„Auch wenn uns die Pandemie gerade ziemlich zusetzt - Weihnachten wird auch dieses Jahr ein ganz besonderes Fest auf Mallorca." Monsignore Joan Bestard blickt mit viel Zuversicht auf die kommenden Festtage, obwohl auch für

ihn vieles in diesem Jahr anders abläuft als sonst.

Der Domkapitular ist verantwortlich für die Tourismus­seelsorge und so etwas wie die Brücke zwischen den deutsch­sprachigen Gläubigen und der mallorquinischen Amtskirche. Jedes Jahr organisiert er die ökumenische Christvesper mit, zu der an Heiligabend bei zwei aufeinander folgenden Gottesdiensten stets Tausende deutschsprachige Gläubige in die Kathedrale in Palma strömen.

In diesem Jahr wäre es die 50. Auflage des Gottesdienstes gewesen, der von den deutschsprachigen katholischen und evangelischen Gemeinden veranstaltet wird. Doch wegen Corona müssen die beiden großen Messen ausfallen. „Das ist wirklich sehr schade, denn diese Gottesdienste, bei denen Katholiken und Pro­testanten gemeinsam die Geburt Jesu Christi feiern, ist immer ganz besonders schön", sagt Bestard. Dafür finden kleinere Messen in mehreren Orten der Insel statt.

Auf die große, spanische Christmette in Palma müssen die Gläubigen jedoch nicht verzichten - wenn auch viel weniger Menschen als sonst in den Reihen der Kathedrale Platz nehmen dürfen. Trotz der Pandemie ist dann auch wieder vom Jüngsten Gericht zu hören. Mit einem Schwert in den Händen besingt zumeist eine junge Frau in acht Strophen das Ende der Welt und die Wiederkunft des Erlösers. „Dieser Gesang hat bei uns schon seit dem Mittelalter Tradition und ist aus der mallorquinischen Weihnacht nicht wegzudenken", sagt Bestard und kommt dabei förmlich ins Schwärmen.

„In der Kathedrale wird der Sibyllengesang bereits im dritten Jahr in Folge von einem wunderschönen Mädchen vorgetragen." Er hoffe, dass neben den Mallorquinern auch viele Deutsche an Heiligabend den Weg nach Palma finden werden. Wegen der Pandemie und den aktuellen Schutzbestimmungen findet die Christmette schon um 19 Uhr statt. „Damit wir dann alle rechtzeitig nach Hause kommen können", so der Monsignore (Einlass in die Kathedrale ohne Anmeldung, da nur 400 Gläubige zugelassen sind, wird sehr frühes Kommen empfohlen, Änderungen sind möglich, keine Gewähr auf Einlass).

„Der Sibyllengesang ist eine Tradi­tion, auf die wir hier auf Mallorca sehr stolz sind", erklärt der 80-Jährige. „Auf dem spanischen Festland ist der Sibyllengesang nicht mehr existent." Die Figur der Sibylle verweist auf griechische Sehe­rinnen. Ihr Gesang - „El Cant de la Sibil·la" - geht als eine der ältesten religiösen Traditionen im Mittelmeerraum womöglich bis auf die Weltuntergangs­panik im Jahr 999 zurück.

Die düsteren, aber sehr beliebten Prophezeiungen über das bevorstehende Jüngste Gericht wurden dann über ­Jahrhunderte in Theaterstücken in den Gotteshäusern inszeniert - bis es den ­Kirchenoberen zu viel des Spektakels wurde. Sie beschlossen zunächst, den ­damals noch von Männern dargebotenen ­Sibyllengesang an hohen Festtagen in die ­Liturgie zu integrieren, und verbannten ihn später ganz aus dem Gottesdienst. Auf dem spanischen Festland wurde das ­Sibyllenlied 1899 zum letzten Mal in ­Toledo bei einer Messe dargeboten.

Auf Mallorca hingegen, wohin die Tradition 1229 mit den katalanischen ­Eroberern gekommen war, stellte man ebenso wie auf Sardinien auf Durchzug. Dem ist zu verdanken, dass der Sibyllengesang 2010 zum Welterbe der UNESCO erklärt werden konnte und dass er in der Christmette in vielen mallorquinischen Kirchen, allen voran in der Kathedrale, bis heute erklingt.

„Ja, im Sibyllengesang geht es düster zu", sagt Joan Bestard. Die Zuhörer sollen durchaus ein wenig Angst bekommen - um achtsam durchs Leben zu gehen, so die Botschaft. Außerdem werde in der letzten Strophe auch eine Jungfrau erwähnt, die ein Kind gebären soll, das die Menschen retten wird.

Auch bei der zweiten Weihnachts­tradition kommt Bestard in Schwärmen: „Neben dem Sibyllenlied gehören unsere Krippen einfach zur Weihnacht auf ­Mallorca dazu - ob zu Hause oder in den Kirchen der Insel", sagt Bestard. In der Kathedrale wurde die Krippe mit den ­besonders großen Figuren - wie auch in den anderen Kirchen - bereits am 8. Dezember, dem Tag von Mariä Empfängnis, ­aufgebaut. Bis zum Dreikönigstag am 6. Januar sind sie noch zu bestaunen.