Für eine Weihnachtsgeschichte der lokalen Backtradition ist man bei Tomeu Arbona goldrichtig. Im legendären Fornet de la Soca des Konditors duftet es jetzt köstlich nach Festtagsgebäck. Doch Arbona ist nicht nur in der Praxis ein Meister, als Experte für historische Rezepte nährt er beim MZ-Besuch auch den Geist mit Kostproben seines Hintergrundwissens über die süßen Klassiker der mallorquinischen Weihnacht.

Ganz typisch: die Coca de Navidad, eine größer gebackene Va­riante des süßen Brötchens aus Kartoffelteig. Mit Anis verfeinert gibt es sie oft als Coca de anís. „Ich glaube, die coca hat sich aus dem Brot ent­wickelt, ihr Ursprung könnte schon im ­Mittelalter liegen", erklärt Arbona in einem ruhigen Raum neben der geschäftigen Backstube. „Das Brot wurde für festliche Anlässe mit ausgewählten Zutaten an­gereichert. Kostbare Eier kamen in den Teig, Zucker und aromatische Extras wie Zitronenschale und Anis."

Früher, als die Menschen in bescheidenen Verhältnissen lebten und Feiertage noch ganz bewusst begingen, sei die coca zusammen mit dem Brot und den Ensaimadas zwei Tage vor Weihnachten gebacken worden. „Und das war eine richtige Zeremonie! In den Dörfern gehörte das zu den Festvorbereitungen, und man aß diese cocas nur zu Weihnachten", erzählt der Konditor. „Am Ende waren sie schon ein bisschen hart, aber man aß sie, als wären sie etwas Heiliges."

Heute gibt es die normalen cocas de patata das ganze Jahr über, doch die großen gehören immer noch zu Weihnachten dazu. Auf dem Weihnachtstisch begleiten sie oft eine Tasse heiße Schokolade und eine Auswahl mit Köstlichkeiten wie Neules, einem feinen Gebäck aus gerolltem Teig, und kleinen Portionen verschiedener Turrones.

Davon findet man im Fornet de la Soca eine prächtige Vielfalt. Sie alle werden nach alten, geretteten Hausrezepten hergestellt. Ihre Hauptquelle: die Rezeptsammlung eines Klosters in Palma. Eine ganz besondere Variante aus „königlichem Teig" (pasta real), gefüllt mit verschiedenen turrón-Schichten, hat die Form eines Fisches. „Er war zwar auch eine klösterliche Süßigkeit, aber der Ursprung liegt in der jüdischen Gastronomie", erklärt Tomeu Arbona.

Den primitivsten und mallorquinischsten turrón, die Coca de torró (eine rohe Mandelmasse zwischen zwei Oblaten), finde man auf der spanischen Halbinsel kaum. Die Zubereitung der wohl authentischsten und ureigenen Variante gehe auf das Mittelalter zurück. „Mandeln bedeuteten zusätzliches Protein und waren Luxus", sagt Arbona. Viele Menschen in den Dörfern hätten diesen simplen, aber köstlichen ­turrón selbst hergestellt und andere, aufwendigere Sorten dazugekauft. Erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts seien die ­verschiedenen Riegel vom spanischen Festland auf die Insel gekommen, und hätten seitdem mit den traditionellen ­Rezepten koexistiert.

Grundsätzlich, so erzählt der Meisterbäcker, habe in Sachen Gebäck im 18. Jahrhundert ein Wandel zur Verfeinerung eingesetzt: Viele Zutaten blieben gleich, aber die Zubereitungsarten wurden raffinierter. „Wir stellen vor allem Gebäck her, das in Herrenhäusern zu besonderen Anlässen gegessen wurde", sagt Arbona. Darunter große und spektakuläre Kuchen wie die Tortada real, ein Mandelkuchen mit Baiser und einer Füllung aus Eigelbcreme und Aprikosenmarmelade.

Eine Spezialität des Hauses, die ­ebenfalls von diesem veredelten Herstellungsprozess zeugt, sind die klassischen Quartos embetumats: süße Biskuit-Eier-Baiser-Teilchen, die es in Schwarz und in Weiß gibt, mit Baiser oder mit Schokolade überzogen. „Ich war als Kind eine Naschkatze und habe sie von klein auf gern gegessen", erzählt Arbona. Erfunden wurden sie wohl in den Herrenhäusern, doch es gab Klöster, die im Auftrag von Adelsfamilien Süßspeisen herstellten. „Die Nonnen des Monasterio de la Concepció, das es heute nicht mehr gibt, waren darauf spezialisiert, die zwei Varianten der quartos herzustellen", so der Konditor.

Und er hat noch eine kuriose Anekdote parat: Einmal sei König Alfons XIII. auf Mallorca zu Besuch gewesen, und man habe ihm als edles Dessert ein quarto aufgetischt. Er sei so begeistert gewesen, dass er Nachschub für den Königspalast in ­Madrid bestellte. Eigentlich beziehe sich der Name quartos (Zimmer) darauf, dass man den Teig bei der Herstellung viertelt (quarts). „Der König befahl jedoch auf ­Spanisch, man möge ihm noch von ­diesen habita­ciones blancas (weißen Zimmern) ­schicken", sagt Arbona. Heute eigneten sie sich ­perfekt zum krönenden Abschluss eines Weihnachtsmenüs. „In diesem Jahr ganz be­sonders, weil es nicht ratsam ist, einen großen Kuchen auf den Tisch zu stellen, von dem sich alle ein Stück nehmen. So hat jeder seinen ei­genen kleinen Kuchen auf dem Tisch."