„Ihr brauchet Euch nicht zu fürchten, Ihr werdet es nach meinem Tode besser haben als zu meinen Lebzeiten. Ich habe für Euch vorgesorgt", hatte Erzherzog Ludwig Salvator von Habsburg-Lothringen, den in seinem Dienst befindlichen Mitarbeitern immer wieder versichert. Am 1. Oktober 1915 war er auf seinem Schloss Brandýs nad Labem in Böhmen verstorben. „Erzherzog tot. Denke an alles. Lass alles versiegeln. Eugenie", stand im Telegramm an den österreichisch-ungarischen ­Vizekonsul in Palma de Mallorca, Pedro Bonet de los Herreros. Gezeichnet hatte es Eugenie Czermak, die jahrelang als Erzieherin beim Erzherzog tätig gewesen war. Das Testament wurde in einem Koffer an Bord der erzherzoglichen Yacht „Nixe" im Hafen von Porto Pi ­gefunden und am 8. Juni 1917 in der österreichischen Botschaft in Madrid geöffnet.

Der Erzherzog hatte seinen dienstbaren Geistern Wohnung, Kost, Kleidung, Wäsche und gelegentlich ein kleines Taschengeld gegeben. Wenn aber einer, weil er sich etwa die Haare schneiden lassen musste, um Geld bat, habe es immer Streit gegeben, pflegte der aus Wien stammende Maler und Sekretär des Erzherzogs, Erwin Hubert, zu erzählen.

Nach dem Tod erwarteten sie alle, dass es besser werden würde, so wie der Erzherzog es ihnen versprochen hatte. Sie stellten Forderungen, die - wie sie glaubten - berechtigt ­waren und verwiesen auf Ludwig Salvators Versprechungen. Einige hatten mit fürstlichen Abfindungen gerechnet, andere mit ­einem Haus, das sie erben würden. Als sie enttäuscht wurden, waren gegenseitige Anschuldigungen, Verdächtigungen und Streitereien die Folge. Zum Universalerben bestimmt hatte der Erzherzog seinen langjährigen Sekretär und treu ergebenen Freund, Antonio Vives y Colom aus Deià, zusammen mit dessen vier Kindern Gigetta, Gino, Gigi und Luigina. Vives verstarb fast genau ein Jahr nach der Testamentseröffnung im böhmischen Schloss und liegt auf dem dortigen Ortsfriedhof begraben. Statt eines Vermögens hinterließ der „Archiduque" zudem Schulden, Darlehen, Pfandrechte, unbezahlte Rechnungen, Forderungen verschiedener Firmen, Angestellte, die seit Jahren kein Gehalt mehr bekommen hatten.

Keine Beziehung zum Geld

Seine finanziellen Probleme waren nichts Neues. Er hatte sein ganzes Leben lang keine Beziehung zum Geld gehabt und konnte nicht wirtschaften. Immer wieder gab er Anweisungen für Überweisungen und Zuwendungen, auch wenn gar keine Mittel vorhanden waren, um diese Transaktionen durchführen zu können. Er hatte im Laufe seines gesamten Lebens zahlreiche Landgüter, Grundstücke, Häuser und Wälder gekauft und diese in Raten bezahlt (oder auch nicht, er blieb sie auch oft schuldig). Am Ende seines Lebens verfügte er zwar über einen großen Grund- und Immobilienbesitz, aber nicht über Bargeld. Es dürfte ihn allerdings nicht bekümmert haben, denn noch 1912 kaufte er das Gut Sa Coma in Valldemossa, wohl wissend, dass er es nicht würde bezahlen können. Es fiel aufgrund der nicht bezahlten Raten an den ursprünglichen Besitzer zurück.

Vom Kaiser in Wien wurde ihm, wie auch seinen Brüdern, eine Apanage aus dem Familienfonds zugestanden. Mit Erreichung der Volljährigkeit am 4. August 1867 (da war er 20 Jahre alt) bekam er jedes Jahr eine Summe, von der er bei guter Einteilung hätte leben können. Weiterhin erhielt er seinen Anteil am Verkauf der toskanischen Güter seiner Vor­fahren, ebenso wie die Erträge aus dem toskanischen Familienfonds, aus dem auch seine Mutter, Großherzogin Maria Antonia, ihr jährliches Witwengehalt bezog.

Die vom Vater geerbte Domäne Brandýs an der Elbe erwirtschaftete bedeutende Beträge, sodass über Jahrzehnte Geld nach Mallorca transferiert werden konnte. Doch nur in den ersten Jahren war Ludwig Salvator schuldenfrei. Alle diese recht großzügigen Einnahmen reichten nicht aus, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Er musste Darlehen aufnehmen und verschuldete sich immer mehr.

Aus einem Brief seiner Mutter geht hervor, dass die Situation Ende des Jahres 1889 wieder einmal (somit nicht zum ersten Mal) besonders dramatisch war. Es gäbe einen Käufer, schrieb sie an ihren Sohn, der großes Interesse am Kauf des Schlosses von Brandýs nad Labem samt Forst- und Landwirtschaft, Fischerei, Jagd und Brauerei geäußert hätte und die gesamte Verkaufssumme bar hinterlegen würde.

Da doch Ludwig Salvator den größten Teil seiner Besitzungen auf Mallorca habe und das Schloss nicht selbst bewohne, wäre es wohl sinnvoll und vernünftig, sich davon zu trennen.

