Gute Geschichten liegen bekanntlich auf der Straße, auch auf Mallorca. Das zeigt auch der neuer Bildband über die Straßen von Alaró („Alaró carrer a carrer"). Er ist das Ergebnis der Spurensuche dreier Autoren des Dorfes, der Journalisten Joan Riera und Bartomeu Noguera sowie des Historikers Andreu Mateu.

Sie haben in Dokumenten ­gestöbert und viele Gespräche mit Dorfbewohnern geführt. Herausgekommen ist eine umfangreiche Sammlung von historischen ­Ereignissen, Legenden und Anekdoten, die ­davon erzählen, wie Alaró zu dem wurde, was es heute ist: ein schmuckes und auch unter Ausländern beliebtes Dorf am Fuße der Serra de Tramuntana.

Viele der hundert schwarz-weißen und farbigen Fotos, die aus öffentlichen Archiven und privaten Sammlungen stammen, verhindern dabei einen allzu nostalgischen Blick zurück. Einstöckige Wohnhäuser sollten nach dem Spanischen Bürgerkrieg die Not der Arbeiter lindern. Bis in die 1970er-Jahre gab es Handräder für das Wasser, und man nutzte gemeinsam öffentliche Waschhäuser.

Keramiktafeln

Den Auftakt im Buch machen farbige Straßenschilder aus Keramik im Jugendstil. Entworfen und gefertigt wurden sie um die Jahrtausendwende. Damals hatte die Kommission für die Normalisierung von katalanischen Straßennamen gerade ihre Arbeit abgeschlossen. Sie machte die calles zu carrers und vereinheitlichte die Schreibweisen. Zur selben Zeit plante man, die Straße, in der Alarós beliebter, früh verstorbener Hausarzt Jaume Colom praktiziert hatte, nach ihm zu benennen. Seine Witwe Antònia Matas bot an, das Namensschild für diese Straße und auch weitere zu entwerfen und sie der Gemeinde zu spenden. Mittlerweile hängen 70 bemalte Keramiktafeln an den Hausfassaden.

Flüchtige Namen

Fotos aus den 40er-Jahren zeigen die heutige Avinguda de la Constitució (Allee der Verfassung). Während der Franco-Diktatur hieß sie Paseo de la Victoria (Sieges-Boulevard). Man ging auf bloßer Erde mitten auf der Straße spazieren. Der Eingang zum Friedhof hat sich schon damals hier befunden, denn er war bereits im 19.Jahrhundert an den Ortsausgang verlegt worden. Heute werden Autofahrer genau an dieser Stelle von einer digitalen Tafel aufgefordert, ihr Tempo zu drosseln.

Ein weiteres Beispiel für die Kurzlebigkeit von Namen ist der Carrer de Pere Rosselló i ­Oliver, der von der Avinguda zur staatlichen Schule und in Richtung Santa Maria führt. Während der Zweiten Republik wurde sie nach dem Gründer der spanischen Sozialistischen Partei (PSOE) Pablo Iglesias benannt. 1934 gab man ihr den Namen des Politikers Alejandro Lerroux. Als dieser, auch wegen Korruptionsvorwürfen, nach Portugal floh, war die Straße kurze Zeit wieder dem PSOE-Gründer gewidmet.

Ab 1937 trug sie den Namen des Conde Rossi oder auch General Rossi, ­Mussolinis blutrünstigem Handlanger auf der Insel. Ende der 50er-Jahre benannte man sie in Escuela Graduada um. Heute heißt sie Carrer de Pere Rosselló i Oliver und ist damit dem Bürgermeister von Alaró gewidmet, der im Dezember 1936 von den Falangisten in Palma ermordet worden ist. Auch die staatliche Schule in der Straße trägt seinen Namen. Geehrt wird der Sozialist außerdem mit einem Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Carrer dels Germans Perelló Nummer 9. Die Gebrüder Perelló waren es, die in Barcelona die Vorteile der Elektrizität entdeckten und sie 1901 in Alaró einführten. Zur Feier reisten Tausende mit einem von Pferden gezogenen Zug an, wie auf einem Foto zu sehen ist.

Namen mit Bestand

Länger überlebt haben Straßennamen, die von alten Anwesen stammen. Wie etwa der Carrer Can Palau, der nach Santa Maria führt, oder eine Zufahrt zum heutigen Kirchplatz, die nach dem Dorfhaus Can Xalet benannt ist. Hier befand sich die letzte Bodega mit Weinverkauf aus Fässern. Ein Dokument von 1934 berichtet von einem heftigen Streit zwischen dem Fahrer eines Lastwagens und eines Autos, die in dem Sträßchen nicht aneinander vorbeigekommen sind. Daraufhin soll man über Parkverbote nachgedacht haben.

Die Namen der Dorfplätze konnten sich ebenfalls halten. So beispielsweise die Plaça de Mercat, wo einst mit Schweinen gehandelt wurde. Sie befindet sich nahe der Bar Casino, wo die Dorfbewohner am ersten Fernsehapparat bei heftigem Flimmern Fußballspielen zugeschaut haben. Auch die Plaça de Cabrit i ­Bassa in Los Damunts sowie die Plaça del ­Rosari, wo sich heute das Ärztezentrum be­findet, heißen schon immer so. Bleibt zu ­wünschen, dass auch die Straßen mit den ­hübschen Jugendstiltafeln ihre Namen noch lange behalten werden.

„Alaró carrer a carrer"

Associació Cultural Al Rum, auf Katalanisch