden als seine Besitzer.