Nicht ohne mein Schloss

Die Antwort kam postwendend: Das käme überhaupt nicht infrage, schrieb er erbost, er hätte sein ganzes Leben lang immer gekauft und nie etwas verkauft, und so würde es bleiben. Noch dazu das Schloss, das er von seinem überaus geliebten Vater geerbt hätte. Ihn würde lediglich interessieren, wer der potenzielle Käufer sei, und wenn es sich um Valerie (Marie Valerie war die jüngste Tochter von Kaiser Franz Joseph I. und seiner Gattin, Kaiserin ­Elisabeth) handeln sollte, so möge man ihr sagen, sie wäre jederzeit willkommen als Sommergast auf Schloss Brandýs nad Labem oder auch in der Villa Zindis bei Triest. Aber an einen Verkauf wäre auf keinen Fall zu denken.

Daran hielt sich der Erzherzog sein ganzes Leben lang: Er kaufte immer, und verkaufte nie, auch wenn die Schuldenlast noch so hoch war. Nicht rauschende Feste oder ein aufwendiger Lebensstil verschlangen Unsummen an Geld, sondern neben den Erwerbskosten auch die Renovierung und Instandhaltung seiner zahlreichen Anwesen. Für Miramar und Son Marroig ließ er Marmor aus Carrara bringen, Pflanzen und Bäume aus Triest, Gemälde und Statuen aus Böhmen. Unentwegt wurden Arbeiten durchgeführt, neue Wege und Fahr­straßen (so zum Beispiel von Son Marroig zum Lochfelsen Sa Foradada hinunter) angelegt und Aussichtspunkte (miradores) gebaut.

Ludwig Salvator hatte große Freude an seinen schönen Besitzungen, lud gern Gäste ein und führte sie stolz durch Haus und Garten. Auch die von ihm errichtete Hospederia Ca Madó Pilla, in der man drei Tage lang gratis übernachten konnte, musste erhalten werden, um die Fremden, die in Scharen kamen, aufnehmen zu können.

Große Summen verschlang zudem sein Lieblingsfortbewegungsmittel, die Yacht „Nixe". Seine ersten Seereisen hatte der junge Erzherzog noch an Bord von Passagierschiffen des Österreichischen Lloyd zurückgelegt. Bald schon war er von der Notwendigkeit eines eigenen Schiffes überzeugt und legte seinen ­Eltern den Plan vor. Die Finanzierung hatte er sich folgendermaßen überlegt: Die Kauf­summe von 80.000 Gulden sollte aus seinem Ersparten (30.000) und Geliehenem aufgebracht werden. Als Leihgeber hatte er an seinen älteren Bruder, Großherzog ­Ferdinand IV., seinen Freund, Baron Sforza, und natürlich an seine liebe Mutter, die Großherzogin, gedacht.

Nach dem Schiffsunglück am 4. Juli 1894, in dessen Folge die „Nixe" bei Kap Caxine an der nordafrikanischen Küste sank, kaufte ­Ludwig Salvator, der sich ohne seine Yacht „wie ein Einsiedlerkrebs, der seine Schnecke verlor" fühlte , seine zweite „Nixe". Es war die „Hertha" des Fürsten von Liechtenstein, ein sehr ähnliches Modell, das schon Jahre zum Verkauf stand. Der Kaufpreis betrug 80.000 Kronen. Eine Ratenzahlung von 10.000 jährlich wurde vereinbart, doch der Erzherzog kam der Vereinbarung ab dem zweiten Jahr nicht mehr nach.

Nicht nur die Anschaffungskosten waren hoch, auch die Erhaltung der Yacht war kostspielig. Die Mannschaft bestand aus zwölf Personen, daneben die variierende Gruppe der Mitreisenden. Insgesamt waren um die 25 Personen zu verköstigen. Es kam immer wieder vor, dass die „Nixe" länger als beabsichtigt in einem Hafen ankern musste, weil Ludwig ­Salvator kein Geld hatte, um die Kohlen­vorräte (die „Nixe" war eine kombinierte ­Segeldampfyacht) auffüllen zu können.

Teure luxus-Editionen

Dann hatte der Erzherzog noch ein teures „Hobby": Er verfasste an die 70 Bücher, die nicht für den Verkauf bestimmt waren. Die Prachtbände, zum Teil mit Farblithografien illustriert, waren als Geschenke für Familienmitglieder und Freunde, Interessierte, Gelehrte, Mitarbeiter, Sammlungen und Biblio­theken ­gedacht. Leineneinbände mit goldgeprägter Schrift, teures Papier, als Mitarbeiter die besten Lithografen der Zeit, zahlreiche Illustrationen, Pläne und Karten machten diese Bücher zu ­bibliophilen Kostbarkeiten, die bezahlt werden mussten. So stellte die Buch­druckerei Heinrich Mercy in Prag am 30. Dezember 1904 eine ­Rechnung über mehr als 50.000 Kronen für Druck und Herausgabe der zweibändigen ­Monografie über die ionische Insel Zakynthos, damals Zante, aus. Diese Summe entsprach der jährlichen Apanage aus dem kaiserlichen Familienfonds.

Immer wieder bat er seine Mutter, Großherzogin Maria Antonia, um Geld und versprach, es ihr samt Zinsen zurückzuzahlen. ­Ihrer Großzügigkeit und Mutterliebe hatte es Ludwig Salvator zu verdanken, dass er nie vor dem endgültigen Bankrott stand. Manchmal vertröstete sie ihren Sohn und ließ ihn einige Monate auf die erhoffte Finanzspritze warten, da sie zum Beispiel Schmuck verkaufen musste, um seine Wünsche zu erfüllen.

Nur einmal, da war es mit ihrer Geduld zu Ende. „Ich kann Dir nichts mehr geben", schrieb sie ihm erbost, „Du presst mich aus wie eine Zitrone!"