Die Hühnerschar gackert aufgeregt. Mit flatternden Flügeln rennt sie zu ihrem Futterplatz auf dem Hof Es Molí d'Alt in der Nähe von Artà auf Mallorca. Auch die zehnköpfige Ziegenherde will gefüttert, gemolken und dann auf die Weide entlassen werden. Erst danach hat Rolf Uhle Zeit für einen Rundgang. Mit seiner Frau Vreni Uhle, die aus der Nähe von Zürich stammt, bewirtschaftet der ehemalige Technik- und Biologielehrer aus Westfalen das zehn Hektar große Anwesen seit vier Jahrzehnten im ökologischen Anbau. Bewaldete Flächen machen die Hälfte des Besitzes aus, weshalb Holz bei der Bewirtschaftung eine große Rolle spielt. Der Forst lieferte dabei nicht nur Balken für die Wohnhäuser, auch Fenster und Türen wurden in der Werkstatt geschreinert, die sich gleich neben der Futterstelle der Hühner befindet.

Für die Holzbearbeitung wird von nun an mehr Zeit sein, denn das Paar ist seit Kurzem im Ruhestand. Jahrelang war eine Firma für erneuerbare Energien ihre Haupteinnahmequelle. So hatten sie eine Maschine entwickelt, die Mandelschalen so aufbereitet, dass sie statt Pellets verfeuert werden können. Ein Kessel beheizt auf der Finca zwei Wohnhäuser. Die Wärme genießen nicht nur die Besitzer, sondern auch zwei Familien, die dort leben und auf dem Land mitarbeiten. Rolf und Vreni Uhle kommunizieren mit ihnen in akzentfreiem mallorquí.Zur Unzeit gebrütet

Direkt neben der Futterstelle der Hühnerschar sitzt in einem geräumigen Käfig eine Glucke nebst Küken mit zartgelbem Gefieder. „Dass eine Henne in der Weihnachtszeit und dazu im Freien brütet und der Nachwuchs zu den Festtagen schlüpft, das hat es noch nie gegeben", sagt Vreni Uhle. Üblicherweise legt das Federvieh um Ostern herum viele Eier und brütet sie in den Folgewochen aus. Doch dieses Mal hätte sich das Huhn getäuscht und sich zur Unzeit zum Brüten entschlossen. „Auch Tiere spüren den Klimawandel", fügt sie hinzu.

Der Klimawandel ist auch Thema auf dem Weg, der zu einem Bachbett führt, hinter dem mit einer Platanenreihe der Wald beginnt. Davor liegt ein großes Feld mit aufgeschichteten Steinen und Felsbrocken. „Hier haben wir die Auswirkungen der Erderwärmung unmittelbar zu spüren bekommen", sagt Rolf Uhle. Einem Tsunami gleich hätte eine Wasserflut nachts im Oktober 2018 Erde und Felsen mit sich gerissen. Eine Natursteinmauer haben die Bewohner selbst wieder aufgebaut. Steine und große Felsbrocken warten jedoch noch darauf, dass die Landesregierung diese wie versprochen abtransportieren lässt.

Permakultur nach Unwetter

„Eine feste Dauerbegrünung des Bodens hätten die verheerenden Auswirkungen des Unwetters mindern können", sagt Rolf Uhle. Deshalb habe man danach begonnen, das Anwesen nicht nur biologisch, sondern auch nach den Prinzipien der Permakultur zu bewirtschaften. So verzichten die beiden darauf, die Böden mit einer Fräse zu bearbeiten. Denn das Aufreißen und Umdrehen von Erdschichten zerstört das Bodenleben und setzt Kohlenstoff frei, der an der Luft zu Kohlendioxid (CO2) oxidiert. Die Folge: In der Luft gibt es zu viel Kohlenstoff, in den Böden zu wenig.

Deswegen haben Vreni und Rolf Uhle nach dem Unwetter außerdem damit begonnen, die Erde des Anwesens mit Kohlenstoff anzureichern. Dafür gibt es auf der Finca eine Anlage zur Herstellung von Biokohle (biochar) aus Holzresten und Ernteabfällen. Da sie aber auch die anfallende Wärmeenergie nutzen soll, werden dafür noch Abnehmer gesucht. So kommt derzeit Kohlenstoff mittels Humus in die Erde. Denn jeder Hektar kann mit einem Prozent Humus mehr auf den Feldern umgerechnet hundert Tonnen CO2 in Form von Kohlenstoff speichern. „Dies ist ein aktiver Beitrag zur Abmilderung der Erderwärmung", sagt Rolf Uhle.

Holz und Mist

An der Produktion von Humus beteiligen sich alle Bewohner. Dieser entsteht, wenn Kompost sich völlig zersetzt hat. Eine der Zutaten ist Holz, das am Eingang der Finca zerkleinert gestapelt wird. Wenn es gehäckselt und mit Ziegen- und Hühnermist angereichert ist, muss die Mischung so lange lagern, bis sie zu Humus wird. Wenn dieser dann in die Böden eingearbeitet ist, fördert er das üppige Wachstum von Pflanzen, wie es im Gemüsegarten zu sehen ist, der die drei Familien versorgt. Hier gedeihen bestens Salate sowie Rosen-, Grün- und andere Kohlsorten.

Die Beete werden von Weinstöcken gesäumt, die kürzlich beschnitten wurden. Die Stangen, an denen sie im Sommer hochklettern werden, stammen aus dem hauseigenen Wald. Hier wird die Rebe im Sommer hochklettern und ein Schattendach bilden. Ganz im Gegensatz zu den konventionell arbeitenden Gemüseproduzenten auf der Insel, die zur Beschattung umweltschädliche Kunststofffolie verwenden. Auf Es Molí d'Alt dagegen werden mitten im Schatten spendenden Blätterdach süße Weintrauben hängen.