Die Fleischerei „Al gusto" gehört zu den beliebtesten Geschäften Palmas. An manchen Tagen müssen die Kunden stundenlang warten, ehe sie bei den Metzgern aus Uruguay an der Reihe sind. Doch es lohnt sich. Das Fleisch mit dem argentinischen Schnitt ist ein Erlebnis für sich. Die MZ hat bei Spitzenkoch Matias Provvidenti aus Argentinien - er leitet das derzeit geschlossene Restaurant Maleva in Palma - nachgefragt, was die beliebtesten cortes sind und woher das Fleisch stammt.

Die Qualität hat nachgelassen

„Traditionell haben die Rinderzüchter das Vieh in der Pampa gehalten. Die Ebene mit Grünflächen waren wie geschaffen dafür", so Provvidenti. Die Kühe konnten sich frei bewegen und sich das schönste Gras aussuchen. „Das Sprichwort 'Du bist, was du isst' zählt auch für die Tiere. Argentinien hatte sich dadurch weltweit den Ruf als hervorragender Fleischproduzent erarbeitet."

Zum Ende des vergangenen Jahrhunderts änderte sich das etwas. „In den 70er-Jahren begann die Soja-Produktion, die in den 90er-Jahren dann ihren Boom hatte. Für die Bauern war das lukrativer." Viele Landwirte standen vor der Entscheidung: Machen sie aus der Weidefläche ein Soja-Feld oder gehen sie über zur Massentierzucht? „Nur noch im Norden des Landes, wo der Boden nicht so nahrhaft ist, gibt es noch die traditionellen Bauern. Die Qualität des Fleisches hat darunter gelitten. Die Unterschiede zu Europa sind heute wesentlich geringer", sagt Provvidenti, der das argentinische Fleisch dennoch als weniger fettig und geschmacksintensiver beschreibt. Zumal es im Vergleich zu Spanien wesentlich günstiger ist. Die bekannteste Rasse ist das argentinische Angusrind. „Viel gezüchtet werden auch Hereford und Brahman sowie die Mischrassen Braford und Brangus."

Knochen sind tabu

Dennoch sei es ein Trugschluss, dass in den argentinischen oder uruguayischen Fleischereien auf der Insel südamerikanisches Rind verkauft werde. „Wenn der Metzger sagt, dass es sich um argentinische Rippchen handelt, dann lügt er meistens", sagt der Koch. „Denn das wäre gesetzlich verboten."

Grund dafür ist die sogenannte Hilton-Quote. Diese hat die EU 1979 eingeführt, um die Maul- und Klauenseuche einzudämmen. Sie ist nach der Hotelkette benannt, in deren Konferenzräume der Beschluss gefasst wurde. Eine anderes wichtiges Stichwort lautet Pistolenschnitt. Diese leitet sich anhand der Form der Teile ab, die exportiert werden dürfen. „Grundsätzlich verboten ist der Export von Knochen", sagt Provvidenti.

Gerade diese sind von den Argentiniern sehr geschätzt. „Das Fleisch rings um die Knochen hat mehr Geschmack. Die Deutschen mögen mehr zarte Steaks oder Filets. In Argentinien essen so etwas nur die Omas", sagt der Koch. Besonders beliebt bei den Latinos sind daher die Rippchen. „Neben dem Geschmack ist es auch eine Kostenfrage, da diese Teile wesentlich günstiger sind."

Nur in der spanischen Variante

Die Rippchen sind in Argentinien als tira de asado oder costillar bekannt. „Es ist der Klassiker schlechthin. Die Spanier nennen es parte central de la falda." Da die Knochen nicht exportiert werden dürfen, gibt es hier nur spanische Rippchen. „Der Inselmetzger schneidet die Rippchen meist einen Zentimeter dick. In Argentinien sind es locker vier Zentimeter."

Das Gleiche gilt für die Schulter, die paleta oder marucha. „In Spanien wird die espaldilla hauptsächlich für mageres Hackfleisch benutzt", sagt Provvidenti.

Die matambra ist ein weiterer Schnitt, den es in Spanien nicht gibt. „Das Fleisch liegt zwischen den Rippen und der Haut. Die spanischen Metzger lassen es einfach an den Rippchen dran", sagt der Koch. „Da das Tier oft darauf liegt, ist der Kauf wie ein Lotteriespiel: Es ist entweder zart oder hart wie Stein."

Die entraña erfreut sich in Spanien immer größerer Beliebtheit. „In der Heimat wird sie nicht so viel gegessen", sagt der Argentinier. „Es ist ein Muskel, der zwischen den Rippen und den Organen liegt. Er ist stark durchblutet. Beim Schlachten ist er nicht angespannt und dadurch schön zart. Das Fleisch hat einen sehr starken Geschmack." Hier gilt es zu beachten, dass die entraña mit einer dicken Haut besetzt ist. Wer das Fleisch nur kurz grillen möchte, sollte sie vorher entfernen.

Die Export-Produkte

„Der absolute Premiumschnitt ist der bife de chorizo." Das Stück aus dem Roastbeef ist in Spanien als lomo bajo bekannt. Das bife angosto entspricht dem Entrecote. „Es ist mit Fett durchzogen, sehr zart und schmackhaft." Verwechslungsgefahr gibt es beim Filet. Der Spanier kennt das als solomillo. Der Argentinier nennt es lomo, was beim Europäer wiederum in der Regel der ganzen Lende entspricht.

Unter die Hilton-Quote fallen ansonsten auch - dürfen also ebenfalls exportiert werden - die Rinderkugel (colita de cuadril) und die Oberschale (nalga). „Letztere verwenden die Argentinier hauptsächlich für Hackfleisch, die Füllung der empanadas oder Schnitzel."

Zu einem klassischen südamerikanischen Grillfest gehören zudem die chorizos criollos und die Molleja, die in Europa immer populärer wird. „Hier unbedingt die mollejas de corazón nehmen, die sind leckerer."

Möglichst lange Grillen

Deutsche und Spanier heizen dem Fleisch gern ordentlich ein. Der Argentinier setzt auf weniger Hitze. „Ideal ist, direkt unter dem Fleisch nur wenig Kohle zu platzieren und diese lieber kreisförmig darum zu legen." Traditionell brät der Argentinier sein Fleisch an einem Kreuz neben dem Feuer. Dazu gereicht wird die typische Kräutersauce Chimichurri.