Anfangs war die Suche nach Orchideen für Néstor Carda sehr verwirrend. Doch der Autodidakt, der Flugzeugmechaniker von Beruf ist, brachte mit wissenschaftlicher Akribie schon bald Blüten und botanische Namen auf einen Nenner. Seit zehn Jahren besucht er Standorte, bestimmt Arten, fotografiert sie und sammelt Informationen. Wann immer der 43-Jährige zwischen Januar und Juli Zeit hat, packt er seine Nikon und das 90er-Makro in die Tasche, zusammen mit ein paar Utensilien für das Aufhellen der Blüten oder um Schatten von Nachbargewächsen abzuhalten.

Wie fast alle europäischen Orchideenarten sind auch die der Balearen kleinwüchsig. Und häufig dort anzutreffen, wo man sie am wenigsten vermutet - neben viel befahrenen Straßen, bei Steinbrüchen, Brachen oder Hotelkomplexen. Aber allen Standorten ist gemein, dass hier die Winzlinge nicht mit größeren Pflanzen konkurrieren müssen. Rund 40 Arten kommen auf den Balearen vor, die selteneren wachsen in den Bergen, die häufiger vorkommenden in niedrigeren Regionen. Doch die Bestände sind durch Bebauung, Landwirtschaft und lang anhaltende Trockenheit gefährdet. Obwohl die Pflanzenfamilie neben den Korbblütlern zu den größten Pflanzen­familien weltweit zählt.

Die Gattung bietet Bestäubern ein großes Blütenspektrum. Deshalb sind sie für Fotografen begehrte Objekte. Nicht nur Néstor Carda haben sie fasziniert, es gibt mehrere Orchideen-Liebhaber auf den Inseln. Wie beispielsweise den schwedischen Botaniker Sven Jonnason, der ein Buch über die Orchideen in Palmas Stadtwald am Schloß Bellver veröffentlicht hat (MZ berichtete), aber auch Antoni Cladera, Xavier Llabrés oder Toni Valls haben Material zu Cardas Studien beigetragen.

So ist im Laufe der Jahre eine stattliche Sammlung von Fotomaterial und Textinformationen zusammengekommen. Der Mallorca Zeitung erzählt Carda jedoch , dass ein privates Archiv nie das Ziel seiner Arbeit gewesen wäre. Er gehöre nicht zu den Botanikern, die ihre Informationen unter Verschluss halten wollen. Die Menschen hätten ein Recht darauf, die Flora und Fauna der Inseln detailliert kennen und schätzen zu lernen. Nur so sei Artenschutz möglich.

Da es wenig Veröffentlichungen zu diesem Thema gibt, hätte die Sammlung auch als Buch erscheinen können. Doch die Buchverlage sind derzeit nicht auf Nischenthemen versessen. Deshalb setzte sich Carda an den Rechner und entwarf ein Layout, das Fotos und Text­informationen zusammenfügte, wobei er auf Autorenhonorare verzichtete. Wer will, kann den Pflanzenführer als Ringbuch beim Copyshop zum Selbstkostenpreis bestellen, der Ausdruck im Internet ist gratis.

Der Farbatlas

Ein botanischer Atlas im Miniformat ist ein Faltblatt mit dem Titel „Orquídeas de las Islas Baleares, guía al campo". Zwei PDF-Seiten (auf Spanisch) können heruntergeladen und auf der Vorder- und Rückseite eines DIN-A4-Blattes ausgedruckt werden. Fotos und Informationen werden laufend aktualisiert. Denn bei Orchideen kommt es immer wieder zu neuen Kreuzungen. Dies ist eine botanische Seltenheit: Durch die nahe Verwandtschaft untereinander können immer wieder neue Hybride mit lebensfähigen Nachkommen entstehen. Außerdem zeigen die Illustrationen von Cati Artigues den Lebenszyklus der Orchideen. Eine Tabelle erklärt, zu welchen Zeiten die Arten auf den vier Balearen-Inseln blühen.

Karteikarten

Weitere sieben PDF-Dateien stehen - ebenfalls gratis - zur Verfügung. Sie können ausgedruckt und zu 45 Karteikarten (10 x 15 cm) zugeschnitten werden. Auf der Vorderseite stellen die fichas eine Orchideenart wie beispielsweise den endemischen BalearenRagwurz (borinot kat.) vor. Ein Foto zeigt die Pflanze als Ganzes in ihrem Habitat, ein zweites eine Vergrößerung der Blüte.

Zu erfahren ist im spanischen Text, dass die Pflanze zwischen 10 und 55 Zentimeter hoch wächst und die Vorblätter der Blüte länger sind als der Fruchtknoten. Der Ragwurz kommt in der Nähe von Garriguen, vereinzelt auch in Eichenwäldern vor und blüht zwischen März und Mai. Auf der Kartenrückseite ist Platz für Notizen, darunter sind Orchideen-Standorte auf Landkarten der vier Inseln in Rot markiert.

Noch ist Zeit für die Suche nach Orchideenblüten in der Ebene. Bald beginnt sie auch in den Bergen. Dann wird Néstor Carda den Rucksack packen und zum Massanella-Massiv aufsteigen, nach seinen Worten ein wahres Paradies für Orchideen.

Orchideen bestimmen:

www.nestorcardafotografia.wordpress.com, Orchídeas de las Islas Baleares, „cuaderno de campo versión impresa" oder als Ringbuch (11,50 Euro)