Ablegen, raus aus dem Hafen, Kurs anlegen, Autopilot an - und schon kann der Champagner-Korken knallen. Besitzer millionenteurer Privatyachten sind wirklich zu beneiden. Doch der Schein trügt. Ab einer gewissen Größe hört der Spaß an Bord nämlich auf. Und wird zur Dauerbelastung für Kopf und Muskeln. Schließlich gibt es zwischen Bug und Heck immer irgendetwas zu tun. Leinen müssen eingeholt und verstaut, Kompass, Kurs und verschiedene elektronische Anzeigen permanent überwacht oder - was noch stressiger ist - Dutzende Quadratmeter Segeltuch gesetzt, gerefft, getrimmt und irgendwann natürlich auch wieder geborgen werden. Wie soll man da noch an die Schampus-Flasche im Eiskühler kommen?

Je größer also das Boot, umso aufwendiger auch dessen Handling. Zwei oder vier Hände an Bord reichen irgendwann nicht mehr aus, vor allem dann, wenn man als Eigner doch vorhatte, mit Frau und Campari auf dem Vordeck in der Sonne abzuchillen. Ein klarer Fall für Jens Oomes. Der auf Mallorca lebende Belgier gründete vor zehn Jahren die auf die Vermittlung professioneller Bootsbesatzungen spezialisierte Agentur „Invisible Crew".

Auf den ersten Blick keine wirklich originelle Geschäftsidee, schließlich gibt es rund um den Globus seit etlichen Jahren ähnliche Unternehmen, die arbeitsscheuen Luxusyachtbesitzern zu einem Kapitän, Matrosen, Steward, Koch oder Kindermädchen verhelfen. Oomes, der zusammen mit seiner Frau selbst mehr als 16 Jahre als Skipper für Yachtbesitzer auf den Ozeanen unterwegs war, peilt mit seinem Angebot aber ein aus kommerzieller Sicht noch weitgehend jungfräuliches Klientel an. Und zwar Besitzer sogenannter „Pocket Superyachten".

Fragt man sich natürlich, was „Pocket Superyachten" überhaupt sind. Die „Lady Moura" im Taschenformat? Als Schlüsselanhänger? Oder zum Aufblasen beim Baden am Es Trenc? „Diese Bezeichnung kam vor ein paar Jahren in der Branche auf, um die steigende Zahl von Luxusyachten hinsichtlich ihrer Größenverhältnisse noch besser unterteilen zu können", erklärt Oomes.

Und diese Einteilung geht so: Boote oder Yachten bis 18 Meter (rund 50 Fuß) sind einfach nur Boote oder Yachten. Dann kommen die „Pocket Superyachten" mit einer Länge von bis 80 Fuß (rund 24 Meter), im Anschluss die „Superyachten" bis 50 Meter Länge, dahinter folgen die bis zu 70 Meter langen „Megayachten" - und alles darüber wird „Gigayacht" genannt.

„Super- aber vor allem megagroße Yachten bedürfen einer permanenten, also das ganze Jahr auf ihnen beschäftigten Crew. Und zwar nicht allein wegen ihres komplexen Handlings auf See, sondern vor allem um die sündhaft teure Bordelektronik, technische Ausstattung und Einrichtung rund um die Uhr in Stand zu halten", sagt Oomes. „Außerdem müssen solche Yachten in der Regel permanent zum sofortigen Auslaufen bereitstehen. Aus diesem Grund sind die meisten Besatzungsmitglieder dort festangestellt."

Anders sehe es in der darunterliegenden Kategorie der „Pocket Superyachten" aus. „Sie sind einfacher zu bedienen, benötigen also keine große oder gar permanent an Bord tätig Crew", so Oomes. Allerdings, und daran knüpft sein Business: „Auch Eigner solcher Motor- oder Segelboote legen mittlerweile immer mehr Wert darauf, bei einem Ausflug oder einem mehrtägigen Törn nicht selbst das Ruder in die Hand nehmen zu müssen, bei An- oder Ablegemanöver die Leinen zu bedienen oder Segel zu setzen. Sie möchten sich an Bord einfach mal bedienen lassen."

Die „Invisible Crew"-Agentur von Oomes ist damit so etwas wie eine Zeitarbeit-Vermittlungsfirma für professionelles Yachtpersonal. Das Personal akquiriert der Belgier über sein nahezu weltumspannendes Netz aus Kontakten zu ehemaligen Berufskollegen oder Bekanntschaften. Außerdem schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. „Wir bieten unseren Kunden nicht nur die punktuelle Vermittlung von Skippern, Deckhands, Stewardessen oder Köchen an, sondern kümmern uns auch gleich noch um das gesamte Management ihrer Yachten wie Überführungen, Liegeplatz oder Logistik."

Klingt gut. Aber funktioniert das Business auch in Zeiten von Corona-Zäsur und weltweiten Reisebeschränkungen? „Die Auswirkungen der Virus-Pandemie und dessen wirtschaftliche Folgen auf die Luxusyachtbranche sind eher gering", so Oomes. Größtes Problem sei es derzeit, Crewpersonal aus Südafrika wieder nach Europa zu bekommen oder selbst zu Kundenyachten im Ausland zu fliegen. „Die Restriktionen im weltweiten Flugverkehr verhindern, dass Eigner ihre im Ausland liegenden Boote aufsuchen. Gepflegt und gewartet werden müssen sie aber dennoch."